28. Februar 2024
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Im Grundsatz gilt: Der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers verfällt, sofern dieser den Erholungsurlaub trotz Aufforderung des Arbeitgebers tatsächlich nicht nimmt. Sofern es dem Arbeitnehmer nicht möglich ist, seinen Urlaub wahrzunehmen (beispielsweise aufgrund einer Langzeiterkrankung), soll er hierfür einen finanziellen Ausgleich in Form eines Abgeltungsanspruchs erhalten.
Der EuGH entschied nun in seinem Urteil vom 18. Januar 2024 (C 218/22), dass selbst die freiwillige Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Abgeltungsanspruch des nicht wahrgenommenen Erholungsurlaubes begründen soll. Das Gericht stützt sich teilweise auf gefestigte Rechtsprechungen in Bezug auf das Bestehen von Urlaubs- und Abgeltungsansprüchen und geht insofern darüber hinaus, als dass dem Arbeitnehmer trotz des Grundsatzes, dass der Erholungsurlaub tatsächlich genutzt werden sollte, auch dann eine Abgeltung des Urlaubsanspruches zustehen soll, wenn dieser das Arbeitsverhältnis freiwillig beendet und sich dadurch mehr oder weniger bewusst für die Abgeltung anstelle der tatsächlichen Inanspruchnahme des Urlaubes entscheidet.
Vor allem in den letzten Jahren beschäftigte sich die Rechtsprechung intensiv mit dem Verfall, der Verjährung und Abgeltung von Urlaubsansprüchen.
Der EuGH hat bereits im September 2022 (EuGH, Urt. v. 22.09.2022, C-518/20 und C-727/20) über zwei durchaus bedeutende Fälle in diesem Zusammenhang entschieden.
Auf Grundlage einer Vorlagefrage des BAG hat der EuGH entschieden, dass ohne eindeutigen Hinweis des Arbeitgebers auf das Bestehen eines Urlaubsanspruches, dieser weder verfallen noch verjähren könne. Außerdem wurde der Verfall von Urlaubsansprüchen bei Langzeiterkrankungen nach 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres als rechtmäßig erachtet. Diese Einschätzung dient vor allem dem Schutz des Arbeitgebers vor der maßlosen Anhäufung von Urlaubstagen durch den Arbeitnehmer.
Nun folgte ein weiteres Urteil des EuGHs, welches sich auf die Abgeltung des Urlaubsanspruchs bezieht. Das BAG hat die Antworten der vorgelegten Fragen des EuGHs in seiner nationalen Rechtsprechung anschließend umgesetzt.
Der italienische Verwaltungsleiter war von Februar 1992 bis Oktober 2016 bei der Gemeinde Copertino tätig und schied am 01. Oktober 2016 auf eigenen Wunsch aus, um in den vorzeitigen Ruhestand einzutreten. Zudem verlangte er die Abgeltung von 79 nicht in Anspruch genommenen bezahlten Jahresurlaubstagen, welche ihm die Gemeinde unter Berufung auf das italienische Recht verweigerte. Dies erklärt die Gemeinde vor allem mit der Eindämmung öffentlicher Ausgaben, den organisatorischen Erfordernissen an den öffentlichen Arbeitgeber und der Förderung verantwortungsbewusster Verhaltensweisen der Arbeitsvertragsparteien. Das von dem Arbeitnehmer angerufene Gericht hat die Frage anschließend dem EuGH vorgelegt, welcher über die Vereinbarkeit des italienischen Rechts mit dem Unionsrecht entscheiden musste und zu dem Entschluss gekommen ist, dass die nationale italienische Regelung nicht mit der unionsrechtlichen Regelung vereinbar ist. Der EuGH stützt seine Entscheidung vor allem auf die Wichtigkeit des Grundsatzes des bezahlten Jahresurlaubes und stellt klar, dass der wirksame Schutz der Sicherheit und Arbeitnehmergesundheit nicht rein wirtschaftlichen Überlegungen untergeordnet werden darf. Nur wenn der Arbeitnehmer seinen Erholungsurlaub aus freien Stücken nicht genommen, der Arbeitgeber ihn auf seinen Urlaubsanspruch hingewiesen und ihn aufgefordert hätte, diesen zu nehmen, wäre der Verlust des Abgeltungsanspruchs auch nach Unionsrecht gerechtfertigt.
Nach deutschem Recht hat der Arbeitnehmer einen Abgeltungsanspruch, sofern der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden konnte gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG. Auf die Art und Weise der Beendigung kommt es nicht an. Sowohl eine Kündigung, als auch ein Aufhebungsvertrag, der Tod des Arbeitsnehmers oder das Ende einer Befristung können somit bereits das Entstehen des Abgeltungsanspruchs begründen.
Es gilt jedoch zu beachten, dass der Anspruch auf Abgeltung nach dem Unionsrecht dann entfällt, wenn der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheit erfüllt hat und den Arbeitnehmer über seinen bestehenden Urlaubsanspruch informiert hat und ihn aufgefordert hat, diesen Urlaubsanspruch tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Nach deutschem Recht gibt es eine solche Ausnahme nicht, wodurch der Abgeltungsanspruch für den noch nicht verfallenen oder verjährten Urlaubsanspruch auch bei Hinweis durch den Arbeitgeber bestehen bleibt.
Das EuGH Urteil bezieht sich vor allem auf die Rechtsprechung von 2022 und bestätigt, dass auch die freiwillige Beendigung eines Arbeitsverhältnisses den Urlaubsanspruch nicht erlöschen lässt und dadurch zur Entstehung von Abgeltungsansprüchen führen kann. Während die nationalen italienischen Regelungen eindeutig gegen das Unionsrecht verstoßen und somit entweder angepasst oder unionsrechtkonform ausgelegt werden müssen, ergibt sich in Deutschland kein Handlungsbedarf.
Es bleibt jedoch dennoch für die Praxis ratsam, die Arbeitnehmer auch weiterhin auf ihren Urlaubsanspruch hinzuweisen und somit der vom EuGH eingeführten Mitwirkungsobliegenheit bei Urlaubsansprüchen gerecht zu werden. Selbst wenn die aktuelle deutsche Regelung auch unabhängig vom Bestehen eines entsprechenden Hinweises einen Abgeltungsanspruch bejaht, ist es nicht ausgeschlossen, dass das BAG der Linie des EuGH folgt und einen Anspruch nur im Fall eines fehlenden Hinweises durch den Arbeitgeber in Zukunft annehmen wird.
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