22. März 2023
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In wenigen Minuten mit einem Klick Abmahnungen, Kündigungen oder Arbeitszeugnisse erstellen?
Was auf den ersten Blick wie eine immense Arbeitserleichterung für den Arbeitgeber und vor allem die Arbeitnehmer der Personalabteilungen wirkt, kann jedoch eine Reihe von – insbesondere daten- und urheberschutzrechtlichen – Risiken auslösen. Arbeitgeber sollten daher in Alarmbereitschaft sein und unbedingt darauf achten, dass Arbeitnehmer das Programm – solange jedenfalls noch keine umfangreiche rechtliche Grundlage geschaffen wurde – nicht nutzen. Arbeitgeberseitig sollten demnach bereits frühzeitig Maßnahmen ergriffen und auch Konsequenzen gezogen werden, wenn es durch die (unbefugte) Nutzung von ChatGPT zu arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen, etwa in Form von datenschutzrechtlichen Verstößen, kommt.
Die Abkürzung ChatGPT steht für den sogenannten „Chat Generative Pretrained Transformer“, einer sprachbasierten und gleichzeitig sprachwiedergebenden Künstlichen Intelligenz (KI). Es handelt sich dabei um einen selbstoptimierenden Chatbot, der künftig auch Inhalt des Office-Paketes von Microsoft sein soll. Die von ChatGPT generierten Daten stammen dabei aus den verschiedensten Quellen – vor allem aber ist das Programm auf Angaben des Nutzers angewiesen, welches es zur Selbstoptimierung nutzt.
So könnte es bei der Verwendung dieser Technologien vorkommen, dass personenbezogene Daten durch den Benutzer des Programms eingegeben und anschließend durch das Programm verarbeitet werden. Diese personenbezogenen Daten könnten, abhängig von den jeweiligen Nutzungsbedingungen des Programms, anschließend zur Weiterentwicklung des KI-Sprachmodells genutzt werden. Dies kann zur Folge haben, dass die eingegebenen personenbezogenen Daten gegebenenfalls von anderen Nutzern gesehen werden können und Arbeitnehmer dadurch einen entsprechenden Datenschutzverstoß begehen.
Darüber hinaus kann die Verwendung KI-basierter Textgeneratoren auch urheberrechtlich problematisch sein. In diesem Bereich ist derzeit zwar noch vieles ungeklärt. Klar ist jedoch, dass KI-basierte Textgeneratoren mittels einer großen Menge von Texten trainiert werden, welche aus verschiedenen – teils unbekannten – Quellen stammen. Auch wenn diese Texte öffentlich verfügbar sind, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie urheberrechtlich geschützt sind. Wenn ein Nutzer einen KI-basierten Textgenerator verwendet, der urheberrechtlich geschütztes Material (beispielsweise Texte oder Bilder) enthält, kann die Veröffentlichung des KI-Ergebnisses eine Urheberrechtsverletzung darstellen. Da Texte typischerweise nicht unverändert wiedergegeben werden und somit ihre Quellen nicht genannt werden können, ist es faktisch schwierig festzustellen, ob oder ob gerade keine Urheberrechtsverletzung vorliegt.
Arbeitgebern ist aufgrund der aufgezeigten und derzeit bestehenden rechtlichen Risiken dazu zu raten, ihren Arbeitnehmern im Rahmen des Weisungsrechts nach § 106 GewO die Nutzung des ChatGPT im beruflichen Kontext zu untersagen. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass der Zugang einer solchen Weisung gegenüber dem Arbeitnehmer dokumentiert wird. Sollten Arbeitnehmer dennoch gegen die arbeitsvertragliche Weisung verstoßen, rechtfertigt dies mindestens die Abmahnung durch den Arbeitgeber.
Bei Vorliegen einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Arbeitnehmers dürfte im Extremfall sogar der Ausspruch einer Kündigung gerechtfertigt sein. Eine schwerwiegende Pflichtverletzung könnte dabei beispielsweise darin liegen, dass der Arbeitnehmer Geschäftsgeheimnisse oder vertrauliche Mitarbeiterdaten bei ChatGPT eingibt und diese an die Öffentlichkeit gelangen.
Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bei einer durch den Arbeitgeber ausgesprochene Untersagung der ChatGPT-Nutzung bestehen in der Regel keine, da die Weisung dem Bereich des mitbestimmungsfreien Arbeitsverhaltens des Arbeitnehmers und damit auch der unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers unterfällt.
Im Übrigen dürfte dem Arbeitgeber auch ein Auskunftsanspruch gegenüber dem Arbeitnehmer zustehen, ob dieser möglicherweise ChatGPT im beruflichen Kontext nutzt. Ein solcher dürfte sich aufgrund der persönlichen Umstände und Bindungen des Arbeitsverhältnisses aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergeben, da der Arbeitgeber ein berechtigtes und schutzwürdiges Interesse an einer Mitteilung bezüglich der Nutzung hat.
Der Hype um ChatGPT ist derzeit ungebrochen und es ist sicherlich berechtigt zu behaupten, dass die Arbeitswelt künftig nachhaltig davon profitieren wird – allen voran Personalabteilungen.
Allerdings sollten sich Arbeitgeber derzeit den etwaigen daten- und urheberschutzrechtlichen Risiken bewusst sein, die mit einer Nutzung des ChatGPT einhergehen. Insbesondere, da die geltenden gesetzlichen Regelungen (noch) nicht in der Lage sind die Risiken des ChatGPT abzubilden. Die EU arbeitet insofern aktuell an einer KI-Verordnung sowie einer KI-Haftungsrichtlinie und es bleibt zu hoffen, dass eine praktikable Umsetzung in das nationale Recht zeitnah erfolgt. Zukünftig scheint es daher nicht ausgeschlossen zu sein, dass Arbeitgeber ChatGPT zur Erleichterung von Arbeitsabläufen in ihr Unternehmen integrieren. Sollte es soweit sein ist Arbeitgebern jedoch zu raten, sich vor und während der Einführung des ChatGPT rechtlich beraten zu lassen.
Autoren: Christina Poth und Benedikt Kohn, mit Unterstützung von Hannah Krüßmann
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