24. Juni 2024
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Dieser Text ist zunächst auf humanresourcesmanager.de erschienen
Welche Konsequenzen drohen, wenn der Arbeitnehmer nicht ausreichend über den Zweck der Datenerhebung und -speicherung im Anhörungsverfahren informiert wird?
Der Beschäftigtendatenschutz gewinnt durch die fortschreitende Digitalisierung zunehmend an Bedeutung. Arbeitgeber sind in einer Vielzahl von Bereichen mit Datenschutzvorschriften konfrontiert und sind überwiegend für deren Einhaltung und Beachtung verantwortlich. Auch im Rahmen von internen Untersuchungen – zum Beispiel Anhörungsverfahren zur Sachverhaltsermittlung und Vorbereitung einer außerordentlichen Kündigung oder Verdachtskündigung – kann die Verletzung von Datenschutzvorschriften den Erfolg der internen Untersuchung gefährden.
Vor dem Ausspruch einer Verdachtskündigung ist der Arbeitnehmer grundsätzlich anzuhören. Die Anhörung ist Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung und sollte daher in jedem Fall sorgfältig vorbereitet werden. Vor Ausspruch einer außerordentlich fristlosen Tatkündigung ist die Durchführung eines Anhörungsverfahrens nicht zwingend, aber üblich. Im Kündigungsschutzprozess hat der Arbeitgeber die ordnungsgemäße Durchführung des Anhörungsverfahrens nachzuweisen. Es empfiehlt sich daher, das Anhörungsverfahren schriftlich durchzuführen und den Arbeitnehmer mit dem dringenden Tatverdacht hinsichtlich eines Fehlverhaltens seinerseits mithilfe eines Anhörungsschreibens zu konfrontieren. Meist sind diese Anhörungsschreiben jedoch zu wenig konkret und erläutern dem Arbeitnehmer den Verdacht eines Fehlverhaltens nicht hinreichend. Dies gilt meist auch für einen etwaigen Hinweis auf die Datenverarbeitung, die der betroffene Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber aufgrund der Anhörung teilt.
Im Anhörungsverfahren werden personenbezogene Daten des Arbeitnehmers erhoben. Auch wenn der Arbeitgeber grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an der Erhebung und Speicherung dieser personenbezogenen Daten nach Artikel 6 Absatz 1 c und f Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) haben dürfte, entbindet dies den Arbeitgeber nicht von seiner Hinweis- und Unterrichtungspflicht gemäß Artikel 13 und 14 DSGVO. Dass der Arbeitgeber Hinweis- und Unterrichtungspflichten hinsichtlich der Datenerhebung und -speicherung der Daten aus dem Anhörungsverfahren unterliegt, ergibt sich bereits aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2015 (6 AZR 845/13 noch zu Paragraf 32 und Paragraf 4 Abs. 3 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)). Wird der Arbeitnehmer also im Rahmen eines Anhörungsverfahrens dazu aufgefordert, sich zum Verdacht eines Fehlverhaltens zu äußern, ohne über den konkreten Zweck der Datenerhebung und -speicherung informiert worden zu sein, stellt dies einen Verstoß gegen Artikel 13 und 14 DSGVO dar.
Die Folgen einer Erhebung und Speicherung personenbezogener Daten durch den Arbeitgeber sind in der jüngeren Rechtsprechung immer wieder ein Thema. Diskutiert werden insbesondere Sachvortrags- und Beweisverwertungsverbote im Kündigungsschutzverfahren (so beispielsweise Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 27.01.2023 – 12 Sa 56/21; Bundesarbeitsgericht, Urteil von 29.06.2023 – 2 AZR 296/22). Das Landesarbeitsgericht Sachsen nahm in seiner Entscheidung vom 06.07.2023 (4 Sa 73/23) bereits ein Beweisverwertungsverbot von Daten, die ohne Erfüllung der Hinweispflicht des Arbeitgebers gemäß Artikel 13 und 14 DSGVO erhoben wurden, an. Auch im Rahmen eines Verfahrens zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) kann ein fehlerhafter oder unterbliebener Hinweis bzw. Unterrichtung über den Zweck der Erhebung und Speicherung der (möglicherweise gemäß Artikel 9 DSGVO gesundheitsbezogenen) Daten des Arbeitnehmers zu einer fehlerhaften Durchführung des BEM-Verfahrens führen. Dies hat erhebliche Beweisschwierigkeiten für den Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess zur Folge.
Vor diesem Hintergrund besteht daher ein erhebliches Risiko, dass die im Rahmen der Durchführung des Anhörungsverfahrens erhobenen personenbezogenen Daten, die ohne einen entsprechenden Hinweis auf den Zweck der Datenerhebung und -speicherung erhoben wurden, nicht verwertbar sind und das Anhörungsverfahren insgesamt nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Da das Anhörungsverfahren Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Verdachtskündigung ist, spricht viel dafür, dass dadurch die Wirksamkeit der Verdachtskündigung gefährdet wird.
Die Folgen hinsichtlich der Verwertbarkeit von durch Datenschutzverstöße erlangten Daten können daher jedenfalls nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung im Kündigungsschutzprozess an Brisanz gewinnen und zu erheblichem Argumentationsaufwand führen. Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, vor oder jedenfalls mit Durchführung eines Anhörungsverfahrens vor Ausspruch einer Verdachtskündigung (oder außerordentlich fristlosen Tatkündigung) einen entsprechenden Hinweis gemäß Artikel 13 und 14 DSGVO zu erteilen. Arbeitgeber sollten daher entsprechende Hinweis- und Unterrichtungsschreiben „parat haben“ und das Anhörungsverfahren entsprechend vorbereiten.
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