27. September 2024
Veröffentlichungsreihe – 37 von 96 Insights
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz der Bundesrepublik Deutschland (BMWK) hat am 2. August 2024 unter der Führung von Robert Habeck ein „Optionenpapier“ mit verschiedenen Handlungsoptionen für ein neues „Strommarktdesign der Zukunft“ veröffentlicht. Das Papier soll als erster Aufschlag für eine Diskussion innerhalb der Bundesregierung und den politischen Akteuren, Stakeholdern, Bundesländern und anderen europäischen Staaten dienen, um das neue Strommarktdesign umzusetzen und eine Reform anzutreiben.
Hintergrund der Reform ist, dass der Europäische „Green Deal“ mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2050, welches Deutschland bereits im Jahr 2045 erreichen will, nur durch den massiven und zeitnahen Ausbau erneuerbarer Energien erreichbar ist. Der Ausbau in der benötigten Größenordnung birgt jedoch große Herausforderungen, da der Strommarkt derzeit noch auf fossile Energieträger ausgelegt ist und den Schwankungen im Zusammenhang mit der Stromerzeugung aus Wind und Sonne nicht gewachsen ist. Insbesondere der zunehmende Ausbau von Photovoltaik bringt das Netz an seine Grenzen, denn zur Gewährleistung der Netzstabilität müssen sich Produktion und Verbrauch stets die Waage halten, genauer gesagt bei 50 Hertz liegen, da andernfalls ein Blackout droht. In diesem Zusammenhang werden Stromspeicher, eine flexible Nachfragesteuerung und flexible Kraftwerke als Backup zunehmend erforderlich.
Wie diese Themen künftig in den Strommarkt integriert werden können, hat im Auftrag der Koalitionsfraktionen die „Plattform Klimaneutrales Stromsystem“ (PKNS) untersucht. Auf Grundlage des Berichts der PKNS hat das BMWK nun ein Papier („Strommarktdesign der Zukunft“) mit Handlungsoptionen veröffentlicht, mit dem zum einen die Diskussion eröffnet und zum anderen bereits konkrete Empfehlungen abgegeben werden. Zudem soll das Papier für Transparenz und ein „gemeinsames Verständnis“ hinsichtlich der künftigen Chancen und Herausforderungen sorgen. Ziel des geplanten Strommarktdesigns ist gemäß dem Optionenpier, „das Wechselspiel aus Wind- und PV-Strom als Volumenbringer und flexiblen steuerbaren Kapazitäten als Back-up zu ermöglichen und zu orchestrieren“. Vier wesentliche Voraussetzungen sollen hierfür erfüllt werden: Durch das Strommarktdesign soll (1.) der Einsatz aller Kapazitäten effizient koordiniert werden, es sollen (2.) Investitionen in die CO2-freie Erzeugung von Strom ausreichend abgesichert werden und es soll (3.) der zeitliche und (4.) der räumliche Ausgleich von Angebot und Nachfrage gewährleistet werden.
Hierfür identifiziert das Optionenpapier vier wesentliche Handlungsoptionen, die nachfolgend näher beschrieben werden:
Das erste große Handlungsfeld beschäftigt sich mit dem Investitionsrahmen für erneuerbare Energien. Ziel sind ein Anteil von 80 % erneuerbarer Energien am Stromverbrauch bis 2030. Das bisher geltende „Marktprämienmodell“ (eine Mindestvergütung bietet EE-Anlagenbetreibern eine Risikoabsicherung) ist nur noch bis Ende 2026 europarechtlich genehmigt. Danach wird ein neuer Mechanismus erforderlich, der nach europäischen Vorgaben mit einem Rückzahlungsmechanismus („Claw-Back“) ausgestattet ist für Einnahmen, die über den Förderbedarf hinausgehen.
Zur Gewährleistung dieser Vorgaben hält das Optionenpapier zwei erzeugungsabhängige und zwei erzeugungsunabhängige Modelle bereit. Besonders letztere könnten nach Auffassung des BMWK Anreize für effiziente und systemdienliche Anlagen setzen. Den im Rahmen der „Wachstumsinitiative“ im Zusammenhang mit dem Haushalt 2025 beschlossenen Maßnahmen der Bundesregierung entspricht am ehesten das Modell der Kapazitätszahlung mit produktionsunabhängigem Refinanzierungsbeitrag. Dabei erhält der Betreiber einer EEG-Anlage einen festen Betrag pro Kilowatt über einen längeren Zeitraum, muss aber einen produktionsunabhängigen Refinanzierungsbeitrag leisten.
