27. Januar 2023
Veröffentlichungsreihe – 29 von 32 Insights
Als Reaktion auf die enormen finanziellen Belastungen von Unternehmen und Verbrauchern haben der Bundestag und der Bundesrat Ende Dezember 2022 die Gesetzesentwürfe für die sog. Strom- und Gaspreisbremse verabschiedet. Ziel der Preisbremsen ist es, die Wirtschaft sowie die Verbraucher durch die stark gestiegenen Energiekosten zu entlasten sowie bei Betreibern von Energieanlagen Überschusserlöse abzuschöpfen. Dr. Christian Ertel gibt nach einem Monat der Strom- und Gaspreisbremse einen Überblick über seine Erfahrungen in der Beratungspraxis von Energieversorgungs- und Industrieunternehmen und deren Herausforderungen bei der Anwendung der Gesetze.
Im einem Folgebeitrag werden die Kollegen von TaylorWessing einen vertieften Einblick aus Sicht der Anlagenbetreiber, insb. in Bezug auf die Überschusserlösabschöpfung, geben.
Antwort: Die Energiepreisbremsen bestehen aus zwei Gesetzen; dem Strompreisbremsegesetz („StromPBG“) und dem Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz („EWPBG“). Beide Gesetze sind von einer hohen Komplexität geprägt, welche den normalen Rechtsanwender insbesondere in Detailthemen vor große Herausforderungen stellt. Dementsprechend haben wir zu beiden Gesetzen bereits vor sowie nach der Verabschiedung zahlreiche Fragen von unterschiedlichen Marktteilnehmern, die von den Gesetzen betroffen sind (insb. Anlagenbetreiber, Energieversorgungsunternehmen (EVU) und Industrieunternehmen), erhalten. Hierbei zeigt sich immer wieder, dass die Geschwindigkeit, mit der die Gesetze gemacht, beraten und beschlossen wurden, in verschiedenen Bereichen zu handwerklichen Fehlern geführt hat, welche letztlich die sichere Rechtsanwendung erschweren. Insoweit gibt es auch einen Monat nach in Kraft treten der Energiepreisbremse zahlreiche nicht geklärte Fragen.
Antwort: Für EVUs stellen sich neben den administrativen Herausforderungen unterschiedlichste Fragestellungen, welche im engen Zusammenhang mit dem jeweiligen Geschäftsmodell stehen. Nach unseren Erfahrungen sind z.B. folgende Themen von Relevanz:
Besonders brisant werden die Themen oftmals aufgrund der hohen Bußgelder, die bei verschiedenen Verstößen in einer Höhe von bis zu acht Prozent des weltweiten Konzernumsatzes drohen. Wir empfehlen daher – auch zur Absicherung der Geschäftsführerhaftung – mit offenen Problemstellungen nicht leichtfertig umzugehen, sondern diese im Zweifel In-house oder extern prüfen zu lassen. Zusätzlich sollten EVUs einen detaillierten Zeitplan erstellen, der alle wesentlichen Fristen beinhaltet und Prozesse zur Sicherstellung dieser Fristen initiieren.
Antwort: Das BKartA fungiert im Rahmen der Strom- und Gaspreisbremse insbesondere für die Einhaltung der Bonus- sowie Grundpreis- und Arbeitspreisregelungen als Aufsichtsbehörde. Hierbei hat das BKartA in einer Pressemitteilung vom 20. Dezember 2022 ausdrücklich klargestellt, dass das BKartA keine allgemeine Preisaufsichtsbehörde ist, sondern eine Missbrauchsaufsicht wahrnimmt. Hierzu heißt es in der Pressemitteilung:
„Viele Bürgerinnen und Bürger haben dem Amt in den vergangenen Wochen ihre Benachrichtigungen über Preiserhöhungen für Gas, Strom und Fernwärme mit der Bitte um Prüfung geschickt. Das Bundeskartellamt ist aber entgegen der Berichterstattung in einigen Medien nicht die zuständige Stelle für Widersprüche von Verbraucherinnen und Verbrauchern gegen eine Preiserhöhung. Ebenso ist der zum Teil geäußerte Eindruck falsch, dass die Preiserhöhung eines Versorgers zunächst vom Bundeskartellamt genehmigt werden müsste. Eine solche Praxis ist auch nach den neuen Regelungen zur Gas-, Strom- und Wärmepreisbremse nicht vorgesehen. Das Bundeskartellamt führt auch in Zukunft keine allgemeine Preisaufsicht und keine generellen Preisgenehmigungen im Strom-, Gas- und Fernwärmebereich durch.“
Ein Missbrauch setzt eine erhebliche Ausnutzung der Entlastungsregelung voraus. Dies hat das BKartA mit jüngster Meldung vom 12. Januar 2023 nochmals bestätigt und betont, dass die Behörde bei der Feststellung von Missbräuchen ein Aufgreifermessen zusteht und die Behörde somit nicht auf Antrag hin tätig wird.
