25. August 2023
Veröffentlichungsreihe – 55 von 96 Insights
Seit einem Jahr befindet sich die Neufassung von § 2 EEG nun in Kraft, erkennt erneuerbaren Energien überragendes öffentliches Interesse zu und gibt vor, dass EE-Projekte bei Abwägungsentscheidungen regelmäßig der Vorzug zu geben ist. In unserer Beitragsreihe zum ersten Geburtstag von § 2 EEG haben wir in den vergangenen Wochen die wichtigsten gerichtlichen Entscheidungen aus den Bereichen Artenschutz, Waldrecht und Denkmalschutzrecht beleuchtet, die im Rahmen des ersten Jahres zu der neuen Vorschrift ergangen sind.
Es bleibt die Frage: Wie viel Beschleunigung bringt § 2 EEG wirklich? Ist die Vorschrift der lang ersehnte Hebel in Sachen Verfahrensbeschleunigung für die Energiewende oder nur ein Tropfen auf den heißen Stein? Zum Abschluss der Beitragsreihe nimmt unsere Expertin für Verfahrensbeschleunigung, Dr. Julia Wulff, Stellung zum übergeordneten Beschleunigungspotenzial der Neufassung von § 2 EEG.
Das Fazit ist – noch – durchwachsen. Wir haben in den vergangenen Wochen verschiedene gerichtliche Entscheidungen vorgestellt, die zeigen: § 2 EEG befreit zwar nicht von grundsätzlichen Verfahrenspflichten wie der Ermittlung aller abwägungsrelevanten Belange. Geht es aber um ein konkretes Für und Wider etwa bei der Erteilung einer Genehmigung oder Befreiung, setzen sich die erneuerbaren Energien tatsächlich durch. Das OVG Greifswald führt in einer aktuellen Entscheidung vom 23. Februar 2023 (5 K 171/22) dazu sehr anschaulich aus:
„Es liegt auf der Hand, dass das gesetzgeberische Anliegen, „Sofortmaßnahmen“ für einen „beschleunigten“ Ausbau der erneuerbaren Energien nur dann greifen kann, wenn die Regelungen des § 2 EEG auf der Ebene der Einzelfallgenehmigung zum Tragen kommen und nicht nur als eine Art Programmsatz für die Exekutive missverstanden werden.“
Gleichzeitig zeigt die Tatsache, dass wir bereits mehrere Gerichtsentscheidungen aus unterschiedlichsten Rechtsbereichen vorliegen haben, dass bei den Behörden nicht unbedingt ein freigiebiger Umgang mit § 2 EEG vorherrscht und Genehmigungen und Befreiungen gerade nicht ohne Weiteres unter Verweis auf § 2 EEG erteilt werden. Stattdessen kann es nötig werden, erst den Rechtsweg zu beschreiten. Das ist natürlich nicht im Sinne der Beschleunigung.
Wir erleben leider immer öfter, gerade in Anbetracht der zahllosen Neuregelungen, die insbesondere seit Sommer 2022 ergangen sind, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Genehmigungsbehörden stark verunsichert sind. Anstatt mutig voranzugehen und § 2 EEG zu praktischer Wirksamkeit zu verhelfen, wird oftmals auf „Nummer Sicher“ gesetzt.
Dem einzelnen Behördenmitarbeiter kann man dieses Verhalten kaum verübeln. Es fehlt an einheitlichen Leitlinien und Standardsetzungen. Gleichzeitig werden insbesondere im Windenergiebereich mitunter bis zu 50 Prozent der genehmigten Projekte nach der Genehmigungserteilung beklagt – teils von Anwohnern, teils von Umweltverbänden.
Dass einige Behörden vor diesem Hintergrund versuchen, doppelte Sicherheitsnetze in die Entscheidungen einzuziehen, ist nachvollziehbar. Dennoch kommt so der Ausbau der erneuerbaren Energien nur schleppend voran.
Es braucht daher klare Vorgaben, nicht nur zum Umgang mit § 2 EEG, sondern gleichermaßen etwa mit Blick auf artenschutzrechtliche oder bautechnische Anforderungen, die zum Erhalt einer Genehmigung erfüllt werden müssen. Denn leider differieren diese Anforderungen in der Handhabung unterschiedlicher Behörden mitunter sehr stark. Eng verbunden damit ist natürlich die Notwendigkeit einer besseren personellen sowie sachlichen Ausstattung der Genehmigungsbehörden und einer entsprechenden Qualifikation der Mitarbeiter.
