7. Dezember 2022
Veröffentlichungsreihe – 24 von 30 Insights
Am 18. Oktober 2022 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) einen Referentenentwurf für ein Energieeffizienzgesetz vorgelegt. Dieser befindet sich bereits in der Ressortabstimmung. Der Gesetzesvorschlag sieht in den §§ 23ff. erhebliche Effizienzanforderungen für Rechenzentren vor. Dies gilt insbesondere für Rechenzentren, die ab dem 01. Januar 2025 den Betrieb aufnehmen. Unsere Experten für Energierecht und Datencenter, Dr. Markus Böhme, LL.M., Dr. Carsten Schulz und Dr. Sabine Kaben, fassen die wesentlichen Aspekte des Referentenentwurfs zusammen und ordnen die Anforderungen an die Betreiber von Datencentern ein.
Frage: Vor welchem Hintergrund wurde der Referentenentwurf vorgelegt?
Antwort: Im Koalitionsvertrag der regierenden Parteien vom November 2021 wird festgelegt, dass Rechenzentren bis zum Jahr 2027 in Deutschland klimaneutral zu betreiben sind. Öffentlich betriebene Rechenzentren sollen bis 2025 laut Koalitionsvertrag ein Umweltmanagement nach EMAS (Eco Management and Audit Scheme) einführen. Zudem soll der Energieverbrauch in Deutschland bis 2045 um 45 Prozent sinken und Deutschland Treibhausgasneutralität erreichen.
Aufgrund des rasant wachsenden Bedarfs an Rechenleistung und Speicherkapazitäten ist im Falle eines kontinuierlichen Rechenzentrumsbooms davon auszugehen, dass sich der jetzt schon hohe Strombedarf bis 2030 verdoppelt – auf bis zu 35 Mrd. kWh/a Zum Vergleich: dies entspricht dem Jahresenergiebedarf von rd. 9,3 Millionen Haushalten. Das Energieeffizienzgesetz (EnEfG) soll hier einen Weg zur Zielerreichung aufzeigen. Insofern werden zwar nicht ausschließlich Datencenter durch den Entwurf den EnEfG adressiert, diese jedoch vor dem Hintergrund des hohen und weiter steigenden Energiebedarfs explizit.
Frage: Welche konkreten Anforderungen sieht der Referentenentwurf für ein Energieeffizienzgesetz für Rechenzentren vor?
Antwort: Der Gesetzesentwurf sieht in den §§ 23ff. RefE-EnEfG erhebliche Effizienzanforderungen für Rechenzentren vor. So sollen Rechenzentren ab Januar 2024 ihren Energiebedarf zu 50 Prozent mit ungefördertem Strom aus regenerativen Energiequellen decken. Ab Januar 2025 soll dann 100 Prozent Ökostrom genutzt werden (vgl. §23 (6) RefE-EnEfG). Rechenzentren, die ihren Betrieb ab dem ersten Januar 2025 aufnehmen, sollen einen PUE-Wert (Power Usage Effectiveness-Wert) von mindestens 1,3 und einen Nutzungsgrad von mindestens 30 Prozent (Rechenzentren, die ab 1. Januar 2027 den Betrieb aufnehmen, von 40 Prozent) oder mehr nachweisen können (vgl. §23 (1) RefE-EnEfG). Das BMWK sieht ab 2024 für Rechenzentren-Neubauten bei Luftkühlung eine minimale Kühllufteintrittstemperatur von 27 Grad vor. Ab dem ersten Januar 2028 gilt diese Temperaturvorgabe grundsätzlich für alle Rechenzentren. Niedrigere Temperaturen sollen nur dann zulässig sein, wenn sie ohne den Einsatz einer Kälteanlage erreicht werden (vgl. §23 (3) und (4) RefE-EnEfG).
