20. Juni 2023
Veröffentlichungsreihe – 31 von 64 Insights
Update vom 20.06.2023
Mitte Februar 2023 hat die Europäische Kommission zwei delegierte Rechtsakte im Rahmen der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED II) erlassen, in denen festgelegt wird, was in Zukunft in der Europäischen Union als grüner, d.h. ausschließlich durch den Einsatz von erneuerbarem Strom hergestellter, Wasserstoff gilt. Die beiden Rechtsakte sind Teil eines umfassenderen EU-Rechtsrahmens für Wasserstoff, der neben der Definition von erneuerbarem Wasserstoff auch Vorgaben für Energieinfrastrukturinvestitionen und Vorschriften zu staatlichen Beihilfen sowie legislative Vorgaben für erneuerbaren Wasserstoff in Industrie und Verkehr umfasst. Die Rechtsakte sollen insbesondere dafür sorgen, dass alle erneuerbaren Brenn- und Kraftstoffe nicht biogenen Ursprungs (renewable fuels of non-biological origin, RFNBOs) mit Strom hergestellt werden, der aus erneuerbaren Quellen stammt. Die EU-Kommission möchte mit möglichst klaren Kriterien und einem Zertifizierungssystem insbesondere Rechtssicherheit für Investoren schaffen und zudem die Ziele des europäischen Green Deals und des REPowerEU-Plans erreichen. Die beiden delegierten Rechtsakte sind hier und hier abrufbar. Inhaltlich können diese nicht mehr durch das EU-Parlament bzw. den EU-Ministerrat geändert werden. Die Frist für eine mögliche Ablehnung lief am 13. Juni aus. Die Rechtsakte sind damit angenommen. Diese treten am 20. Tag nach einer Veröffentlichung im Amtsblatt der Kommission in Kraft.
Antwort: Der erste delegierte Rechtsakt benennt die Kriterien dafür, wann Wasserstoff in der EU als grüner bzw. erneuerbarer gilt. Zum anderen legt der Rechtsakt fest, wie Wasserstofferzeuger nachweisen können, dass die dafür erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Grundsätzlich gilt, dass mit Elektrolyseuren erzeugter Wasserstoff nur dann als erneuerbarer bzw. grüner Wasserstoff klassifiziert wird, wenn er mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt wird. Wasserstofferzeuger müssen daher nachweisen, dass der von ihnen verwendete Strom aus solchen Quellen stammt. Dabei kann der Strom entweder aus einer an die Produktionsanlage angeschlossenen Erzeugungsanlage kommen oder aus dem Netz. Entscheidend dafür, dass der genutzte Strom als erneuerbarer gilt und der hergestellte Wasserstoff als grün eingestuft werden kann, sind die folgenden drei Kriterien:
Das Kriterium der Zusätzlichkeit soll sicherstellen, dass die höhere Nachfrage nach Wasserstoff mit der Schaffung neuer Kapazitäten für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen einhergeht. So soll die Wasserstofferzeugung zur Dekarbonisierung beitragen. Zudem soll vermieden werden, dass die Stromerzeugung bei zunehmender Nachfrage bedingt durch die Wasserstofferzeugung unter Druck gerät. Nach Schätzungen der Europäischen Kommission werden etwa 500 TWh Strom aus erneuerbaren Quellen benötigt, um das mit dem REPowerEU-Plan für 2030 gesetzte Ziel einer Erzeugung von 10 Mio. Tonnen RFNBOs zu erreichen. Zur Herstellung von 10 Mio. Tonnen RFNBOS sind 14 % des gesamten Stromverbrauchs in der EU erforderlich. Die Kriterien der zeitlichen und geographischen Korrelation sollen gewährleisten, dass erneuerbarer Wasserstoff nur zu Zeiten und an Orten erzeugt wird, zu bzw. an denen ausreichend erneuerbare Energie zur Verfügung steht. Die Mitgliedstaaten haben die Möglichkeit, zusätzliche Kriterien für die geographische Korrelation einzuführen. Zum einen muss der erzeugte Erneuerbaren-Strom in derselben Stunde für die Produktion von Wasserstoff genutzt werden (zu Übergangsfristen siehe unten). Zudem müssen Elektrolyseure laut dem delegierten Rechtsakt grundsätzlich in derselben Stromgebotszone errichtet werden, wie die Erzeugungsanlage für erneuerbare Energien.
Antwort: Grundsätzlich ist hier zu unterscheiden, ob der Strom für die Herstellung des Wasserstoffs aus dem Stromnetz entnommen wird oder aus einer direkt an den Elektrolyseur angeschlossenen Produktionsanlage stammt:
Wasserstoff gilt als grün/erneuerbar, wenn der verwendete Strom als vollständig erneuerbar angerechnet werden kann.
