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9. April 2024

BAG: Anspruch auf übertarifliches Urlaubsgeld aus einer durch Betriebsvereinbarung abgelösten Gesamtzusage

  • Briefing

Das Bundesarbeitsgericht hat im Januar 2024 seine Rechtsprechung zur „Betriebsvereinbarungsoffenheit“ von Gesamtzusagen präzisiert (10 AZR 33/23).

Worum ging es?

Der Mitarbeiter war seit 1990 beim Arbeitgeber beschäftigt. Der Arbeitgeber war seit 1978 Mitglied im kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) und wendete bis zur Ablösung durch den TVöD im Jahr 2005 den Vorgängertarifvertrag BMT-G II und den diesen ergänzende Tarifverträge an, unter anderem den TV Urlaubsgeld. Der TV Urlaubsgeld sah die Zahlung eines jährlichen Urlaubsgeldes iHv ursprünglich DM 650,00 und zuletzt EUR 332,34 vor, anrechenbar auf die etwaige Zahlung eines Urlaubsgeldes aus anderen Anspruchsgrundlagen. Der TVöD sieht seit dem Auslaufen entsprechender Übergangsregelungen in 2007 keine Zahlung eines Urlaubsgeldes mehr vor.

Im Jahr 1992 richtete der Geschäftsführer des Arbeitgebers an alle Mitarbeiter ein Schreiben, in dem er die Pläne für eine Gewährung eines übertariflichen Urlaubsgeldes vorstellte. Diese beinhalteten eine gestaffelte Auszahlung eines Urlaubsgelds von bis zu einem Monatsgehalt, abhängig von der Betriebszugehörigkeit. Die Zahlung erfolge widerruflich und unter Anrechnung auf das tarifliche Urlaubsgeld. Weitere Einzelheiten würden nach Abstimmung mit dem Betriebsrat bekanntgegeben. Ab dem Jahr 1993 wurde dann ein Urlaubsgeld entsprechend der vorgestellten Regelung ausgezahlt, ohne dass es eine weitere Kommunikation von Seiten des Arbeitgebers gab. Zum Jahr 1999 schloss der Arbeitgeber dann mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung Urlaubsgeld ab, die weitgehend der bisher praktizierten Regelung entsprach. Mit Blick auf das Entfallen des tariflichen Urlaubsgeldes zum 1. Januar 2007 ergänzten Arbeitgeber und Betriebsrat die Betriebsvereinbarung in 2006 dahingehend, dass das Urlaubsgeld um den Betrag gekürzt werde, der bisher auf den Tarifvertrag entfiel.

Zum 30. Juni 2021 kündigte der Arbeitgeber die Betriebsvereinbarung und zahlte im Juli 2021 kein Urlausgeld mehr aus. Der Mitarbeiter klagte auf Zahlung eines Urlaubsgeldes für 2021.

Anspruch auf übertarifliches Urlaubsgeld erloschen

Der Mitarbeiter war der Ansicht, trotz Kündigung der Betriebsvereinbarung Urlaubsgeld bestehe sein Anspruch auf Zahlung eines jährlichen Urlaubsgeldes fort. Dieser erwachse nämlich aus einer Gesamtzusage oder einer betrieblichen Übung. Die Kündigung der Betriebsvereinbarung könne den Anspruch daher nicht entfallen lassen.

Dies sahen sowohl die Vorinstanzen als auch das Bundesarbeitsgericht anders. Eine betriebliche Übung (regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen ohne vertragliche Grundlage) scheide bereits aus, da der Arbeitgeber das übertarifliche Urlaubsgeld zunächst auf der Grundlage des Schreibens aus dem Jahre 1992 gezahlt habe. Für die Entstehung einer betrieblichen Übung bedürfe es jedoch Anhaltspunkte, dass der Arbeitgeber eine Leistung erbringen wolle, ohne hierzu bereits – aus anderen Gründen – verpflichtet zu sein. Solche Anhaltspunkte seien nicht erkennbar, da der Arbeitgeber mit der Auszahlung des Urlaubsgeldes ab 1993 lediglich das in dem Schreiben angekündigte Verhalten praktiziert habe.

