10. März 2023
Veröffentlichungsreihe – 44 von 73 Insights
Die Energieversorgungskrise bleibt auch im Jahr 2023 vorherrschendes Thema. Verbunden damit ist die Notwendigkeit, Deutschlands Abhängigkeit von Energieimporten langfristig zu reduzieren und die stockende Energiewende voranzubringen. Die weitere Beschleunigung des Ausbaus Erneuerbarer Energien ist daher in den letzten Monaten immer stärker in den Fokus von Gesetzgeber und Öffentlichkeit geraten.
Mit dem „Osterpaket“ hatte der deutsche Gesetzgeber im vergangenen Jahr bereits ein umfangreiches Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht, das unter anderem Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG), des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG), des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) und die Einführung des Windenergieflächenbedarfsgesetzes (WindBG) vorsah (lesen Sie hierzu auch die Beiträge zum Osterpaket aus unserer Q&A Energy & Infrastructure-Reihe ).
Am 3. März 2023 hat der Deutsche Bundestag nun erneut Änderungen des EnWG, WindBG, UVPG und des Windenergie-auf-See-Gesetzes (WindSeeG) beschlossen. Die neuen Regelungen dienen der Umsetzung der sogenannten EU-Notfallverordnung, die die EU am 19. Dezember 2022 kurzfristig erlassen hatte und die – zunächst befristet auf 18 Monate – neue Rahmenbedingungen für die Zulassung bestimmter EEG-Anlagen schafft.
Unsere Experten Dr. Julia Wulff und Dr. Christian Ertel beantworten zentrale Fragen rund um die gesetzlichen Neuregelungen.
Antwort: Die neuen Regelungen ermöglichen vor allem einen Verzicht auf die Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung und der Artenschutzprüfung auf Zulassungsebene. Dies allerdings nicht für alle EEG-Anlagen. Konkret geht es um folgende Änderungen:
Antwort: Artikel 6 der EU-Notfall-Verordnung ist sehr weit formuliert und umfasst grundsätzlich alle Arten von Erneuerbaren Energien ebenso wie Projekte im Bereich der Energiespeicherung und Stromnetze, die für die Integration Erneuerbarer Energien in das Elektrizitätssystem erforderlich sind. Den Mitgliedstaaten ist trotz Rechtsform der Verordnung aber freigestellt, ob und in welchem Umfang sie diese Regelung in ihr nationales Recht überführen. Mit der Einführung bzw. Neufassung der § 43m EnWG, § 72a WindSeeG und § 6 WindBG hat der deutsche Gesetzgeber den Fokus in Sachen Artenschutz auf Energieleitungen und Windenergieanlagen gelegt.
Auch Solarenergie-Projekten, insbesondere Freiflächen-Photovoltaikanlagen, kommen aber Erleichterungen zugute. Nach § 14b UVPG n.F. ist bei Anlagen, die im Rahmen eines Städtebauprojekts verwirklicht werden und die sich im Außenbereich befinden, von der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung abzusehen, wenn sie in einem Gebiet liegen, das als Gebiet für Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie ausgewiesen ist und für das bereits eine Strategische Umweltprüfung durchgeführt worden ist. Eine Ausnahme von der Artenschutzprüfung ist für diese Anlagen jedoch nicht vorgesehen. Der Gesetzgeber verweist zur Begründung darauf, dass Freiflächen-Photovoltaikanlagen regelmäßig weniger Konflikte mit dem Artenschutz verursachen als die übrigen genannten EEG-Anlagen, sodass hier kein wesentliches Beschleunigungspotenzial liege. Entsprechend wird aber auch keine Zahlung in das nationale Artenhilfsprogramm notwendig.
Antwort: Mit dem „Osterpaket“ hat der Gesetzgeber bereits letztes Jahr umfangreiche Neuregelungen für den besonderen Artenschutz nach den §§ 44 ff. BNatSchG erlassen, die im Juli 2022 in Kraft getreten sind. So finden sich in § 45b BNatSchG beispielsweise erstmals konkrete Vorgaben für die Prüfung der sog. „Signifikanzschwelle“ bei der Errichtung von Windenergieanlagen an Land, § 45c BNatSchG sieht Erleichterungen für das Repowering von WEA vor.
