5. Mai 2022
Veröffentlichungsreihe – 45 von 61 Insights
Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung aus dem November 2021 sind ambitionierte Ziele für den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien festgelegt worden. Auch ohne den Krieg in der Ukraine sind die Strompreise nicht nur in Deutschland zuletzt deutlich angestiegen. Ein Embargo für Russisches Öl und Gas hätte massive Folgen, nicht zuletzt einen weiter deutlich ansteigenden Strompreis. Insbesondere vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine und den bestehenden Abhängigkeiten von Kohle, Öl, Gas und Uran aus russischer Förderung ist ein weiterer massiver Ausbau von und umfangreiche Investitionen in Wind- und Solarenergie zwingend, um kurz- bis mittelfristig die installierte Leistung bei heimischen erneuerbaren Energien zu erhöhen. Bürokratische Hemmnisse müssen beseitigt werden und Flächen und Genehmigungen schnell und einfach bereitgestellt werden.
Die kommunale Beteiligung an Erneuerbare-Energien-Anlagen spielt für die Akzeptanz der Anlagen vor Ort und damit für eine erfolgreiche Umsetzung des schnellen Ausbaus von Erneuerbaren-Energien-Projekten oft eine zentrale Rolle. Ein Instrument zur kommunalen Beteiligung sollte § 6 EEG (2021) sein.
Unsere Experten Thorsten Eggert und Dieter Lang widmen sich im Folgenden einigen zentralen Fragen, die seit in Kraft treten von § 6 EEG im August 2021 zunehmend in den Vordergrund getreten sind und im Zusammenhang mit vielen entsprechenden Entwicklungen und Transaktionen von Bedeutung sind.
Frage: Worum handelt es sich bei § 6 EEG?
Antwort: Mit § 6 EEG hat der Gesetzgeber Mitte 2021 ein Instrument zur finanziellen Beteiligung von Gemeinden geschaffen, die vom Ausbau erneuerbarer Energien direkt „betroffen“ sind. Die Norm wurde ursprünglich als § 36k EEG eingeführt und galt nur für Windenergieanlagen an Land. Mit der EEG-Novelle im August 2021 wurde der Geltungsbereich auf Solar-Freiflächenanlagen erweitert. Der bisherige § 36k EEG 2021 wurde in § 6 EEG 2021 überführt. Unter der Einhaltung der Voraussetzungen von § 6 EEG 2021 dürfen Anlagenbetreiber an betroffene Gemeinden einen freiwilligen Betrag, höchstens aber 0,2 ct/kWh für tatsächlich eingespeiste Strommengen zahlen. Bei Windenergieanlagen gelten dabei Gemeinden, deren Gemeindegebiet sich zumindest teilweise innerhalb eines um die Windenergieanlage gelegenen Umkreises von 2.500 Metern um die Turmmitte der Windenergieanlage befindet als betroffen. Bei Freiflächenanlagen gelten als betroffene Gemeinden solche, auf deren Gemeindegebiet sich die Freiflächenanlagen befinden. Für EEG-geförderte Anlagen kann der gezahlte Betrag vom Netzbetreiber erstattet werden. Bei den Beiträgen handelt es sich um einseitige Zuwendungen ohne Gegenleistung seitens der Gemeinden.
Frage: Warum ist eine „Erlaubnis“ des Gesetzgebers zur finanziellen Beteiligung überhaupt notwendig?
Antwort: Im Rahmen von § 6 EEG erlaubt der Gesetzgeber Zahlungen von Anlagenbetreibern an Gemeinden ohne Gegenleistung. Durch eine solche Zahlung (oder das Versprechen einer solchen) könnten sich Anlagenbetreiber ohne diese explizite Erlaubnis sehr leicht im Sinne einer „Bestechung“ strafbar machen. Daher regelt § 6 EEG auch klarstellend, dass die Bestechungs- und Vorteilsannahmetatbestände der §§ 331 ff. StGB nicht anwendbar sind. Zudem wären Vereinbarungen, die eine solche Zusage vorsehen, schon aus diesem Grund nichtig.
Frage: Warum ist das so bedeutend für die Erneuerbaren?
Antwort: Es ist ein wichtiges Ziel des Gesetzgebers, den Ausbau von erneuerbaren Energien zu fördern und zu beschleunigen. Notwendigerweise müssen in diesem Prozess auch die Gemeinden vor Ort beteiligt werden. Zum einen sind sie es, die (im Falle von PV-Freiflächenanlagen durch die Aufstellung der notwendigen Bebauungspläne und im Bereich Wind durch die Beteiligung nach § 36 BauGB) maßgeblich über den Ausbau im Einzelfall entscheiden. Zum anderen ist es wichtig, dass die notwendige Energiewende auch vor Ort Akzeptanz findet und damit auch das Risiko der gerichtlichen Anfechtung reduziert. Daher möchte der Gesetzgeber es Betreibern ermöglichen, die Gemeinden vor Ort finanziell zu unterstützen. Und zwar ohne Gegenleistung der Gemeinde.
Gäbe es nun § 6 EEG nicht, würden solche Vereinbarungen zunächst wohl gegen das öffentlich-rechtliche Koppelungsverbot / Konnexitätsgebot (vgl. z.B. § 11 Abs. 2 S. 2 BauGB oder § 56 Abs. 1 S. 2 und S. 3 VwVfG und vergleichbare Regelungen entsprechend) verstoßen. Dann wären sie schlicht unwirksam.
