17. April 2025
Veröffentlichungsreihe – 6 von 77 Insights
Jetzt steht es fest: mit der neuen Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD werden auch die Themen Kohlendioxid-Speicherung bzw. Carbon Capture and Storage (CCS) sowie Carbon Capture and Utilization (CCU) zügig auf die Tische der Abgeordneten zurückkehren. Den Technologien wurde im Koalitionsvertrag sogar ein ganzer Absatz gewidmet. Nach einer Standortbestimmung stellen wir Ihnen im Folgenden die neuen Pläne der zukünftigen Bundesregierung vor.
Im Jahr 2023 verursachte die deutsche Industrie etwa 144 Millionen Tonnen CO₂ und ist damit der zweitgrößte Emittent des Landes. Für eine langfristig wettbewerbsfähige Industrie – ob Stahl-, Chemie-, Zement- und Kalkindustrie oder die Glas- und Keramikherstellung – ist CCS von essenzieller Bedeutung, um die Emissionen aus den Produktionsprozessen (sog. Prozessemissionen) zu reduzieren. Mit der CCS-Technik sollen gerade die derzeit schwer oder anderweitig technisch nicht vermeidbaren Emissionen adressiert werden. Auch für Industrien, bei denen Technologien zur Emissionsminderung noch nicht vorhanden sind oder der Umstieg auf grünen Wasserstoff und die Elektrifizierung der Produktionsprozesse aktuell nicht wirtschaftlich ist, bietet CCS übergangsweise eine Lösung.
Aufgrund des Bruchs der Ampelkoalition Anfang November 2024 und der Auflösung des Bundestages Ende Dezember 2024 konnten einige Gesetzesvorhaben, die bereits geplant waren, nicht umgesetzt werden. Im Einzelnen:
Ein Baustein des Rechtsrahmens ist das Kraftwerkssicherheitsgesetz, für dessen Umsetzung nach dem Bruch der Ampel-Koalition die Mehrheit fehlte. Ziel des Kraftwerkssicherheitsgesetzes war die Absicherung der Energiewende durch neue Gaskraftwerke in Zeiten, in denen Sonne und Wind nicht ausreichend Strom liefern. Ab 2025 sollten rund 12 GW neue Gaskraftwerke ausgeschrieben werden – davon 7 GW wasserstofffähige Gaskraftwerke („H2 ready“) und 5 GW konventionelle Erdgaskraftwerke. Die Union verweigerte jedoch die nach dem Bruch der Ampelkoalition für die Verabschiedung des Gesetzes notwendige Unterstützung. Anstelle einer verpflichtenden Umstellung auf Wasserstoff (H2) nach acht Jahren sollte den Betreibern die Entscheidung überlassen werden, ob sie auf Wasserstoff umrüsten oder die Kraftwerke mit Gas plus ergänzender CCS-Technologie weiterbetreiben wollen. Bereits im Rahmen der Kraftwerksstrategie, die die Grundlage für das Kraftwerkssicherheitsgesetz bildet und deren Eckpunkte erstmalig im Februar 2024 vorgestellt wurden, drängte die Union auf eine flächendeckende Umsetzung der CCS-Technologie bei Gaskraftwerken.
Ein ähnliches Schicksal wie das Kraftwerkssicherheitsgesetz ereilte die Novelle des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes (KSpG), die nach langer Vorbereitung ebenfalls nicht mehr auf den Weg gebracht werden konnte. Dabei hat das KSpG das Potenzial, ein Schlüssel zur Erreichung der deutschen Klimaziele zu werden.
Nach aktueller Rechtslage dürfen CO2-Speicher im Inland laut KSpG nur zu Testzwecken gebaut werden. Auch einem Export von CO2 ins Ausland stehen noch viele rechtliche Hindernisse entgegen, insbesondere mit Blick auf die von der Union favorisierte Offshore-Speicherung vor Norwegen. Mit der bereits geplanten Novellierung sollten, da waren sich bisherige Regierungs- und Oppositionsparteien einig, Industrien unterstützt werden, die ihre Produktionsprozesse nicht oder nur schwer auf klimafreundlichen Wasserstoff umstellen können. Uneinigkeit herrschte wie beschrieben bis zuletzt bei der Frage, ob auch Gaskraftwerke von der CCS-Technologie Gebrauch machen dürften oder ob der Handlungsdruck für die Betreiber von Gaskraftwerken, auf Wasserstoff umzustellen, durch die Förderung von CCS zu sehr abgemildert würde.
Im Rahmen der Novellierung sollte auch die Grundlage für die Schaffung einer Transportinfrastruktur – also eines CO2-Leitungsnetzes – geschaffen werden. Die Transportinfrastruktur ist fundamental für einen erfolgreichen Roll-out von CCS.
Für die Industrie war das Scheitern des Kraftwerkssicherheitsgesetzes und der Novellierung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes ein Rückschlag. Beide Gesetze hätten für Planungssicherheit sorgen können, welche die Unternehmen für Investitionsentscheidungen bei CCS-Projekten dringend benötigen.
