Das Bundesarbeitsgericht („BAG“) hat in seiner Entscheidung vom 23. April 2024 (5 AZR 212/23) erstmals festgestellt, dass nicht nur Wege- und Umkleidezeiten, sondern auch Körperreinigungszeiten zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit zählen können. Zeiten für das Duschen und die körpereigene Reinigung nach dem Tätigkeitsende sind vom Arbeitgeber zu vergüten, wenn diese als fremdnützig und „Arbeit“ anzusehen sind. Dabei kommt es allerdings auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an.
Sachverhalt
Der Kläger war als Containermechaniker bei der Beklagten beschäftigt. Seine Tätigkeit umfasste das Abschleifen rostiger und schadhafter Stellen sowie die Vornahme von Neulackierungen. Hierzu wurde ihm von der Beklagten vor Ort Schutzkleidung inklusive Handschuhe zur Verfügung gestellt, die nach Arbeitsende bei der Beklagten wieder ausgezogen werden mussten. Vergütet wurde lediglich die Zeit der Tätigkeit an den Containern, nicht aber die Zeit zum An- und Ablegen der Schutzkleidung und des Duschens sowie der Arbeitsweg vom Umkleideraum zur Arbeitsstätte und zurück. Der Kläger begehrte sodann gerichtlich die Vergütung der Umkleide-, Wege- und auch Körperreinigungszeiten.
BAG: Körperreinigung kann vergütungspflichtige Arbeitszeit sein
Das BAG stellte in seiner Entscheidung erstmals fest, dass dem Kläger neben Umkleide- und Wegezeiten auch ein vergütungspflichtiger Anspruch auf die Körperreinigungszeiten zustehen kann, wenn das Duschen mit der eigentlichen Tätigkeit und der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt und daher ausschließlich fremdnützig ist. Das Gericht orientierte sich hierbei an der Rechtsprechung zu Umkleidezeiten (vgl. BAG 11. Oktober 2018 – 5 AZR 245/17). Ein vergütungspflichtiger unmittelbarer Zusammenhang ist grundsätzlich dann anzunehmen, wenn die Körperreinigung ausdrücklich durch den Arbeitgeber angeordnet wurde oder zwingende arbeitsschutzrechtliche Hygienevorschriften eine solche verlangen. Auch wenn der Arbeitnehmer sich „sehr verschmutzt“ und ein Verlassen des Arbeitsplatzes in diesem Zustand unzumutbar wäre, ist die Körperreinigungszeit zu entlohnen.
Bei der Beurteilung ist eine objektive Einzelfallbetrachtung vorzunehmen. Das subjektive Empfinden des Arbeitnehmers ist nicht maßgeblich. Daher löst nicht jede Verschmutzung im Zusammenhang mit Verrichtung der Arbeitstätigkeit eine Vergütungspflicht aus. Die Säuberung von üblichen Verunreinigungen, Schweiß- oder Körpergeruchsbildungen dient nämlich nicht nur dem Interesse des Arbeitgebers, sondern auch dem eigenen.
Ob im konkreten Fall die Körperreinigung ausschließlich fremdnützig war und welche Dauer hierfür erforderlich war, konnte das BAG nicht selbst entscheiden und musste an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen. Von der vorgenommenen Schätzung des Kammervorsitzenden im „Selbstversuch“ hielt das BAG nichts.
Wie ist das Urteil einzuordnen? Praxishinweis
Dieses Urteil bestätigt die Rechtsprechungslinie, dass die vergütungspflichtige Arbeitszeit über die Verrichtung der konkreten Tätigkeit hinausgehen kann. Dass Duschen auch zur Arbeitszeit gehört, dürfte aber der Ausnahmefall bleiben. Im Regelfall ist dies Privatangelegenheit, selbst wenn der Arbeitgeber freiwillig Duschen am Arbeitsort aufstellt. Anders ist dies insbesondere im Zusammenhang mit sehr stark schmutzenden Tätigkeiten, Arbeiten mit stark geruchsbelästigenden Stoffen sowie Arbeit unter besonderen klimatischen Bedingungen.
Arbeitgeber sollten daher im Rahmen der Aufzeichnung und Vergütung der Arbeitszeiten stets die konkreten Umstände der Arbeitsverrichtung im Blick haben und prüfen, ob auch Wege-, Umkleide- und Körperreinigungszeiten hinzuzuzählen sind. Sollte es sich tatsächlich um eine solche Tätigkeit handeln, bei der Duschen vergütungspflichtig ist, kann für solche Zeiträume individual- oder kollektivrechtlich ein anderer Stundenlohn als für die „eigentliche“ Tätigkeit vereinbart werden.