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Vanessa Talayman

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28. Juni 2023

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BAG: Lohngleichheit (auch) für „Minijobber“

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Mit Urteil vom 18. Januar 2023 (5 AZR 108/22) beschäftigte sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) erneut mit der Lohngleichheit zwischen Arbeitnehmern. Geringfügig Beschäftigte („Minijobber“) dürfen nach Ansicht des BAG für die identische Tätigkeit keine geringere Stundenvergütung erhalten, als gleich qualifizierte Vollzeitbeschäftigte.

Worum ging es?

Der Kläger ist bei der Beklagten als sog. nebenamtlicher Rettungsassistent geringfügig beschäftigt. Sein Stundenlohn beträgt 12 € brutto. Zudem beschäftigt die Beklagte auch sog. hauptamtliche Rettungsassistenten in Vollzeit zu einem Stundenlohn von 17 € brutto.
Die Beklagte teilt die nebenamtlichen Rettungsassistenten – anders als die hauptamtlichen Rettungsassistenten - nicht einseitig zu Diensten ein, sondern versendet Pläne mit freien Dienstschichten und kurzfristige Einsatzanfragen, sollte es zu einem Ausfall von Mitarbeitern kommen. Auf diese können sich die nebenamtlichen Rettungsassistenten melden oder auch Wunschtermine für Einsätze benennen.
Der Arbeitsvertrag des Klägers sieht eine durchschnittliche Arbeitszeit von 16 Stunden im Monat vor.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Zahlung der Differenzvergütung für die Zeit von Januar 2020 bis April 2021. Er vertrat die Auffassung, die unterschiedliche Stundenvergütung von neben- zu hauptamtlichen Rettungsassistenten würde gegen das Benachteiligungsverbot des § 4 Abs. 1 TzBfG verstoßen. Die Beklagte trat dem Vorbringen mit dem Einwand entgegen, dass bereits keine Ungleichbehandlung vorliege, da haupt- und nebenamtliche Rettungsassistenten nicht vergleichbar seien. Zudem würden sachliche Gründe eine Differenzierung der Stundenvergütung rechtfertigen. Schließlich habe sie mit den hauptamtlichen Rettungsassistenten, die an eine Einteilung durch die Beklagte gebunden sind, eine größere Planungssicherheit und einen geringeren Planungsaufwand.

BAG verbietet unterschiedlich hohe Stundenlöhne

Das Gericht hat in der vertraglichen Vereinbarung über eine geringere Stundenvergütung eine mittelbare Benachteiligung des teilzeitbeschäftigten Klägers im Sinne des TzBfG gesehen. Eine solche sei anzunehmen, wenn eine Regelung gleichermaßen für Voll- wie Teilzeitbeschäftigte gilt, sich aber so auswirkt, dass erheblich mehr Teil- als Vollzeitbeschäftigte von ihr betroffen sind. Die geringere Stundenvergütung der nebenamtlichen Rettungsassistenten, die nicht in Dienstpläne eingeteilt werden, erfüllt nach Ansicht des BAG dieses Kriterium.

Die Ungleichbehandlung zwischen teil- und vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern ist nach Auffassung des Gerichtes auch nicht, anders als die Beklagte behauptet hat, sachlich gerechtfertigt. Das BAG wies darauf hin, dass kein sachlicher Zusammenhang zwischen der erhöhten Planungssicherheit und der besseren Bezahlung zu erkennen ist. Auch hat das Gericht in Bestätigung seiner Rechtsprechung herausgestellt, dass die besondere steuer- und sozialversicherungsrechtliche Behandlung von Minijobbern nicht als sachlicher Grund für eine geringere Bezahlung angeführt werden kann. Diese verfolgt öffentlich-rechtliche und teilweise auch arbeitsmarktpolitische Zwecke – rechtfertigt jedoch keineswegs unterschiedliche Arbeitsentlohnung.

Wie ist das Urteil einzuordnen? Praxishinweis

Das Urteil des BAG weitet die Anforderungen an die Rechtfertigung von Lohnungleichheit zwischen Arbeitnehmern aus. Hierbei reiht es sich in eine Kette mehrerer aktueller BAG-Entscheidungen ein, die sich mit einer Diskriminierung bei der Entgeltzahlung befassen. Das Thema (Entgelt-)Diskriminierung ist also weiterhin aktuell und durchaus bedeutend.

Arbeitgebern bleibt es trotz des Urteils unbenommen, „Stammbeschäftigte“ und Minijobber unterschiedlich zu vergüten. Die Arbeitgeber sollten hierbei allerdings beachten, dass auch Minijobber als Teilzeitbeschäftigte im Sinne TzBfG gelten, sodass sie denselben Schutz vor Diskriminierungen genießen wie Teilzeitbeschäftigte mit einer höheren Wochenarbeitszeit. Daraus folgt, dass eine unterschiedliche Bezahlung stets sachlich begründet werden muss. Als sachliche Gründe für die Vergütungsdifferenz können beispielsweise eine unterschiedliche Arbeitsleistung, Qualifikation, Berufserfahrung oder unterschiedliche Anforderungen am Arbeitsplatz angeführt werden.
Arbeitgeber sind daher gehalten, bei vergleichbaren Tätigkeiten Unterschiede in der Vergütung kritisch zu prüfen und etwaige sachliche Gründe zu dokumentieren, um diese in einem etwaigen späteren Prozess substanziiert darlegen zu können.

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