Die bisherigen Gesetzgebungsverfahren können nach der vorgezogenen Bundestagswahl wegen des Diskontinuitätsgrundsatzes zwar nicht einfach fortgesetzt werden. Allerdings ist damit zu rechnen, dass die neue Bundesregierung aus Union und SPD einen neuen – wohl weitergehenden – Gesetzgebungsvorschlag unterbreiten wird. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu nun in einem eigenen Abschnitt: „Wir werden umgehend ein Gesetzespaket beschließen, welches die Abscheidung, den Transport, die Nutzung und die Speicherung von Kohlendioxid insbesondere für schwer vermeidbare Emissionen des Industriesektors und für Gaskraftwerke ermöglicht.“ Für den Bau dieser CCS/CCU-Anlagen und -Leitungen soll das überragende öffentliche Interesse festgestellt werden. Mit Blick auf die geplante Offshore-Speicherung sollen die Ratifizierung einer Änderung des London-Protokolls, das dem CO2-Export völkerrechtlich derzeit entgegensteht, sowie die Schaffung von bilateralen Abkommen mit Nachbarländern höchste Priorität haben. CO₂-Speicherung soll sowohl offshore außerhalb des Küstenmeeres in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und des Festlandssockels der Nordsee sowie onshore ermöglicht werden, wo geologisch geeignet und akzeptiert. Zu diesem Zweck soll auch eine Länderöffnungsklausel eingeführt werden. Um zukünftig Negativemissionen zu heben, soll verstärkt die – in Deutschland allerdings bislang noch nicht verfügbare – Direct Air Capture-Technologie eingesetzt werden.
Diese Vorhaben stoßen allerdings auch teilweise auf Kritik. Die Entscheidung, CO₂-Abscheidung und Speicherung an Gaskraftwerken zuzulassen, sieht z.B. die ehemalige Klimaschutz- und energiepolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Nina Scheer, „äußerst kritisch, zumal in Kombination mit der Privilegierung von CO₂-Transportinfrastrukturen“. Ein Bekenntnis zu CCS müsse „in ein vernünftiges Verhältnis mit dem benötigten Hochlauf von grünem Wasserstoff gebracht werden. Schließlich steht und fällt auch das Wasserstoff-Kernnetz mit ausreichend verfügbarem Wasserstoff“, sagte die Bundestagsabgeordnete und sprach sich somit für den rein industriellen Gebrauch von CCS-Technologie aus.
Auch Unternehmen wie bspw. EWE und Sunfire hatten davor gewarnt, CCS und Wasserstoff gegeneinander auszuspielen: CCS solle nur für unvermeidbare Emissionen eingesetzt werden, Wasserstoff hingegen für die Energiewende. Klare Nachfrageimpulse für grünen Wasserstoff, auch für Gaskraftwerke, seien für die Wasserstoffwirtschaft wichtig.
So setzt EnBW vor allem auf den Einsatz von Wasserstoff in ihren Gaskraftwerken. Da diese im Gegensatz zu Grundlastanlagen regelmäßig nicht dauerhaft laufen, würden die CCS-Anlagen auch nur in den Stunden betrieben werden, in denen das Kraftwerk eingesetzt wird. Dies würde insb. die Amortisation der CCS-Anlagen deutlich verlängern.
Aurubis gab darüber hinaus zu bedenken, es brauche für die Nutzung des gespeicherten CO₂ ein Transportnetz, das bisher jedenfalls nur in den Plänen verschiedener Gasnetzbetreiber existiere. Außerdem gebe es aktuell keine marktreife und wirtschaftliche Technologie für das Capturing von Abgasen mit sehr geringem CO₂-Gehalt. Hierfür brauche es weitere Forschung und deren Finanzierung.
Ein erfolgreiches Beispiel für die Umsetzung von CCS-Projekten ist Norwegen, wo seit 1996 mehr als 19 Millionen Tonnen CO₂ unter der Nordsee gespeichert wurden. Auch Dänemark hat bereits sechs Lizenzen für die Exploration von CO₂-Speichern erteilt. Im Rahmen von Projekt Greensand sollen ab 2025/2026 1,5 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr im Meeresboden gelagert werden und ab 2030 acht Millionen Tonnen. Das Projekt ist Teil einer entstehenden europäischen CCS-Infrastruktur. Dänemark hat zudem mit mehreren Ländern Vereinbarungen über einen grenzüberschreitenden Transport von CO₂ zur Speicherung im Meeresboden getroffen. Mit dem Projekt Greenstore wurde außerdem die erste Lizenz für die unterirdische CO₂-Speicherung an Land erteilt.
Auch die Niederlande gelten als Vorreiter in Sachen CCS. Laut Regierung gibt es in den Niederlanden bis 2050 ein Lagerpotenzial von bis zu 3.200 Megatonnen CO2. Im Hafen von Rotterdam laufen aktuell Arbeiten zur Errichtung von Pipelines und Verdichtungsstationen, um CO2 vor der Küste im ehemaligen P18-Gasfeld zu speichern. 2026 könnte das Projekt in Betrieb gehen und Vorbild für andere europäische Staaten werden.
Es bleibt abzuwarten, ob und – falls ja – wann die Vorhaben der neuen Bundesregierung umgesetzt werden. Durch unsere Insights halten wir Sie dazu auch in Zukunft auf dem Laufenden. Gerne beraten wir Sie schon jetzt umfassend bei der Planung und Umsetzung von CCS- und CCU-Projekten. Unsere Expertinnen und Experten decken dabei den vollständigen Prozess von Planungs- und Genehmigungsverfahren bis hin zur vertraglichen Gewährleistung ab.
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