Betriebsratsmitglieder, die vollständig von der Arbeit freigestellt sind, nehmen ihre Interessenvertretungstätigkeit im Betrieb hauptamtlich wahr – ihre eigentliche berufliche Tätigkeit ruht während der Amtszeit. Für die Tätigkeit als Mitglied des Betriebsrats hat das Betriebsratsmitglied keinen eigenständigen Vergütungsanspruch. Vielmehr besteht der Vergütungsanspruch für die bisher ausgeübte berufliche Tätigkeit fort und dem Arbeitgeber wird lediglich der Einwand des nicht erfüllten Vertrags genommen. Das Arbeitsentgelt ist nach dem Lohnausfallprinzip fortzuzahlen.
Die Berechnung der geschuldeten Vergütung nach dem Lohnausfallprinzip erfordert eine hypothetische Betrachtung, welches Arbeitsentgelt das Betriebsratsmitglied ohne die Arbeitsbefreiung verdient hätte. Das wirft regelmäßig die Frage auf, inwieweit Vergütung und Zusatzleistungen zusteht, die mit der früheren Tätigkeit verbunden waren. In vielen Unternehmen gibt es beispielsweise zusätzliche Leistungen für bestimmte Beschäftigtengruppen. Für Außendienstmitarbeiter sind dies häufig Essenszuschüsse, Firmenhandys oder auch Getränkemarken. Was passiert, wenn ein Außendienstmitarbeiter vollständig von der Arbeit freigestellt wird, um Betriebsratsaufgaben zu übernehmen? Endet dann auch der Anspruch auf diese Extras? Hierzu hat das BAG in einer Entscheidung jüngst Stellung genommen (BAG, Urt. v. 27.11.2024 – 7 AZR 291/23).
Sachverhalt
Der Kläger war zunächst als Verkaufsberater im Außendienst bei einem Getränkehersteller tätig. Im Unternehmen erhielten alle Mitarbeiter während der Arbeitszeit kostenlose Getränke am Standort (Vorortverzehr). Da Außendienstmitarbeitende diese Möglichkeit nicht nutzen konnten, wurden ihnen pro Quartal 90 Getränkemarken zur Einlösung im Einzelhandel gewährt. Seit 2018 war der Kläger vollständig von der Arbeitspflicht freigestellt, um seine Aufgaben als Betriebsratsmitglied wahrzunehmen. Nach seiner Freistellung erhielt der Kläger die zusätzlichen Getränkemarken nicht mehr, da der Arbeitgeber argumentierte, er könne nun die Getränke am Standort konsumieren. Der Arbeitgeber sah darin keine Benachteiligung, sondern eine sachlich begründete Anpassung.
Entscheidung des BAG
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage anschließend – soweit in der Revision noch von Interesse – hingegen stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrte die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Das BAG entschied zugunsten des Klägers und stellte fest, dass die zusätzlichen Getränkemarken als Teil des Arbeitsentgelts anzusehen seien. Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sei freigestellten Betriebsratsmitgliedern das Arbeitsentgelt fortzuzahlen, das sie erhalten hätten, wenn sie ihre reguläre Tätigkeit fortgeführt hätten – dazu gehören auch geldwerte Vorteile. Zum Arbeitsentgelt i.S.d. § 37 Abs. 2 BetrVG zählen neben der Grundvergütung alle Zuschläge und Zulagen, die das Betriebsratsmitglied ohne Arbeitsbefreiung verdient hätte. Nicht erfasst seien lediglich Aufwandsentschädigungen, die solche Aufwendungen abgelten sollen, die dem Betriebsratsmitglied infolge seiner Befreiung von der Arbeitspflicht nicht entstehen. Ist der Arbeitnehmer typischerweise weder rechtlich verpflichtet noch faktisch darauf angewiesen, entsprechende Mehraufwendungen zu tätigen, sondern kann er frei entscheiden, die Leistung zur Verbesserung seines Lebensstandards zu verwenden, so fehlt es regelmäßig an dem für den Aufwendungsersatz erforderlichen engen sachlichen Zusammenhang mit wirklichen Mehraufwendungen. Bei solchen Zuwendungen handele sich daher um ein zusätzliches Arbeitsentgelt. Es komme nicht auf den Zweck der Extraleistung, sondern auf die rechtliche und faktische Ausgestaltung der Extraleistung an. Bei der Gewährung der Getränkemarken handele es sich nicht um Mehraufwendungen, die ersetzt wurden, da sie pauschal und unabhängig vom tatsächlichen Aufwand oder Konsum gewährt wurden. Es habe laut dem BAG insbesondere keinen Zusammenhang zwischen den 90 Getränkemarken pro Quartal und einem entsprechenden Bedarf an Getränken gegeben.
Das Gericht betonte dabei noch einmal, dass es nicht entscheidend sei, ob das freigestellte Betriebsratsmitglied Zugang zu den Getränken am Standort habe, sondern ob die Sachleistung zuvor Bestandteil des Arbeitsentgelts war.
Praxishinweise
Die Entscheidung fügt sich in die bisherige Rechtsprechung des BAG ein. Arbeitgeber sollten freiwillige Leistungen im Unternehmen daher transparent strukturieren und zwischen echtem Aufwandsersatz und mitarbeiterbezogenen Vorteilen (Arbeitsentgelt) differenzieren. Bei pauschalen Sachleistungen empfiehlt sich eine schriftliche Dokumentation, ob und warum es sich nicht um Arbeitsentgelt handeln soll. Mit Bezug auf die Getränkemarken hätte den Außendienstmitarbeitern beispielsweise für jeden Tag einer Außendiensttätigkeit eine entsprechende Anzahl von Getränkemarken gewährt werden können, die sich an einem durchschnittlichen Getränkeverbrauch orientiert. Zusammen mit weiteren Indizien, die für eine Aufwandsentschädigung sprechen, hätte so sichergestellt werden können, dass es sich nicht um Arbeitsentgelt handelt.