Viel wichtiger ist aber, dass sowohl Anlagenbetreiber als auch Gemeindemitglieder Gefahr gelaufen wären, sich strafbar zu machen. Einseitige Zahlungen an öffentliche Träger ohne erlaubte und angemessene Gegenleistung erwecken schnell den Verdacht von Bestechung oder Vorteilsgewährung bzw. -annahme (§§ 331 ff. StGB). So hat der Gesetzgeber in § 6 Absatz 4 Satz 2 EEG explizit geregelt, dass Vereinbarungen und Angebote nach § 6 EEG gerade nicht als Vorteil im Sinne der §§ 331 bis 334 StGB gelten und deren Tatbestand damit nicht eröffnet wird.
Frage: Ist eine Strafbarkeit der Beteiligten also ausgeschlossen? Oder könnte eine Vereinbarung noch als Bestechung von Mandatsträgern gewertet werden?
Antwort: Bei Beachtung der Vorgaben des § 6 EEG ist eine Strafbarkeit ausgeschlossen. Der Gesetzgeber hat es, auch nach Drängen durch die Branchenverbände, zwar versäumt, einen Ausschluss auch von § 108e StGB – Bestechung von Mandatsträgern - ausdrücklich aufzunehmen. Dieser hat jedoch engere Grenzen als die §§ 331 ff. StGB. Insbesondere dürfte es bei richtiger Ausgestaltung der Vereinbarung an der von § 108e StGB geforderten „konkreten Unrechtsvereinbarung“ fehlen. Außerdem lässt die Gesetzesbegründung den Schluss zu, dass der Ausschluss der §§ 331 ff. StGB ohnehin lediglich klarstellender Natur sein soll und der Gesetzgeber einen Ausschluss der Strafbarkeit insgesamt verfolgt hat. Man muss allerdings sagen, dass § 6 EEG noch eine Reihe von Fragen offen lässt; aus der sich entwickelnden Praxis zu § 6 EEG ergeben sich viele Gestaltungen – manchmal gewünscht von Gemeinden, manchmal von Entwicklern vor Ort – die sich nicht in jedem Fall unmittelbar unter § 6 EEG fassen lassen. Hier wird auch der Gesetzgeber noch nachschärfen müssen, um § 6 EEG wirklich zu einem vollen Erfolg werden zu lassen.
Frage: Was ist bei der praktischen Ausgestaltung der Zahlungen zu berücksichtigen?
Antwort: Die Möglichkeit der Beteiligung wurde der Höhe nach vom Gesetzgeber auf insgesamt 0,2 Cent pro Kilowattstunde tatsächlich eingespeisten Stroms begrenzt. Dies dürfte vor allem den Hintergrund haben, Anlagenbetreiber vor zu hohen Forderungen durch die Gemeinden zu schützen und die Wirtschaftlichkeit des weiteren Anlagenbetriebs zu gewährleisten. Der Gesetzeswortlaut dürfte davon ausgehen, dass Zahlungen erst nach tatsächlich stattgefundener Einspeisung geleistet werden dürfen. Hier bietet sich eine jährliche Zahlung im Nachhinein an. Eventuell kann man auch Vorschüsse leisten (das ist zum Beispiel so eine Unschärfe wie oben genannt). Nimmt der Betreiber eine finanzielle Förderung nach dem EEG in Anspruch, kann er die im Vorjahr geleisteten Beträge vom Netzbetreiber erstattet bekommen – wird der Strom, etwa über ein PPA (Power Purchase Agreement), frei am Markt verkauft – also aktuell vor allem bei großen PV Projekten – besteht kein Anspruch auf Erstattung.
Frage: Gibt es weitere unklare Punkte in § 6 EEG?
Antwort: Insgesamt ist zu beachten, dass es sich bei der Möglichkeit der finanziellen Beteiligung von Gemeinden um ein neues Instrument handelt und die sowohl Anlagenbetreiber, als auch Gemeindevertreter aufgrund der möglichen Strafbarkeit beim Verlassen des von § 6 EEG Erlaubten eine gewisse Unsicherheit spüren. Aufgrund der mangelnden Verwaltungspraxis und Rechtsprechung sowie den teilweise unscharfen Formulierungen bestehen an vielen Punkten Unsicherheiten.
Frage: Was beinhalten die Gesetzesentwürfe des Osterpakets des BMWK diesbezüglich?
Antwort: Der Anwendungsbereich von § 6 EEG soll weiter ausgeweitet werden. Insbesondere ermöglicht die im Rahmen des Osterpakets vorgestellte Fassung des Entwurfs des EEG 2023 den Anlagebetreibern, auch den von Bestandsanlagen betroffenen Gemeinden Zuwendungen nach § 6 EEG zu zahlen. In Zukunft muss, sollte sich der Anlagenbetreiber dazu entschließen eine finanzielle Beteiligung anzubieten, allen betroffenen Gemeinden eine solche Beteiligung angeboten werden. Bei Windenergieanlagen an Land soll darüber hinaus eine finanzielle Beteiligung der Kommunen in Zukunft auch bei Direktvermarktung ohne Inanspruchnahme der EEG-Förderung möglich sein. Die Erstattung durch den Netzbetreiber soll aber weiterhin nur dann erfolgen, wenn eine Förderung nach dem EEG in Anspruch genommen wurde.
Fazit
Trotz der vielen Unklarheiten sehen wir ein reges Interesse am Markt (und verständlicherweise vor allem der Gemeinden) am Abschluss solcher Vereinbarungen. Kaum ein Projekt zur Errichtung von Erneuerbare-Energien-Anlagen in Deutschland kommt derzeit ohne Fragen rund um § 6 EEG aus. Die vielen bestehenden Unsicherheiten sind dabei mit einer Freude aller beteiligten Parteien an der Schaffung einer (einigermaßen) rechtssicheren Möglichkeit zur Beteiligung der Gemeinden und damit Incentivierung zur Bereitstellung weiterer Flächen für die Energiewende durch diese gepaart.
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