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Sophie Burmeister

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15. Juni 2023

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BAG schafft Klarheit bei Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

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Wie lange sind Unternehmen dazu verpflichtet, das Gehalt weiter zu zahlen, wenn sich der Arbeitnehmer mehrfach hintereinander krankmeldet? Das Bundesarbeitsgericht hat die Rechtsprechung dazu weiter konkretisiert. Worauf Arbeitgeber achten sollten.

Ist ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, leisten Arbeitgeber in der Regel nach der Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit durch den Arbeitnehmer ohne Hinterfragen Entgeltfortzahlung. Arbeitgeber sind sich dabei oft nicht im Klaren darüber, ob dem Arbeitnehmer überhaupt ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung zusteht oder ob der Entgeltfortzahlungsanspruch ausgeschlossen ist. Trotz etwaiger Unsicherheit über das Bestehen eines Entgeltfortzahlungsanspruchs wird oftmals Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber geleistet, um eine eventuell drohenden Zahlungsklage des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung zu vermeiden. Im Rahmen einer derartigen Zahlungsklage eines Arbeitnehmers hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun erneut über den Umfang der Darlegungslast des Arbeitnehmers im Klageverfahren hinsichtlich des Vorliegens einer „neuen Erkrankung“ zu entscheiden. Von Bedeutung ist diese Entscheidung des BAG deshalb, da von dem Vorliegen einer „neuen Erkrankung“ abhängen kann, ob dem Arbeitnehmer noch einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung zusteht.

Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung

Wird ein Arbeitnehmer durch krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit an seiner Arbeitsleistung verhindert, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. Wird ein Arbeitnehmer infolge derselben Erkrankung erneut arbeitsunfähig, verliert er nach § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG wegen der erneuten Arbeitsunfähigkeit den Entgeltfortzahlungsanspruch für einen weiteren Zeitraum von höchstens sechs Wochen nur dann nicht, wenn er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Erkrankung arbeitsunfähig war (Nr. 1) oder seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Erkrankung eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist (Nr. 2). Die Frage nach derselben Erkrankung lässt sich aus Arbeitgebersicht allerdings nur schwer beantworten. Hintergrund ist, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht dazu verpflichtet ist, dem Arbeitgeber den genauen Grund der Arbeitsunfähigkeit mitzuteilen und Arbeitgeber daher meist nicht erkennen können, ob der Arbeitnehmer aufgrund derselben Erkrankung arbeitsunfähig erkrankt ist oder ob es sich um eine neue Erkrankung handelt. Doch wer muss auf welche Weise darlegen, ob eine Erkrankung „neu“ ist?

Die Entscheidung des BAG

Das BAG hat in seinem Urteil vom 18. Januar 2023 (5 AZR 93/22), deren Entscheidungsgründe vor kurzem veröffentlicht wurden, hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast im Rahmen eines gerichtlichen Klageverfahrens auf Leistung von Entgeltfortzahlung die bisherige Rechtsprechung bestätigt und weiter konkretisiert.

Ist der Arbeitnehmer innerhalb der Zeiträume des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 EFZG länger als sechs Wochen an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert, soll eine sogenannte abgestufte Darlegungslast im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens gelten. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer zunächst – soweit sich aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dazu keine Angaben entnehmen lassen – darlegen muss, dass er aufgrund einer neuen Erkrankung arbeitsunfähig erkrankt ist. Hierzu kann er eine ärztliche Bescheinigung vorlegen. Bestreitet der Arbeitgeber, dass eine neue Erkrankung vorliegt, muss der Arbeitnehmer schildern, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Beschwerden mit welchen Auswirkungen auf seine Arbeitsfähigkeit bestanden haben.

Wie müssen Arbeitnehmer dieser Darlegungslast nachkommen?

Zunächst hat das BAG erläutert, dass der Verweis des Arbeitnehmers auf den Diagnoseschlüssel der jeweiligen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht ausreicht, um das Vorliegen einer neuen Erkrankung zu belegen. Es reicht zudem nach Bestreiten des Vorliegens einer neuen Erkrankung durch den Arbeitgeber nicht mehr aus, erneut eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Auch die Einschätzung hinsichtlich des Vorliegens einer neuen Erkrankung, die Arbeitgeber von der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 69 Abs. 4 SGB X einholen können, ist für den Arbeitgeber grundsätzlich nicht verbindlich und kann daher nicht für eine Beurteilung des Vorliegens einer neuen Erkrankung herangezogen werden. Bei privat versicherten Arbeitnehmern ist eine derartige Einschätzung der Krankenversicherung zudem bereits grundsätzlich nicht möglich, da § 69 Abs. 4 SGB X keine Anwendung findet.

Vielmehr muss der Arbeitnehmer grundsätzlich alle Krankheiten innerhalb des einschlägigen Sechs- bzw. Zwölfmonatszeitraums (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 EFZG) erläutern und darf sich nicht etwa auf eine „Vorauswahl“ derjenigen Erkrankungen beschränken, die dem Arbeitnehmer als möglicherweise einschlägig erscheinen. Gegebenenfalls müssen Arbeitnehmer zur weiteren Aufklärung die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbinden.

Zu beachten ist zudem, dass der Arbeitnehmer lediglich zu den Erkrankungen Stellung nehmen muss, die der Arbeitnehmer während der Dauer des Arbeitsverhältnisses mit dem jeweiligen Arbeitgeber erlitten hat. Die Darlegung von Vorerkrankungen ihm Rahmen eines Arbeitsverhältnisses mit dem vorherigen Arbeitgeber kann von dem Arbeitnehmer nicht verlangt werden.

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