Diese Regelungen sind mit dem Verzicht auf Umweltverträglichkeitsprüfung und Artenschutzprüfung bei der Vorhabenzulassung nun erst einmal obsolet geworden. Die EU hat den deutschen Gesetzgeber „überholt“. Eine Wahlmöglichkeit für den Vorhabenträger sieht die deutsche Umsetzung in § 43m, § 72a WindSeeG und § 6 WindBG nicht vor. Zu beachten ist allerdings, dass die Regelungen der EU-Notfall-Verordnung und die deutschen Umsetzungsregelungen nur befristet auf 18 Monate gelten. Das stellt die Praxis vor erhebliche Herausforderungen.
Nach Ablauf der 18 Monate greifen wieder die regulären Bestimmungen des BNatSchG, also z.B. auch die neuen §§ 45b, 45c BNatSchG. Für andere EEG-Anlagen, insbesondere für Photovoltaik-Anlagen, für die nach § 14b UVPG n.F. nur die Umweltverträglichkeitsprüfung entfällt, bleiben die Regelungen des BNatSchG ohnehin anwendbar.
Antwort: Durch die Befristung auf 18 Monate müssen Anträge, die die Erleichterungen in Anspruch nehmen wollen, bis zum 30. Juni 2024 gestellt werden. Das dürfte für die meisten Vorhabenträger kaum zu realisieren sein. Denn die Vorbereitung der Antragsunterlagen für große EEG-Projekte nimmt in der Regel deutlich mehr als 18 Monate in Anspruch.
Für den Windenergieausbau an Land kommt hinzu, dass das WindBG selbst gerade erst erlassen wurde. Die Windenergiegebiete nach § 2 WindBG, in denen die Erleichterungen gelten, sind also noch gar nicht ausgewiesen. Die Fristen für die Ausweisungspflichten der Bundesländer nach § 3 WindBG laufen tatsächlich auch erst Ende 2027 bzw. Ende 2032 ab. Zwar muss die Ausweisung nach der Neufassung des § 6 WindBG erst im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung vorliegen. Der Antrag muss aber dennoch bis zum 30. Juni 2024 gestellt sein. Werden die Länder nun nicht schnellstmöglich tätig, können Vorhabenträger von WEA-Anlagen die Erleichterungen des § 6 WindBG voraussichtlich gar nicht in Anspruch nehmen – oder müssten sich darauf verlassen wollen, dass die Ausweisung schon noch rechtzeitig erfolgen wird.
Für alle genannten EEG-Anlagen gilt schließlich, dass das nationale Artenhilfsprogramm, in das gegebenenfalls (WindSeeG, WindBG) oder zwingend (EnWG) eingezahlt werden soll, im BNatSchG zwar angelegt, bisher aber noch nicht umgesetzt ist.
Antwort: Das nationale Artenhilfsprogramm findet sich bereits seit Juli 2022 im neu eingefügten § 45d BNatSchG und war Teil des „Osterpakets“. Es wird also auch unabhängig von der EU-Notfall-Verordnung eingerichtet werden und soll immer dann greifen, wenn eine artenschutzrechtliche Ausnahme zugelassen wird, ohne dass Maßnahmen zur Sicherung des Erhaltungszustandes der betreffenden Art durchgeführt werden. Verantwortlich für die Einrichtung und Durchführung des Artenhilfsprogramms ist das Bundesamt für Naturschutz (BfN).
Lange war unklar, wie genau das nationale Artenhilfsprogramm aussehen wird und welche Zahlungen zu leisten sein werden. Hierzu enthalten die § 43m EnWG, § 72a WindSeeG und § 6 WindBG nun erstmals konkrete Vorgaben:
Antwort: Die Umsetzung der EU-Notfall-Verordnung ist für die Beschleunigung des Erneuerbaren-Ausbaus ein wichtiger Eckpfeiler. In einigen, oben beschriebenen Punkten werden die Genehmigungsverfahren für EE-Anlagen vereinfacht. So entfallen durch den Verzicht auf Umweltverträglichkeits- und Artenschutzprüfung langwierige Prozessschritte. Allerdings sind die Auslegungsspielräume einiger rechtlicher Vorgaben erheblich, die resultierende Rechtsunsicherheit führt unweigerlich zu Verzögerungen im Genehmigungsprozess. Hier besteht nach wie vor Handlungs- und Anpassungsbedarf seitens des Gesetzgebers. Zudem sollte zeitnah die Frage geklärt werden, welche Regelungen auch nach 2024 dazu geeignet sind, die Erreichung der EE-Ausbauziele sicherzustellen.
Sie haben Fragen zu den Neuregelungen für Energieleitungen und Windenergieanlagen oder andere Fragen zur Genehmigung von EEG-Anlagen? Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme.
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