Beim Umgang mit § 2 EEG muss man sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass die Vorschrift nicht unmittelbar materielle Anforderungen herabsetzt oder die im Genehmigungsverfahren zu gehenden Schritte verkürzt. Der VGH Hessen hat in der von uns bereits vorgestellten Entscheidung (Beschluss vom 10.02.2023, AZ. 9 B 247/22) ausdrücklich bestätigt, dass § 2 EEG den Planungsträger oder die Genehmigungsbehörde gerade nicht von seiner Pflicht befreit, die abwägungsrelevanten Betroffenheiten zunächst zu ermitteln und zu bewerten, bevor dann eine Gewichtung zugunsten der erneuerbaren Energien vorgenommen werden kann.
Innerhalb dieses Rahmens kommt § 2 EEG meines Erachtens aber durchaus echtes Beschleunigungspotenzial zu. Dieses resultiert vor allem daraus, dass der deutsche Gesetzgeber mit § 2 EEG, den übrigen Maßnahmen aus dem „Osterpaket“ und weiteren Neuregelungen z.B. bei der Umsetzung der EU-Notfallverordnung erstmals die materiell-rechtlichen Entscheidungsmaßstäbe modifiziert. Und das ist der richtige Weg. Denn dass kleinteilige Herumbastelei an Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nur wenig bewirkt, haben die letzten Jahrzehnte Beschleunigungsgesetzgebung eindrucksvoll bewiesen.
§ 2 EEG kann derzeit nur dort Anwendung finden, wo eine echte Schutzgüterabwägung von Gesetzes wegen vorgesehen ist. Während eine unmittelbare Anwendung bei der Erteilung gebundener Entscheidungen (etwa Baugenehmigungen oder immissionsschutzrechtliche Genehmigungen) dogmatisch schwer zu begründen wäre, gibt es durchaus „Graubereiche“, in denen eine Anwendbarkeit von § 2 EEG enorm helfen könnte.
Das gilt insbesondere für die Zulassung von nicht privilegierten Vorhaben im Außenbereich. Denn anders als in § 35 Abs. 1 BauGB, wo die privilegierten Vorhaben geregelt sind, findet nach § 35 Abs. 2 BauGB für alle sonstigen Vorhaben keine echte Abwägung statt. Entsprechend ist eine Bevorzugung von EE-Projekten unter Verweis auf § 2 EEG nicht möglich.
Besondere Relevanz entfaltet diese Problematik im Solar- und Batteriespeicherbereich. Denn anders als Windenergievorhaben, die nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB im Außenbereich immer privilegiert sind, fallen Solaranlagen gem. § 35 Abs. 1 Nr. 8 lit. b), Nr. 9 BauGB nur zu einem stark eingeschränkten Teil unter die privilegierten Vorhaben, Batteriespeicher wurden bislang sogar vollständig vergessen. Eine Realisierung über § 35 Abs. 2 BauGB ohne Eingreifen einer Vorgabe wie derjenigen aus § 2 EEG kommt aber so gut wie nie in Betracht; denn hier genügt schon die Beeinträchtigung „irgendeines“ öffentlichen Belanges, um das Projekt zum Scheitern zu bringen.
Sowohl im Solar- als auch im Batteriespeicherbereich ist die Aufstellung eines Bebauungsplans daher regelmäßig das Mittel der Wahl. Damit geht ein enorm hoher Zeit- und Kostenaufwand einher. Durch eine Erweiterung der Außenbereichsprivilegierung in § 35 Abs.1. BauGB oder aber die Anwendbarkeit von § 2 EEG im Rahmen von § 35 Abs. 2 BauGB könnte zahllosen dieser Projekte zu einer deutlich schnelleren Realisierung verholfen werden.
Sie haben Fragen zu $ 2 EEG oder zu anderen Bereichen des Umwelt- und Planungsrechts bzw. zur Umsetzung von EE-Projekten? Sprechen Sie uns gern an.
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