Damit dies der Fall ist, muss eine der folgenden Möglichkeiten erfüllt sein.
Wasserstoff gilt als grün/erneuerbar, wenn der Wasserstofferzeuger kumulativ nachweist, dass die Stromerzeugungsanlage:
Antwort: Im Hinblick auf die Anrechnung auf die EU-Ziele für erneuerbare Energien gelten die Anforderungen an die Erzeugung von erneuerbarem Wasserstoff sowohl für inländische Erzeuger als auch für Erzeuger aus Drittländern, die erneuerbaren Wasserstoff in die EU exportieren wollen. Damit Wasserstofferzeuger (innerhalb und außerhalb der EU) nachweisen können, dass sie die Vorschriften einhalten, wird ein Zertifizierungssystem eingeführt, das den Wasserstofferzeugern den Handel mit grünem Wasserstoff in der EU ermöglichen soll.
Die Einführung der genannten Regelungen erfolgt stufenweise. Im Einklang mit der Gesamtentwicklung der Branche sollen die Regelungen zudem sukzessive verschärft werden. Zunächst gelten verschiedene Übergangsfristen:
Anforderungen an die Zusätzlichkeit: Ausnahmeregelung für Wasserstoffprojekte, die vor dem 1. Januar 2028 in Betrieb genommen werden. In diesem Zusammenhang erzeugter Wasserstoff kann als erneuerbar eingestuft werden, wenn langfristige Verträge über den Bezug von erneuerbarem Strom mit bereits bestehenden Anlagen abgeschlossen werden.
Zeitliche Korrelation: Es gilt eine Übergangsfrist bis einschließlich 31. Dezember 2029. In diesem Zeitraum dürfen Erzeuger von grünem Wasserstoff die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen und die damit verbundene Erzeugung von erneuerbarem Wasserstoff auf Monatsbasis und nicht auf Stundenbasis abgleichen. Mitgliedstaaten können jedoch ab dem 1. Juli 2027 strengere Vorschriften vorgeben. Ab dem 1. Januar 2030 müssen alle Erzeuger von erneuerbarem Wasserstoff den gekauften Strom auf Stundenbasis abgleichen.
Antwort: Der zweite Rechtsakt enthält eine Methode zur Berechnung der Lebenszyklustreibhausgasemissionen von RFNBOs. Die Methode berücksichtigt die Treibhausgasemissionen während des gesamten Lebenszyklus der Brenn- bzw. Kraftstoffe, einschließlich vorgelagerter Emissionen, Emissionen im Zusammenhang mit der Entnahme von Strom aus dem Netz sowie Emissionen im Zusammenhang mit der Verarbeitung und mit der Beförderung dieser Brenn- bzw. Kraftstoffe zum Endverbraucher. Es wird zudem ein Mindestschwellenwert definiert: RFNBO sind nur dann auf das EU-Ziel für erneuerbare Energien anrechenbar, wenn sie im Vergleich zu fossilen Brennstoffen Treibhausgaseinsparungen von mehr als 70 Prozent erzielen.
Nachdem auf EU-Ebene die Einspruchsfrist von Rat und Parlament abgelaufen ist, sind die delegierten Rechtsakte nun angenommen. Hierdurch wird ein weiterer Meilenstein zur Energiewende in Europa gesetzt. Nach der bereits erfolgten Einigung der Europäische Kommission, des Europäischen Parlamentes und des Europäischen Rates Ende März 2023 auf eine umfassende Neugestaltung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (zukünftig RED III) wird das Thema RFNBOs und grüner Wasserstoff zukünftig erheblich an Bedeutung gewinnen. So erhöhen sich im Verkehrssektor die bereits verbindlichen Ziele massiv und sehen erstmals eine Kombination von RFNBOs und fortschrittlichen Biokraftstoffen vor. Des Weiteren müssen im Industriesektor bis 2030 42% und bis 2035 60% des verbrauchten Wasserstoffs aus erneuerbaren Energiequellen stammen.
Neben der europäischen Ebene hat das Bundesumweltministerium angekündigt, die delegierten Rechtsakte „sehr zeitnah“ umzusetzen. Dafür ist unter anderem eine Novellierung der BImSchV erforderlich. Ein Referentenentwurf für eine Verordnung zur Neufassung der siebenunddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchV) mit Stand von Ende April 2023, der explizit auf die delegierten Rechtakte Bezug nimmt, liegt bereits vor. Auch im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ist geplant, die Kriterien für erneuerbaren Wasserstoff an die europäischen Vorgaben anzupassen. Insofern werden sich die Vorgaben insbesondere des ersten Rechtsakts aller Voraussicht nach zeitnah auf den nationalen Regelungsrahmen für Wasserstoff auswirken.
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