Antwort: Grundsätzlich wird der Entlastungsbetrag unter dem Vorbehalt der Rückforderung gewährt. Sollte sich herausstellen, dass der Letztverbraucher nicht anspruchsberechtigt ist oder der Letztverbraucher nach der Endabrechnung eine zu hohe Entlastung erhalten hat, kann der Entlastungsbetrag zurückgefordert werden. Zudem sehen die Energiepreisbremsen einige Einschränkungen vor. So besteht beispielsweise kein Anspruch auf Entlastung, wenn EU-Sanktionen gegen das Unternehmen oder den mit ihm verbundenen Personen, Organisationen oder Einrichtungen verhängt sind oder wenn die Energieentnahme an der jeweiligen Entnahmestelle der Erzeugung, Umwandlung oder Verteilung von Energie dient. Letzteres gilt jedoch nur, wenn das Unternehmen insgesamt eine höhere Entlastung als zwei Millionen Euro erhält, wobei u.E. nach wie vor unklar ist, welche Tatbestände insbesondere unter Umwandlung von Energie fallen. Hier zeigen sich Schwächen in der Gesetzesbegründung, welche den EU-Krisenrahmen an dieser Stelle offensichtlich falsch wiedergibt. Besonderheiten gelten auch beim Lieferantenwechsel, sodass das neue EVU erst Entlastungsbeträge gewähren darf, wenn der Kunde dem EVU die Abrechnung des alten EVU vorgelegt hat oder anderweitig sichergestellt ist, dass das Entlastungskontingent nicht überschritten wird.
Antwort: Aus Sicht von Unternehmen ist die Inanspruchnahme der Strom- und Gaspreisbremse zunächst leider mit einem sehr hohen administrativen Aufwand verbunden, welcher zum Teil vergleichbar mit der Inanspruchnahme der sog. Besonderen Ausgleichsregelung ist. Für Unternehmen gibt es demnach eine Reihe von Melde- und Informationspflichten sowie ab einem gewissen Entlastungsbetrag das Erfordernis zur Erbringung konkreter Nachweise über ein Wirtschaftsprüfertestat. Für diese Pflichten sieht das Gesetz oftmals starre Fristen vor, dessen Nichteinhaltung zum vollständigen Verlust der in Anspruch genommenen Entlastungen führen kann. Es ist daher auch hier dringend zu empfehlen, einen detaillierten Zeitplan zu erstellen und einen Prozess zur Sicherstellung dieser Fristen zu initiieren. Zusätzlich ist zu beachten, dass für die Energiepreisbremsen in Verbindung mit dem EU-Krisenrahmen unterschiedliche Höchstgrenzen für die Entlastung gelten (Beachte: Sonderregelungen für Schienenbahnen):
Des Weiteren ist der Erhalt von Entlastungen von mehr als zwei Millionen Euro an eine Arbeitsplatzerhaltungspflicht gekoppelt. Zudem enthalten die Energiepreisbremsen ein eingeschränktes Boni- und Dividendenverbot. Dies greift ab einer tatsächlichen Inanspruchnahme einer Entlastungssumme in Höhe von 25 Millionen Euro. Dann dürfen variable Vergütungsbestandteile und Erhöhungen des Festgehalts an Organe bis zum Ablauf des 31. Dezember 2023 nur ausbezahlt werden, wenn diese vor dem 1. Dezember 2022 vereinbart und beschlossen wurden. Bei Inanspruchnahme einer Entlastungssumme über 50 Millionen Euro ist generell die Auszahlung variabler Vergütungsbestandteile und Erhöhungen des Festgehalts an Organe sowie die Ausschüttung von Dividenden vorrübergehend ausgeschlossen.
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