Ein Anspruch auf Zahlung des übertariflichen Urlaubsgeldes für das Jahr 2021 ergebe sich auch nicht aus einer Gesamtzusage. Eine Gesamtzusage ist die an alle Mitarbeiter des Betriebs oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete ausdrückliche Willenserklärung des Arbeitgebers, bestimmte Leistungen erbringen zu wollen. Diese Erklärung führt zu einer verbindlichen Vereinbarung zwischen Mitarbeiter und Arbeitgeber, ohne dass es einer Erklärung des Mitarbeiters bedarf. Zwar sei in dem Schreiben aus dem Jahr 1992 eine Gesamtzusage zu sehen, diese Gesamtzusage sei jedoch durch die Betriebsvereinbarung Urlaubsgeld aus dem Jahr 1999 abgelöst worden. Die Gesamtzusage in Form des Schreibens aus 1992 sei nämlich „betriebsvereinbarungsoffen“ formuliert gewesen. Eine Regelung ist betriebsvereinbarungsoffen, wenn sie einen ausdrücklichen oder stillschweigenden Vorbehalt der Ablösung durch eine spätere Betriebsvereinbarung enthält. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ergebe sich sowohl aus dem Regelungsgegenstand, dem Widerrufsvorbehalt und der Formulierung des Schreibens im Übrigen, dass eine Betriebsvereinbarungsoffenheit gewollt war.

Zunächst handele es sich bei dem Thema Urlaubsgeld um eine das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats berührende Materie. Des Weiteren habe der Arbeitgeber in dem Schreiben mitgeteilt, dass noch eine Abstimmung mit dem Betriebsrat erfolge. Zuletzt habe er sich den jederzeitigen Widerruf vorbehalten. Damit sei für die Mitarbeiter klar erkennbar gewesen, dass die Leistung in Abstimmung mit dem Betriebsrat aus- und umgestaltet und zukünftig auch verschlechtert oder vollständig eingestellt werden könne. Mit dem Abschluss der Betriebsvereinbarung Urlaubsgeld habe der Arbeitgeber von der Betriebsvereinbarungsoffenheit Gebrauch gemacht und die Gesamtzusage final und wirksam abgelöst. Ab diesem Zeitpunkt ergebe sich ein Anspruch auf das übertarifliche Urlaubsgeld nur noch aus der Betriebsvereinbarung.

Die Betriebsvereinbarung verstoße auch nicht gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG. Danach dürfen Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nur dann durch Betriebsvereinbarung geregelt werden, wenn der Tarifvertrag dies ausdrücklich zulasse. Letzteres sei hier der Fall. Mit der Regelung des BMT-G II, wonach das tarifliche Urlaubsgeld auf die etwaige Zahlung eines Urlaubsgeldes aus anderen Anspruchsgrundlagen anrechenbar sei, hätten die Tarifvertragsparteien eindeutig erklärt, dass der Abschluss ergänzender Regelungen zulässig sei.

Mit der Kündigung der Betriebsvereinbarung seitens des Arbeitgebers endete die Betriebsvereinbarung Urlaubsgeld und damit auch der aus ihr erwachsene Zahlungsanspruch. Zwar wirken gekündigte Betriebsvereinbarungen üblicherweise nach, dies jedoch nur, soweit sie Gegenstände der zwingenden Mitbestimmung betreffen. Soweit sie Gegenstände der freiwilligen Mitbestimmung betreffend, enden sie mit Ablauf der Kündigungsfrist. In Bezug auf die Zahlung eines Urlaubsgeldes kann zwar die Ausgestaltung/Verteilung der zwingenden Mitbestimmung unterliegen, die Frage, ob überhaupt ein Urlaubsgeld bezahlt wird, ist jedoch mitbestimmungsfrei. Da der Arbeitgeber die Zahlung eines Urlaubsgeldes vollständig einstellte, endete die Betriebsvereinbarung mit ihrer Kündigung zum 30. Juni 2021 vollständig.

Praxistipp

Erteilt der Arbeitgeber eine vorbehaltlose Gesamtzusage, kommt er hiervon nur schwer wieder runter. Eine Einstellung der zugesagten Leistung ist dann nur noch per Änderungskündigung gegenüber jedem einzelnen Mitarbeiter möglich und bedarf entsprechend einer sozialen Rechtfertigung.

Es ist daher dringend zu empfehlen, solche Gesamtzusagen widerruflich und betriebsvereinbarungsoffen auszugestalten. Anderenfalls besteht das Risiko, dass die Gesamtzusage „bis in alle Ewigkeit“ fort gilt.

Möchte der Arbeitgeber Leistungen aus einer erteilten Gesamtzusage nicht mehr gewähren, sollte die Gesamtzusage auf ihre Betriebsvereinbarungsoffenheit hin überprüft und sodann ggf. durch Abschluss einer Betriebsvereinbarung abgelöst werden.

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