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Prof. Dr. Michael Johannes Pils

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7. März 2024

Equal Pay – Mehr als nur Compliance-Risiken

  • In-depth analysis

Die offizielle Statistik 2023 spricht eine eindeutige Sprache: Faktisch verdienen Frauen deutlich weniger als Männer. Der unbereinigte Gender Pay Gap liegt 2023 bei 18% niedrigerem Gehalt von Frauen. Selbst wann man berufs- oder branchenbezogene Umstände herausrechnet, liegt der bereinigte Gender Pay Gap – je nach Schätzung – immer noch bei sechs Prozent niedrigerem Verdienst von Frauen. Langfristig geht zwar die Verdienstungleichheit zurück. Fakt ist aber, dass nicht nur der Sozialversicherung täglich mehrere Millionen Euro an Beiträgen aufgrund ungleicher Bezahlung verloren gehen.

Gleicher Lohn für gleich(wertige) Arbeit

Dass bei gleicher und gleichwertiger Arbeit gleiches Entgelt unabhängig vom Geschlecht gezahlt werden muss, ist eine europarechtliche Selbstverständlichkeit und Grundvoraussetzung des Binnenmarktkonzepts. In diesem Grundsatz sehr deutlich hat das Bundesarbeitsgericht vor rund einem Jahr am 16. Februar 2023 das Entgeltgleichheitsprinzip betont und mit dem weit verbreiteten Vorurteil aufgeräumt, dass höherer Verdienst von Männern auf deren besseres Verhandlungsgeschick zurückzuführen ist.

Rund ein Jahr später gerät das Thema mehr und mehr in den Mittelpunkt und wird Unternehmen nach der Umsetzung der Transparenzrichtlinie immer stärker beschäftigen. Wir bewerten nachfolgend typische Fallkonstellationen, bei welchen wir Entgeltgerechtigkeit vergleichsweise stärker im Fokus sehen.

Betriebliche Vergütungssysteme

In Reaktion auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts wird oftmals die Einführung und Anpassung betrieblicher Vergütungssysteme empfohlen. Derartige Systeme können gerade bei Betriebsrats- oder Gewerkschaftsbeteiligung schnell komplexe Fragen aufweisen. Vorteilhaft ist, dass sie für Entgelte einzelfallunabhängige Bewertungen erlauben und damit das Risiko einer Diskriminierung verringern. Allerdings müssen die Bewertungskriterien objektiv und sachgenau gehalten sein. Bereits die Frage der Gleichwertigkeit ist dabei nicht immer leicht zu beantworten. Es bedarf einer Gesamtbewertung aller Umstände und Arbeitsbedingungen. Zudem können auf den ersten Blick objektive Kriterien für unterschiedliche Vergütung wie Dienstalter oder Berufserfahrung, körperliche Anforderungen an Geschicklichkeit oder Resilienz bei genauer Betrachtung unzulässig sein. Das Bundesarbeitsgericht hat z.B. für eine konkrete Vertriebstätigkeit festgehalten, dass die Berufsabschlussqualifikation per se nicht als Argument geeignet ist, Frauen anders zu vergüten.

Schließlich müssen die Vergütungsbestandteile getrennt untereinander jeweils verglichen werden. Bei variablen Vergütungsbestandteilen müsste auch gefragt werden, ob das System nicht von sich aus Geschlechterrollen begünstigt. Auch hier müssen die SMART-Ziele auf deren Diskriminierungsfreiheit bewertet werden.

Das Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte ist ebenfalls hoch komplex und kann die Einführung oder Anpassung von solchen Systemen verzögern, so nicht ein klares und überzeugendes Konzept in der Planungsphase erarbeitet wurde.

Compliance-Risiken

Der Gender-Pay-Gap kann für Unternehmen zu substantiellen Compliance-Risiken führen. Jedenfalls bei offensichtlichen Verstößen können steuer- und sozialrechtliche Beitragsrisiken bestehen. Diese müssen aufgrund der Sanktionierung aufgelöst und für die Zukunft abgestellt werden.

Nicht weniger kritisch, wenngleich eher einzelfallbezogen sind die Diskriminierungsrisiken. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels können Diskriminierungsfälle die Reputation des Unternehmens erheblich herabsetzen und damit die Chancen auf den Bewerbermarkt reduzieren. Vorsicht ist auch bei Bewerbungsgesprächen angebracht: Der Bewerbungsvorgang muss dokumentiert werden, damit man eventuell später erhobene Diskriminierungsvorwürfe entkräften kann. Entsprechendes Training und Ausbildung aller Beteiligter*n sind anzuraten, auch wenn natürlich oftmals HR oder die Personalabteilung bei dem Prozess hilft.

Entgelttransparenzrichtlinie

Entgeltgerechtigkeit wird wegen der im Juni 2023 verabschiedeten Entgelttransparenz-Richtlinie in Zukunft an Bedeutung zunehmen. Die Richtlinie gewährt sehr detaillierte Auskunftsrechte und zielt auf die vereinfachte Rechtsdurchsetzung ab. Hinzukommen umfassende Reporting-Pflichten: Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten müssen der zuständigen nationalen Behörde jährlich über das geschlechtsspezifische Lohngefälle in ihrer Organisation Bericht erstatten. Für kleinere Organisationen (zunächst solche mit mehr als 150 Beschäftigten) gilt die Berichtspflicht nur alle drei Jahre. Verstöße werden wahrscheinlich bußgeldbewehrt sein.

Bei aller rechtlicher Diskussion um Ansprüche rund um das Entgelt sollte nicht aus den Augen verloren werden: Diversität und Integration sind Erfolgsrezepte nachhaltiger Unternehmensführung. Der Equal-Pay-Day wird damit zu einem Element der gesellschaftsübergreifenden Diskussion, wie wir demokratische Grundwerte sichern. Diese Aufgabe fängt bei uns allen an.

Möchten auch Sie die Entgeltgerechtigkeit in Ihrem Unternehmen überprüfen und sicherstellen, dass die Vergütung fair und diskriminierungsfrei ist? Dann nehmen Sie sich fünf Minuten Zeit, um an unserem Fair Pay Check teilzunehmen.

Zum Fair Pay Check


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