Wie Eingangs ausgeführt, bereitet bislang die unterschiedliche Verfügbarkeit von Strom aus Photovoltaik und Wind noch erhebliche Schwierigkeiten. Dem könnte ein flexibler Technologiemix, beispielsweise aus Kraftwerken, Speichern und flexiblen Lasten, entgegenwirken. Allerdings bietet das aktuelle Marktumfeld nicht genügend Anreize entsprechend zu investieren, weshalb ein technologieneutraler Kapazitätsmechanismus eingeführt werden soll. Das BMWK empfiehlt dafür einen dezentralen Kapazitätsmarkt mit einer zentralen Komponente (KKM). Dabei soll die Dezentralität die Integration von zukünftigen, innovativen Entwicklungen ermöglichen und die zentrale Komponente langfristige Investitionssicherheit gewährleisten. Das Optionenpapier kündigt diesbezüglich eine Entscheidung der Bundesregierung noch für diesen Herbst 2024 an. Voraussetzung ist, dass die Bestimmungen des europäischen Beihilferechts beachtet werden. Danach ist ein staatlich subventionierter Kapazitätsmarkt nur dann genehmigungsfähig, wenn die Versorgungssicherheit nicht schon durch den freien Markt gewährleistet werden kann.
In der Vergangenheit wurde der Ort der Stromproduktion primär in der Nähe von Lastzentren gebaut. Durch den Ausbau erneuerbarer Energien verlagert sich jedoch die Produktion an die Orte, an denen der beste Ertrag aus Sonne und Wind erzeugt werden kann. Das Übertragungsnetz muss somit in der Lage sein, den Strom über immer weitere Strecken zu transportieren. Zudem muss der Gefahr von Netzengpässen entgegengewirkt werden. Neben verbesserten „Redispatch-Maßnahmen“ (Abregelung von Anlagen zur Sicherung der Netzstabilität) und lokalen Signalen, die durch aktive netzorientierte Steuerungsmöglichkeiten ergänzt werden, muss daher insbesondere ein beschleunigter Netzausbau betrieben werden.
Einen wichtigen Mechanismus für die Verhinderung von Netz- und Erzeugungsengpässen kann auch die flexible Stromnachfrage und ein ebenso flexibles Stromangebot darstellen. Stromverbraucher müssten ihren Bedarf so gestalten, dass er in Stunden mit besonders hoher Stromproduktion aus erneuerbaren Energien am höchsten und bei geringer Erzeugung entsprechend niedrig ist. Unterstützend könnte dabei die Einsetzung von Preissignalen sein. Hohe Preise können demnach eine niedrige Nachfrage bewirken, während die Nachfrage bei günstigen Preisen steigt. Nebenbei könnte diese Verschiebung der Nachfrage laut dem BMWK auch die schwankenden Preise für Strom ausgleichen und dadurch die Marktwerte für erneuerbare Energien verbessern. Allerdings werden dafür dynamische Tarifmodelle und intelligente Messsysteme (Smart-Meter) benötigt, die bislang noch nicht ausreichend verbreitet sind.
Ein Systemwechsel des deutschen Strommarkts ist für die Umsetzung des ambitionierten Wegs der EU und Deutschlands zur Klimaneutralität unausweichlich. Das Optionenpapier hat die vier wesentlichen Mechanismen vorgestellt, die das BMWK grundsätzlich für geeignet hält, zu einem klimaneutralen Deutschland beizutragen. Auch die Energieverbände begrüßen weitestgehend die vorgeschlagene Reform des Strommarktdesigns. Dabei wird jedoch nicht jede Option gleichermaßen begrüßt: Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW) befürchtet zu große Komplexität, weil der Kapazitätsmarkt sowohl zentral wie lokal organisiert werden soll. „Der Aufwand als auch die Komplexität müssen in überschaubarem Rahmen gehalten werden“, forderte Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae. Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft e.V. (BNE) schlägt zudem vor, die Realitätstauglichkeit mancher Optionen vor ihrer Einführung in Reallaboren zu testen, da „in dem Papier auch Präferenzen seitens des BMWK ersichtlich [sind], die absehbar mehr Nachteile als Vorteile hätten.“ Auch der BEE sieht die Herausforderungen durch das Papier nur teilweise gelöst und warnt vor den Risiken mancher aufgeführten Vorschläge.
Nun gilt herauszufinden, wie die einzelnen Optionen optimal kombiniert werden können, um ein sicheres, bezahlbares und nachhaltiges System zu gestalten. Dabei ist es besonders wichtig alle Beteiligten aktiv einzubinden, damit praxistaugliche Lösungen entwickelt werden können.
Lesen Sie in diesem Zusammenhang auch unser Power Play Insight EnWG-Novelle: Änderungen für Energieversorgungsunternehmen sowie Netz- und Anlagenbetreiber.
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