12. Juli 2023
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„Mehr Bock auf Arbeit“ – das forderte jüngst der Hauptgeschäftsführer des BDA in Reaktion auf die scheinbar allgegenwärtige Forderung nach der Einführung einer 4-Tage-Woche. Eine nachvollziehbare Wortmeldung, denn Arbeitgeber sehen sich in Zeiten von Personalmangel und vollen Auftragsbüchern einer Arbeitnehmerschaft gegenüber, die zunehmend Wert auf eine verbesserte Work-Life-Balance legt. Die 4-Tage-Woche könnte eine Lösung hierfür sein: doch was müssen Arbeitgeber bei der Einführung der 4-Tage-Woche beachten und wie kann die 4-Tage-Woche ein Gewinn für beide Seiten werden? Erste Antworten soll der folgende Beitrag skizzieren.
Untersuchungen aus Island und Großbritannien legen nah, dass die 4-Tage-Woche mehr Win-Win ist, als dies auf den ersten Blick erscheinen mag. Denn die Studienlage zeigt: Mit der Einführung der 4-Tage-Woche wurde die Produktivität der Mitarbeitenden entweder gesteigert oder zumindest auf einem stabilen Niveau gehalten. 39% der Teilnehmenden fühlten sich weniger gestresst, 71% wiesen ein niedrigeres Burn-Out-Level auf. Die Mitarbeiterzufriedenheit stieg, die Anzahl der Krankheitstage sank. Angesichts dieser positiven Ergebnisse entschieden sich 92% der teilnehmenden Unternehmen, die 4-Tage-Woche dauerhaft beizubehalten.
Es ist also höchste Zeit, auch deutschen Unternehmen aufzuzeigen, wie diese eine 4-Tage-Woche rechtssicher einführen können.
Die grundlegende Frage ist, ob bei einer 4-Tage-Woche bei gleichbleibendem Lohn weniger gearbeitet oder dieselbe wöchentliche Arbeitszeit auf weniger Tag verteilt werden soll (sog. Verdichtung). Maßgeblich wird sein, ob der Arbeitgeber überhaupt bereit ist bei gleichbleibendem Lohn auf Arbeitszeit zu verzichten.
Jedenfalls bei der Verdichtung kommt das Arbeitszeitgesetz ins Spiel: Dieses sieht durch die maximale Arbeitszeit von 10 Stunden am Tag sowie die minimale Ruhezeit von 11 Stunden zwischen zwei Arbeitseinsätzen „harte“ Vorgaben vor, welche nur in engen Ausnahmen aufgeweicht werden können. Sollen z.B. 37 Stunden auf vier Tage verteilt werden (tägliche Arbeitszeit: 9,25 Stunden), erhöht sich das Risiko eines Arbeitszeitverstoßes. Denn schließlich wird der zeitliche Spielraum für Überstunden geringer, je näher die tägliche Arbeitszeit der gesetzlichen Höchstarbeitszeit kommt.
Jedenfalls solange das Arbeitszeitgesetz nicht – was überfällig ist – modernisiert ist, wird der Arbeitgeber dem Risiko eines Arbeitszeitverstoßes durch umsichtige operative Planung und ausreichende Flexibilisierung in der Vertragsgestaltung entgegenwirken müssen. Die Planung erfordert zunächst, dass der Arbeitgeber sein Flexibilisierungspotenzial analysiert:
Aus diesen operativen Erwägungen heraus sollte sich der Arbeitgeber einen rechtlichen Fahrplan überlegen, mit dem er seine operativen Interessen wahrt, ohne dass die 4-Tage-Woche für die Mitarbeitenden an Attraktivität einbüßt. Denkbar sind z.B. flexibilisierende Öffnungsregeln, die ein ausnahmsweises Arbeiten an einem fünften Tag unter Wahrung einer bestimmten Ankündigungsfrist ermöglichen. Auch sollte darauf geachtet werden, bestehende Flexibilisierungsregelungen (z.B. Gleitzeit oder Vertrauensarbeitszeit) mit der 4-Tage-Woche zu harmonisieren, um ungewollte Widersprüche und Unklarheiten zu vermeiden.
Hat der Arbeitgeber seine operativen Bedürfnisse analysiert, müssen diese mit der Arbeitnehmerseite verhandelt und sodann rechtssicher im Arbeitsverhältnis verankert werden.
Teilweise wird vorgeschlagen, die 4-Tage-Woche qua Direktionsrecht einzuführen, sofern der Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich eine 5-Tage-Woche vorsieht. Unser Rat ist, eine solche Veränderung nur mit dem Einverständnis und dem Wollen der Belegschaft umzusetzen. Eine Betriebsvereinbarung hätte überdies den Vorteil, dass sie auch im Vergleich zum Individualarbeitsvertrag im Einzelfall auch für die Mitarbeitenden ungünstigere Regelungen (Stichwort: Betriebsvereinbarungsoffenheit) einführen kann. Außerdem können Regelungen zur Flexibilisierung der 4-Tage-Woche oder Optionsmodelle einheitlich geschaffen werden, was ihre Akzeptanz erhöht. Schließlich kann hierin auch betriebseinheitlich geregelt werden, für welche Personengruppen eine 4-Tage-Woche gilt und für welche nicht.
In der Praxis hat es sich zudem gezeigt, dass Regelungen zur Arbeitszeit ganzheitlich gedacht werden sollten. Eine Trennung zwischen einem individualvertraglich und einem durch Betriebsvereinbarung festgelegten Teil des Arbeitszeitregimes erhöht das Risiko von Intransparenz und Unübersichtlichkeit und damit das Konfliktpotenzial. In der Praxis bewährt hat es sich außerdem – individual- oder kollektivvertraglich – eine 4-Tage-Woche zunächst testweise einzuführen und die Erkenntnisse aus der Testphase gemeinsam mit der Arbeitnehmerseite auszuwerten.
Will der Arbeitgeber im „War for Talents“ die Nase vorn haben, ist das Angebot einer 4-Tage-Woche ein interessanter Baustein. Deren Ausgestaltung sollte möglichst maßgeschneidert auf seine operativen Bedürfnisse sein. Hierfür sollte der Arbeitgeber das arbeitszeitrechtliche Konfliktpotenzial prüfen und dieses mit den Flexibilisierungsinteressen der Mitarbeitenden in Ausgleich bringen. Denn nur wenn die jeweiligen Bedürfnisse klug bedacht werden, kann die 4-Tage-Woche zum langfristigen Erfolg für alle Beteiligten werden. Wir unterstützen Sie hier gerne dabei.
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