2. August 2023
Veröffentlichungsreihe – 13 von 50 Insights
Die strengen Vorschriften des Natur- und Artenschutzrechts können – insbesondere bei Vorhaben, die im Außenbereich entstehen, wie es insbesondere bei Windenergie- und Solaranlagen oftmals der Fall ist – Zulässigkeitsprobleme nach sich ziehen. Mehrere aktuelle Rechtsprechungs-Entscheidungen zeigen, dass der neue § 2 EEG die natur- und artenschutzrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben für erneuerbare Energien erleichtert.
Stehen natur- und artenschutzrechtliche Vorschriften einem Vorhaben entgegen, darf für dieses keine Genehmigung erteilt werden. Zwar enthalten die Regelungsregime (Ausnahme-)Regelungen, über die eine Zulassung von Vorhaben auch bei Beeinträchtigungen von natur- und artenschutzrechtlichen Vorschriften oder Verstößen gegen diese ermöglicht werden kann. Diese Ermessensvorschriften (genannt seien § 15 Abs. 5 BNatSchG, § 45 Abs. 7 BNatSchG, § 67 BNatSchG und auch § 35 BauGB) machen jedoch eine Abwägungsentscheidung notwendig, in der die widerstreitenden Interessen – einerseits die an der Verwirklichung des beantragten Vorhabens, andererseits die des Natur- und Artenschutzes – mit im Einzelnen unterschiedlichen Voraussetzungen gegeneinander abzuwägen sind.
Die Vorhabenzulassung ist damit nicht in jedem Fall völlig sicher, denn ein Überwiegen der natur- oder artenschutzrechtlichen Belange stünde dieser entgegen.
Da mit nahezu jeder Baumaßnahme Eingriffe in Natur und Landschaft einhergehen (Bodenversiegelungen, Waldrodungen, Zerstörung natürlicher Habitate) sind – insbesondere bei umfangreicheren Vorhaben im Außenbereich wie dem Bau von Windenergie- oder Solaranlagen, zu lösende natur- und artenschutzrechtliche Konflikte vorprogrammiert. Hinzukommt, dass die Errichtung von solchen Anlagen oftmals in Bereichen geplant ist, die als Landschaftsschutzgebiete ausgewiesen sind.
Windenergieanlagen können zudem Kollisionen mit (besonders geschützten) Vogel- oder Fledermausarten verursachen. Wird hierdurch das Tötungs- oder Verletzungsrisiko dieser (besonders geschützten) Arten signifikant erhöht, verstößt das Vorhaben gegen das im BNatSchG verankerte Tötungs- und Verletzungsverbot.
Auf Grundlage des neuen § 2 EEG wird die notwendige Abwägungsentscheidung, um die oben beschrieben natur- und artenschutzrechtlichen Konflikte auszuräumen, zugunsten der Errichtung von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien vorgeprägt.
Der Vorrang des Interesses an der Verwirklichung des beantragten Vorhabens – bspw. einer Windenergie- oder Solaranlage – muss auf Grundlage des neuen § 2 EEG nicht mehr wie zuvor umfassend begründet werden. Soll dem Natur- oder Artenschutzrecht Vorrang eingeräumt werden, muss vielmehr umfassend begründet werden, warum entgegen der neuen gesetzgeberischen Wertung, nach der erneuerbare Energien als vorrangiger Belang zu berücksichtigen sind, die Belange des Natur- und Artenschutzrechts vorgehen sollen. Dies soll nach der gesetzgeberischen Wertung nur noch in Ausnahmefällen, die besonderer Begründung bedürfen, der Fall sein. Die den erneuerbaren Energien gegenüberstehenden Interessen, wie hier des Natur- oder Artenschutzrechts sind somit „hintangestellt“.
Diese (begründungs-)erleichternde Wirkung des § 2 EGG im Rahmen der Vorhabenzulassung verdeutlichen mehrere aktuelle Rechtsprechungs-Entscheidungen. So haben das Oberverwaltungsgericht des Landes NRW (OVG NRW) und der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH BW) zwischenzeitlich in mehreren Fällen § 2 EEG in den jeweils vorzunehmenden Abwägungsentscheidungen berücksichtigt und auf dieser Grundlage dem Interesse an der Vorhabenverwirklichung zugunsten erneuerbarer Energien Vorrang eingeräumt.
Den Vorrang erneuerbarer Energien räumten die Gerichte ein
In einigen Fällen kommt der neue § 2 EEG allerdings nicht zur Anwendung: Im Rahmen des „Osterpakets“ wurden gemeinsam mit dem EEG 2023 auch einige neue Vorschriften im BNatSchG – u.a. § 45b BNatSchG – eingeführt. Speziell (nur) für Windenergieanlagen sieht dieser ein besonderes Regelungsregime vor, das in bestimmten Fällen Ermessensentscheidungen nach § 45 Abs.7 BNatSchG zu gebundenen Entscheidungen macht – also die Abwägung gänzlich „rausstreicht“. Dann kann § 2 S. 2 EEG nicht zur Anwendung kommen, da er sich nur auf Abwägungsentscheidungen bezieht (vgl. OVG NRW, Urteil vom 29.11.2022, Az. 22 A 1184/18, juris Rn. 398). Dies betrifft beispielsweise in bestimmten Fällen die Ausnahmeerteilung vom artenschutzrechtlichen Tötungs- und Verletzungsverbot – also die oben beschriebenen „Kollisionsfälle“.
Gleichlaufend mit § 2 S. 1 EEG regelt der neu eingeführte § 45b Abs. 8 Nr.1 BNatSchG aber u.a., dass der Betrieb von Windenergieanlagen im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient. Er dient also den gleichen Zielen wie § 2 EEG – die hier nur auf anderem Wege als über § 2 S. 2 EEG zur Geltung gelangen.
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