In den vergangenen Monaten und Jahren standen Gerichte immer wieder vor der Herausforderung, sich mit verspäteten oder gänzlich fehlenden Zielvereinbarungen sowie dem Übergang von Zielvereinbarungen zu einseitigen Zielbestimmungen auseinanderzusetzen (z.B. BAG, Urt. v. 3. Juli 2024, 10 AZR 171/23).
Nun konnte das Bundesarbeitsgericht (Urt. v. 19. Februar 2025, 10 AZR 57/24) auch eine bislang ungeklärte Frage beantworten: Was gilt, wenn der Arbeitgeber einseitig eine Zielvorgabe festlegen muss und dies nur verspätet oder gar nicht tut?
Der Sachverhalt
Der Arbeitsvertrag des Klägers sah eine variable Vergütung vor, die sich aus Unternehmens- und individuellen Zielen zusammensetzt. Laut Betriebsvereinbarung musste die Zielvorgabe jährlich bis zum 1. März festgelegt werden. Doch während der Kläger die Unternehmensziele erst Mitte Oktober erhielt, blieb eine Vorgabe individueller Ziele gänzlich aus.
Die Entscheidung
Das Arbeitsgericht urteilte zunächst, dass es ausreiche, wenn die Unternehmensziele innerhalb des laufenden Geschäftsjahres übermittelt würden, da die Zielperiode noch nicht abgelaufen sei. Das Landesarbeitsgericht hingegen bewertete die Situation anders und sprach dem Kläger einen Schadensersatzanspruch zu.
Es stellte klar, dass eine unterlassene Zielvorgabe ebenso zu behandeln sei wie eine unterlassene Zielvereinbarung. Zudem sei eine verspätete Zielvorgabe einer vollständig unterlassenen gleichzusetzen – schließlich könne sie ihre Anreizfunktion dann nicht mehr erfüllen.
Das Bundesarbeitsgericht bestätigte diese Einschätzung und entschied zugunsten des Klägers. Darüber hinaus stellte es fest, dass ihn kein Mitverschulden trifft. Bei einer Zielvorgabe trifft die Initiativlast allein den Arbeitgeber – eine Mitwirkungspflicht des Arbeitnehmers besteht nicht.
Praxistipp
Arbeitgeber sollten sicherstellen, dass Zielvorgaben spätestens im ersten Quartal des Geschäftsjahres festgelegt und kommuniziert werden. Dabei reicht es nicht aus, dass die Unternehmensleitung Ziele definiert – ebenso entscheidend ist, dass die einzelnen Mitarbeitenden diese auch klar vermittelt bekommen.
Gerade bei individuellen Zielvorgaben spielen Teamleads und Personalverantwortliche eine zentrale Rolle. Sie müssen gezielt darauf vorbereitet werden, Zielvorgaben nicht nur zu planen, sondern auch transparent zu übermitteln. Zielvorgaben sollen motivieren, dürfen jedoch nicht unrealistisch sein. Nur gut geschulte Führungskräfte, die sich intensiv mit ihren Teammitgliedern auseinandersetzen, können diesen Balanceakt meistern.
Daher ist es essenziell, Führungskräfte in der Zielformulierung und -bewertung zu schulen, um konsistente, faire und realistische Zielsetzungen sicherzustellen.