11. Juni 2025
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Am 19. März 2025 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil 10 AZR 67/24 eine wegweisende Entscheidung zum Verfall von virtuellen Aktienoptionen im Rahmen von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen getroffen. In unserem ersten Newsletter-Beitrag haben wir bereits die Kernaussagen der Entscheidung auf Basis der damals verfügbaren Pressemitteilung dargestellt. Nun, da die vollständigen Urteilsgründe veröffentlicht sind, möchten wir diesen Beitrag ergänzen und Ihnen vertiefte Einblicke geben.
Wie bereits ausgeführt, geht es um die Frage, ob „gevestete“ virtuelle Optionen nach Eigenkündigung des Arbeitnehmers und Beendigung des Arbeitsverhältnisses sofort verfallen dürfen. Das BAG hat diese Klauseln für unwirksam erklärt und dabei zentrale arbeitsrechtliche Grundsätze zum Schutz des Arbeitnehmers betont.
Wie bereits berichtet, ging es um einen Arbeitnehmer, der vom 1. April 2018 bis 31. August 2020 beschäftigt war und im Rahmen eines Employee Stock Option Programs (ESOP) 23 virtuelle Optionen erhielt. Die Ausübung war an eine vierjährige Vesting-Periode gekoppelt. Laut Programm sollten bereits „gevestete“ Optionen bei Eigenkündigung sofort verfallen, zudem sah eine weitere Klausel ein „De-Vesting“ vor – in der Form eines doppelt so schnellen Verfalls nach Ende des Arbeitsverhältnisses.
Das BAG hatte im ersten Überblick die Verfallklauseln als unwirksam erklärt, da sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen.
Das BAG legt wichtige juristische und praktische Details offen, die in der Pressemitteilung nur angedeutet waren:
Die nun veröffentlichten Entscheidungsgründe zeigen, dass Unternehmen ihre Mitarbeiterbeteiligungsprogramme dringend überprüfen und Verfallklauseln anpassen müssen, um unangemessene Benachteiligungen zu vermeiden. Dabei ist eine pauschale und sofortige Verfallregelung nach Eigenkündigung, die mit einer mindestens „umgekehrten“ Vesting-Regelung verbunden ist, ist rechtlich nicht haltbar.
Unternehmen sollten individuelle Abwicklungsvereinbarungen mit ausscheidenden Mitarbeitern treffen und insbesondere das Risiko einer unrechtmäßigen Mehrfachausgabe (z.B. bei vermeintlich verfallenen Optionen) vermeiden. In diesem Zusammenhang ist es von entscheidender Bedeutung, darauf zu achten, dass das zwischen den Gesellschaftern vereinbarte Poolvolumen nicht überschritten wird. Andernfalls könnten unerwünschte Konsequenzen die Folge sein. Da virtuelle Aktien und Optionen lediglich einen schuldrechtlichen Charakter haben, spielt das Vorhandensein eines Poolvolumens im Verhältnis zum Begünstigten keine Rolle. Dennoch besteht die Möglichkeit, dass eine erneute Zuteilung der verfallen geglaubten Optionen zu rechtlichen Problemen führen könnte.
Die Frage, ob auch „Bad Leaver“-Klauseln (z.B. bei verhaltensbedingter oder außerordentlicher Kündigung) grundsätzlich unwirksam sind, ist noch offen. Zwar bleibt hier noch die künftige Rechtsprechung abzuwarten, jedoch ist hervorzuheben, dass die Bad-Leaver-Klausel im konkreten Fall für unwirksam erklärt wurde, weil mehrere Unwirksamkeitsgründe (sofortiger Verfall bei Eigenkündigung und kein angemessener gradueller Verfall) kumulativ zusammengespielt haben und die Klauseln nicht entsprechend sprachlich getrennt waren. Ob und inwieweit Bad-Leaver-Klauseln in anderen Szenarien ebenfalls unwirksam sein können, lässt sich hier nur schwer prognostizieren.
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19. März 2025 markiert eine klare Zäsur in der arbeitsrechtlichen Behandlung virtueller Aktienoptionen. Unternehmen sind nun mehr denn je gefordert, ihre Mitarbeiterbeteiligungsprogramme sorgfältig zu überprüfen und an die aktuellen rechtlichen Anforderungen anzupassen. Die jüngsten Entwicklungen im Bereich der (virtuellen) Aktienoptionen eröffnen zugleich die Chance, bestehende Regelungen zu überarbeiten und zukunftssicher zu gestalten. Wer jetzt vorausschauend handelt, minimiert nicht nur rechtliche Risiken, sondern stärkt auch das Vertrauen und die Motivation seiner Mitarbeitenden. Denn ein transparentes und rechtssicheres Beteiligungsmodell bildet die Basis für nachhaltigen Erfolg.
Jakob Schäfer
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