3. Mai 2024
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Mit dem am 13. März 2024 beschlossenen und veröffentlichten Entwurf des Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes (BEG IV) brachte die Bundesregierung ein Gesetz auf den Weg, dessen Ziel vor allem die Entlastung der Wirtschaft vor überflüssiger Bürokratie ist. Im arbeitsrechtlichen Kontext soll die beabsichtigte Entlastung in erster Linie durch die Absenkung von Formerfordernissen erzielt werden. Welche Erleichterungen aus arbeitsrechtlicher Sicht geplant sind und was dies für den Alltag von HR-Abteilungen bedeutet, soll im Nachfolgenden zusammenfassend dargestellt werden.
(Unbefristete) Arbeitsverträge bedürfen zu ihrer Wirksamkeit zwar auch nach derzeitiger Rechtslage nicht der Schriftform, sondern können ohne Einhaltung einer Form rechtsgültig geschlossen werden. Dennoch hat der Gesetzgeber durch das im August 2022 in Kraft getretene neue Nachweisgesetz Unternehmen aus der Zeit gefallene, bußgeldbedrohte Bürden auferlegt. Arbeitgeber wurden verpflichtet, die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich festzuhalten. Die elektronische Form wurde ausdrücklich ausgeschlossen. Dies führte in der Praxis dazu, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bereits am ersten Arbeitstag ein ausgedruckter und handschriftlich unterzeichneter Arbeitsvertrag ausgehändigt werden musste.
Dies soll sich künftig ändern. Bereits der Regierungsentwurf des BEG IV sieht als Erleichterung vor, dass für den Nachweis über die wesentlichen Vertragsbedingungen, die Übermittlung eines in elektronischer Form geschlossenen Arbeitsvertrags in ausdruckbarem Format ausreichend ist (§ 2 Abs. 5 S. 2 und 3 NachweisG-E). Nun möchte die Bundesregierung im Zuge des parlamentarischen Verfahrens noch einen Schritt weitergehen. So hat sie laut einem Schreiben von Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann vom 21. März 2024 im Nachgang zum Regierungsentwurf einen „Durchbruch beim Nachweisgesetz“ erzielt und will die Schriftform durch die Textform ersetzen. Hierfür sprach sich nun auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 26. April 2024 aus. Die Textform soll zulässig sein, sofern das Dokument für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zugänglich ist, gespeichert und ausgedruckt werden kann und der Arbeitgeber einen Übermittlungs- oder Empfangsnachweis erhält.
Dies bedeutet, dass zumindest unbefristete Arbeitsverträge in Zukunft vollständig digital und ohne qualifizierte elektronische Signatur geschlossen werden könnten, beispielsweise per E-Mail. Insbesondere für kleine, aber auch internationale Unternehmen würde dies eine erhebliche Erleichterung und Verschlankung interner HR-Prozesse bedeuten. Allerdings soll es Arbeitnehmerinnern und Arbeitnehmern wohl auch weiterhin unbenommen bleiben, vom Arbeitgeber einen schriftlichen Nachweis verlangen zu können. Überdies soll für Arbeitgeber, die in einem im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz genannten Wirtschaftsbereich tätig sind (z.B. im Bau-, Gaststätten-, Beherbergungs- oder Gebäudereinigungsgewerbe), das Schriftformerfordernis generell erhalten bleiben.
Arbeitszeugnisse sollen nach dem BEG IV-E nicht mehr eigenhändig durch den Arbeitgeber bzw. einen Vorgesetzten unterschrieben werden müssen. Ausreichend soll in Zukunft die elektronische Form und damit eine qualifizierte elektronische Signatur sein (§ 630 Satz 3 BGB-E/§ 109 GewO-E). Allerdings soll der Arbeitgeber das Zeugnis einschränkend nur dann in elektronischer Form erteilen dürfen, wenn die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer sich damit einverstanden erklärt. Arbeitgeber sollten daher in Zukunft vor Zeugnisausfertigung die ausdrückliche Einwilligung der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers einholen, etwa durch eine entsprechende Regelung in einer Abwicklungsvereinbarung oder einem Vergleich. Zudem soll auch zukünftig auf die Schriftform zurückgegriffen werden müssen, wenn die qualifizierte elektronische Signatur wegen der daraus ersichtlichen Zeitangabe unzulässige Rückschlüsse zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ermöglichen würde und eine Rückdatierung rechtlich erforderlich ist, etwa im Fall von Zeugnisberichtigungen.
Auch im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz soll das strenge Schriftformerfordernis nach dem BEG IV entfallen. Sowohl die Geltendmachung des Anspruchs auf Elternzeit und der Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit durch die Arbeitnehmerin und den Arbeitnehmer, als auch die Ablehnung dessen durch den Arbeitgeber, könnten daher künftig in Textform und damit vor allem per E-Mail erfolgen.
Mit Blick auf Überlassungsverträge zwischen Ver- und Entleiher (§ 12 Abs. 1 S. 1 AÜG) hat Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann in seinem Schreiben vom 21. März 2024 bekanntgegeben, dass auch hier das Schriftformerfordernis durch die Textform abgelöst werden soll. Ver- und Entleiher könnten Überlassungsverträge damit künftig per E-Mail abschließen, was insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen eine Reduzierung von Bürokratieaufwand und Kosten bedeuten würde. Die konkrete Formulierung der Regelung bleibt abzuwarten.
Es ist zu befürworten, dass der Gesetzgeber nun die vor allem im Zuge der Reform des Nachweisgesetzes nicht genutzte Chance ergreift und die Digitalisierung von HR-Prozessen fördert, um Unternehmen zu entlasten und den Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt zu stärken. Insbesondere die Absenkung der strengen Formerfordernisse, insbesondere bei (unbefristeten) Arbeitsverträgen, bedeutet für die HR-Praxis einen wichtigen Schritt nach vorne. Gleichwohl besteht weitergehender Handlungsbedarf. Der Gesetzesentwurf sieht an vielen Stellen Einschränkungen und Ausnahmen der Erleichterungen vor und lässt Bereiche völlig außer Acht. Zu denken ist vor allem an das weiterhin bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen (Kündigungen und Aufhebungsverträge) wie auch der Befristung von Arbeitsverträgen geltende Schriftformerfordernis. Auch mit Blick auf das Betriebsverfassungsgesetz ist in Sachen Digitalisierung noch viel zu tun. Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann hat mit Schreiben vom 21. März 2024 klargestellt, dass sich die Bundesregierung vorbehält, weitere Entlastungsmaßnahmen im parlamentarischen Verfahren einzubringen. Abzuwarten bleibt daher, ob zumindest an der ein oder anderen Stelle noch weitergehende Erleichterungen Eingang in das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz finden. Dies wäre aus HR-Sicht wünschenswert.
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