11. September 2025
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Was vor einigen Jahren noch als unantastbares Institut galt, ist in jüngerer Zeit zunehmend Gegenstand arbeitsgerichtlicher Entscheidungen geworden. Aus Arbeitgebersicht ist festzustellen, dass der bislang angenommene Status der Unantastbarkeit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (im Folgenden „AUB“) in einer Reihe von Fällen ins Wanken geraten ist. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über einschlägige Entscheidungen, die betroffenen Konstellationen sowie Handlungsmöglichkeiten für Arbeitgeber.
I. AU-Daten werden seit dem 1. Januar 2023 elektronisch an die Krankenkassen übermittelt, die diese zum Abruf durch den Arbeitgeber bereitstellen. Mit dem Abruf erhält der Arbeitgeber Kenntnis von Beginn und Dauer der Arbeitsunfähigkeit, nicht jedoch von Diagnose oder deren Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit. Der Arbeitnehmer hat mit der AUB jedoch erst einmal alles für ihn Erforderliche getan.
Gelingt es dem Arbeitgeber, die Beweiskraft der AUB zu erschüttern, kehrt die Darlegungs- und Beweislast in den Zustand vor Vorlage der AUB zurück. Der Arbeitnehmer muss dann substantiiert darlegen und ggf. beweisen, welche Erkrankung vorlag, welche gesundheitlichen Einschränkungen bestanden und welche ärztlichen Verordnungen er erhalten hat. In der Regel wird er hierzu den behandelnden Arzt von der Schweigepflicht entbinden und dessen Zeugenaussage in den Rechtsstreit einbringen müssen.
II. Etwas anders sind die Abläufe, wenn der Arbeitnehmer innerhalb kurzer Zeit mehrfach arbeitsunfähig erkrankt und dadurch die 6-wöchige Entgeltfortzahlung überschreitet. Denn nach § 3 Abs. 1 S. 2 EFZG bleibt der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nur erhalten, wenn
Da der Arbeitgeber wie bereits gesagt regelmäßig die Krankheitsursache(n) nicht kennt, hat nach der Rechtsprechung des BAG zunächst der Arbeitnehmer darzulegen, dass keine Fortsetzungserkrankung vorliegt, wenn er innerhalb der Zeiträume des § 3 Abs. 1 S. 2 EFZG länger als 6 Wochen arbeitsunfähig erkrankt. Der Arbeitnehmer muss also zumindest laienhaft bezogen auf den Entgeltfortzahlungszeitraum schildern, welche konkreten gesundheitlichen Beeinträchtigungen mit welchen Auswirkungen auf seine Arbeitsfähigkeit bestanden haben – er muss demnach trotz AUB konkrete Krankheitsbilder beschreiben und folglich Diagnosen offenlegen. Der pauschale Verweis auf unterschiedliche Diagnoseschlüssel der AUBs (sog. ICD-Codes) genügt hierfür regelmäßig nicht. Ebenso entfalten Mitteilungen oder Hinweise der Krankenkassen keine Bindungswirkung für Arbeitgeber.
Erst wenn der Arbeitnehmer diesen Vortrag geleistet hat, ist es Aufgabe des Arbeitgebers, die Darstellung zu erschüttern und darzulegen, dass es sich tatsächlich um eine Fortsetzungserkrankung bzw. dasselbe Grundleiden handelt. In der Praxis kommt es dann auch in diesen Fällen regelmäßig auf die Angaben und Einschätzungen des behandelnden Arztes an.
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