Des Weiteren haben Rechenzentrumsbetreiber ein Energie- oder Umwelt-Management-System zu betreiben (vgl. §24 (1) RefE-EnEfG). Für Rechenzentren mit einer Nennanschlussleistung ab 1 Megawatt und für Rechenzentren, die im Eigentum öffentlicher Träger stehen oder für diese betrieben werden, mit einer Nennanschlussleistung ab 100 Kilowatt, besteht ab dem 1. Januar 2025 die Pflicht zur Validierung oder Zertifizierung des Energie- oder Umweltmanagementsystems (vgl. §24 (3) RefE-EnEfG). Auch sollen Effizienzkennzahlen öffentlich einsehbar sein. Entsprechend sieht das RefE-EnEfG den Aufbau eines entsprechenden Registers vor (vgl. §26 RefE-EnEfG).
Betreiber von Rechenzentren sollen zudem verpflichtet werden, Informationen zur Abwärme insbesondere zur verfügbaren Wärmemenge, zur Temperatur in Grad Celsius und zu den Preisen für die Bereitstellung der Abwärme zu veröffentlichen (vgl. §27 RefE-EnEfG). Neue Rechenzentren sollen zur Abwärmenutzung verpflichtet werden.
Frage: Welche Reaktionen gibt es auf den Gesetzesentwurf?
Antwort: Bei Betreibern von Rechenzentren, unter weiteren Branchenmitgliedern und auch beim Digitalverband Bitkom führt der Gesetzentwurf zu einer sehr starken Diskussion, da die Auflagen für Rechenzentren bei Umsetzung massiv verschärft würden. Es wird insbesondere befürchtet, dass die geplanten Vorgaben zur Energieeffizienz für viele Rechenzentren schlicht nicht erfüllbar seien. Seitens der Branche wird darauf verwiesen, dass bis 2025 nicht genügend Strom aus regenerativen Quellen verfügbar sei um die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen. Zudem fehle dieser Strom anderen Kunden, wenn Rechenzentren überproportional Grünstrom kaufen müssten, was letztlich die Preise in die Höhe treibe. Vor diesem Hintergrund sieht der Branchenverband den Standort für Rechenzentren im internationalen Wettbewerb massiv belastet, wenn das Gesetz in dieser Form in Kraft träte. Zudem konterkarierten die geplanten Vorgaben die von der Bundesregierung in der Digitalstrategie formulierten Ziele.
Auf Kritik stößt auch die mögliche Pflicht zur Abwärmenutzung für „neue“ Rechenzentren. Bemängelt wird hier insbesondere, dass es bislang an einer Abnahmepflicht bei Stadtwerken / Wärmenetzbetreibern für derartige Wärme fehle und nicht am Willen der Rechenzentrenbetreiber, diese grundsätzlich zur Verfügung zu stellen.
Auch die unter dem Dach von eco – Verband der Internetwirtschaft e.V. gegründete Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen in Deutschland warnt vor „unrealistischen“ Verpflichtungen für Rechenzentrenbetreiber. So sei der Referenzentenentwurf nicht zu Ende gedacht. Erst müsse ein Markt für die Abnehmer der Abwärme geschaffen werden. Insbesondere seien städtische Energieversorgungsunternehmen zu einer Abnahme zu verpflichten. Zudem brauche es deutlich bessere Zugänge zu den Wärmenetzen und Einspeisemöglichkeiten (Link).
Frage: Wie geht es nun weiter?
Antwort: Gegen den aktuellen Entwurf des BMWK für das Energieeffizienzgesetz haben sowohl das Finanzministerium als auch das Bauministerium ihr Veto eingelegt. Eine ursprünglich bereits für Ende Oktober geplanter Kabinettsbeschluss fiel entsprechend wieder aus der Kabinettszeitplanung. Aus Regierungskreisen hieß es zuletzt, eine Einigung könne gegebenenfalls erst zum Jahresende erzielt werden. Ob und in wie weit die vorgesehenen Regelungen betreffend Rechenzentren in der jetzigen Form bestehen bleiben, ist noch nicht absehbar. Unabhängig von der genauen Ausgestaltung der Rechenzentren betreffenden Abschnitte des Energieeffizienzgesetzes dürfte jedoch klar sein, dass sich die energie- und umweltrechtlichen Anforderungen an Rechenzentren weiter verschärfen werden.
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