31. Juli 2024
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Für Arbeitgeber ein unangenehmes, aber keineswegs seltenes Szenario: Ein Mitarbeiter meldet sich ständig krank. Die gesunden Kollegen sind unzufrieden, da sie Mehrarbeit leisten müssen. Der Unternehmenserfolg leidet, weil sich Projekte verzögern, Fristen nicht eingehalten werden können und Kunden vertröstet werden müssen. Ein erfolgsversprechender Ausweg liegt aufgrund ihrer hohen Wirksamkeitsvoraussetzungen oftmals nicht in einer krankheitsbedingten Kündigung. Welche effektiven niedrigschwelligeren Maßnahmen Arbeitgebern jedoch zur Verringerung der Fehlzeiten zur Verfügung stehen, zeigt dieser Newsletter:
„Nur sprechenden Menschen kann geholfen werden“: Ein wirksames Instrument zur Senkung der Fehlzeiten ist das Fehlzeitengespräch. Es ermöglicht dem Arbeitgeber, im Rahmen der zulässigen Fragerechte die Ursachen der Fehlzeiten zu ergründen und gemeinsam mit dem Mitarbeiter Strategien zur Reduzierung der Fehlzeiten zu entwickeln. Was ist bei der Durchführung eines Fehlzeitengesprächs also besonders zu beachten? Auf Arbeitgeberseite sollte der Vorgesetzte des Mitarbeiters das Gespräch führen. Ob weitere Personen hinzugezogen werden, ist unter Berücksichtigung der Vertraulichkeit des Gesprächs zu entscheiden. Aus Beweisgründen ist es zudem sinnvoll, den Gesprächsinhalt in einem kurzen Vermerk zu protokollieren, der bestenfalls von allen Anwesenden unterschrieben wird. Um einvernehmliche Lösungen zu fördern, sind Arbeitgeber außerdem gut beraten, das Gespräch in einer verständnisvollen und konstruktiven Atmosphäre zu führen.
Grundsätzlich sind Arbeitnehmer erst am vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit verpflichtet, eine AU vorzulegen bzw. die Arbeitsunfähigkeit ärztlich feststellen zu lassen. Es kann jedoch ratsam sein, eine AU bzw. ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit auf Grundlage von § 5 Abs. 1 S. 3 ggf. i.V.m. § 5 Abs. 1a S. 2 EFZG bereits ab dem ersten Tag der Erkrankung zu verlangen. Der Gedanke dahinter: Arbeitnehmer werden sich seltener krankmelden, wenn dies bereits ab dem ersten Tag mit einem aufwendigen Arztbesuch verbunden ist. Fehlt eine entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung, können Arbeitgeber die Anordnung im Wege des Direktionsrechts vornehmen. Die Anordnung bedarf keiner Begründung.
Das sicherlich wirksamste Mittel, um eine Reduzierung des Krankenstandes zu erreichen, ist die Einstellung der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber. Hierzu ist der Arbeitgeber insbesondere dann berechtigt, wenn der Arbeitnehmer die AU nicht oder nicht rechtzeitig, d.h. im Falle einer Anordnung entsprechend dem zweiten Praxistipp (s.o.) nicht am ersten Krankheitstag, vorlegt, § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG.
Weitergehende Druckmittel bestehen im Hinblick auf Sondervergütungen. Nach § 4a EFZG kann der Arbeitgeber für jeden Krankheitstag eine Kürzung der Sondervergütungen um 1/4 des jahresdurchschnittlichen arbeitstäglichen Entgelts vorsehen. Ein Beispiel: Im Arbeitsvertrag wird dem Arbeitnehmer ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsgehalts zugesagt. Außerdem enthält der Arbeitsvertrag eine dem § 4a EFZG entsprechende Regelung zur Kürzung von Sondervergütungen. Ist der Arbeitnehmer nun in dem betreffenden Jahr vier Monate krankheitsbedingt abwesend, hat er keinen Anspruch mehr auf Weihnachtsgeld.
Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer über den gesetzlichen Mindesturlaub hinaus einen Mehrurlaub vereinbart, kann auch dieser wegen krankheitsbedingter Fehltage anteilig gekürzt werden. Eine entsprechende Regelung sollte bereits im Arbeitsvertrag getroffen werden. Bei der Ausgestaltung sind im Falle der Verwendung von AGB die Anforderungen der §§ 307-309 BGB zu berücksichtigen; insbesondere muss die Klausel klar und verständlich sein (Transparenzgebot). Zudem ist unbedingt zu beachten, dass der gesetzliche Mindesturlaub nicht durch Vereinbarung verkürzt werden kann.
Vertiefungshinweis: Über weitere Maßnahmen speziell für den Fall, dass begründete Zweifel an der AU bestehen, haben wir bereits in zwei früheren Newslettern berichtet, zum einen im Hinblick auf Reaktionsmöglichkeiten gegenüber dem Arbeitnehmer und dem Arzt, zum anderen bezüglich Nachforschungsmaßnahmen.
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24. April 2025
11. April 2025
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21. March 2025
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11. February 2025
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Ein Überblick über den aktuellen Referentenentwurf des Beschäftigtendatenschutzgesetzes (BeschDG)
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8. October 2024
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Ein Jahr nach dem wegweisenden BAG-Urteil
7. March 2024
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8. November 2023
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4. September 2023
20. November 2023
17. August 2023
26. July 2023
12. July 2023
Das Bundesarbeitsgericht hat sich erneut mit dem sehr praxisrelevanten Thema des Annahmeverzugs befasst. Das Urteil fiel zugunsten des Arbeitnehmers aus.
30. May 2023
von Laura Hannig
Die gängigen Fragestellungen zur Gewährung der Inflationsausgleichsprämie beantwortet.
19. May 2023
Am 31. Januar 2023 ist das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung in Kraft getreten.
5. May 2023
Der Gesetzesentwurf des BMAS zur Arbeitszeiterfassung ist veröffentlicht. Wir beantworten erste Fragen.
25. April 2023
von mehreren Autoren
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18. April 2023
von Alessa Böttcher
Beim Unterschreiben ist Vorsicht geboten: Nicht jedes „Gekritzel“ ist eine Unterschrift im Sinne des Gesetzes. Werden hier Fehler gemacht, droht die Unwirksamkeit der Kündigung.
6. April 2023
Arbeitgeber sollten frühzeitig Maßnahmen ergriffen, wenn es durch die Nutzung von ChatGPT zu arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen kommt.
22. March 2023
von Christina Poth, LL.M. (Edinburgh), Dr. Benedikt Kohn, CIPP/E
Kein Verstoß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG, solange ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung vorliegt.
9. March 2023
Eine Frau hat Anspruch auf dasselbe Entgelt wie ihr männlicher Kollege – auch wenn dieser sein Gehalt geschickter verhandelt hat.
3. March 2023
von Annika Rahn
Die arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Rücksichtnahme endet für den Arbeitnehmer nach höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht per se mit dem Ende der Arbeitszeit.
26. January 2023
Das Annahmeverzugslohnrisiko für Arbeitgeber sinkt damit deutlich. Dies stärkt insbesondere die Verhandlungsposition der Arbeitgeberseite im Rahmen von Vergleichsgesprächen.
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Der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers unterliegt nicht der Verjährung, wenn der Arbeitgeber seinen Hinweis- und Aufforderungsobliegenheiten nicht nachkommen ist.
22. December 2022