8. November 2023
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Befristete Arbeitsverträge mit einer Option zur Verlängerung sind im Profi-Fußball branchenüblich. Das auf eine jeweilige Spielzeit befristete Arbeitsverhältnis verlängert sich um eine weitere Saison, wenn der Profi-Spieler die vertraglich vereinbarten Ziele erreicht. Werden die Zielvorgaben aufgrund äußerer Umstände nicht erfüllt, streiten die Vertragsparteien oftmals über eine Anpassung der Verlängerungsklauseln. Das Bundesarbeitsgericht entschied nun, dass ein pandemiebedingter Saisonabbruch eine Anpassung einer einsatzgebunden Verlängerungsklausel nicht rechtfertigt (Urteil vom 25. 05. 2023;Az. 7 AZR 169/22). Die Entscheidung sollte den Akteuren im Profi-Sport Anlass zu einer Prüfung und Anpassung der allgemein komplexen Verlängerungsklauseln geben.
Der klagende Profi-Spieler und der beklagte Fußball-Verein vereinbarten einen auf die Saison 2019/2020 befristeten Arbeitsvertrag inklusive einer Verlängerungsklausel. Das befristete Arbeitsverhältnis sollte eine weitere Saison fortgelten, wenn der Kläger in 15 Meisterschaftsspielen mindestens jeweils 45 Minuten zum Einsatz kommt. Bis zum 20. Spieltag absolvierte er in zwölf Meisterschaftsspielen die erforderlichen Spielminuten. Ab dem 21. Spieltag setzte der inzwischen neu berufene Trainer den Kläger aus sportlichen Gründen nicht mehr ein. Am 23. Spieltag endete die ursprünglich auf 34 Spieltage angesetzte Saison vorzeitig aufgrund der zu diesem Zeitpunkt stark voranschreitenden COVID-19-Pandemie. Vor Gericht begehrte der Kläger die Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses um eine weitere Spielzeit. Nach seiner Auffassung müssen die Vorgaben der Verlängerungsklausel als erfüllt gelten, da der Trainer durch die Nichtberücksichtigung des Klägers bei den ausgestandenen Spielen den Eintritt der Verlängerungsoption treuwidrig verhindert habe. Zudem sei die Verlängerungsklausel aufgrund des vorzeitigen Saisonabbruchs anzupassen, so dass eine an die tatsächliche Dauer der Spielzeit angelehnte Quote von Mindesteinsätzen gelten müsse. Für eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses seien statt 15 Einsätze an 34 Spieltagen lediglich zehn Einsätze an 23 Spieltagen ausreichend gewesen.
Von der vorzeitigen Vertragsverlängerung bis zum „Last-Minute-Transfer“: Der Inhalt und Wechsel der „Arbeitspapiere“ von Profi-Spielern wird im „Tagesgeschäft“ des Profi-Fußballs mit großem Interesse verfolgt. Das Bundesarbeitsgericht hatte in der nun veröffentlichten Entscheidung erneut die rechtlichen Grundsätze der Beschäftigung von Spielern im deutschen Profi-Fußball zu erörtern.
In aller Regel bildet ein befristetes Arbeitsverhältnis die rechtliche Grundlage der Beschäftigung von Profi-Spielern. Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 16.01.2018 – 7 AZR 312/16) stellte fest, dass die Befristung der Arbeitsverhältnisse von Profi-Spielern aufgrund der Eigenart ihrer Tätigkeit (§ 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG) zulässig ist. Den Akteuren ist bewusst, dass die sportlichen Höchstleistungen im Profi-Fußball für eine begrenzte Zeit erbracht werden können. Zudem führt die Befristung zu Vakanzen in den Mannschaften, wodurch ein Wechsel von Profi-Spielern zu sportlich und/oder finanziell stärkeren Vereinen ermöglicht wird. Dagegen würden unbefristete Arbeitsverhältnisse mit einem jederzeitigen Kündigungsrecht den Statuten des internationalen Transfersystems, wonach Spielerwechsel in vorgegebenen Zeiträumen („Transferfenster“) erfolgen müssen, wiedersprechen.
Eine im Arbeitsvertrag bestimmte Verlängerungsklausel kann zu einer Verlängerung der befristeten Arbeitsverhältnisse führen. Dabei ist eine entsprechend rechtssichere Vereinbarung komplex. Eine einseitige Verlängerungsoption, die zumeist alleine dem Verein ein Recht zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses zuspricht, dürfte unwirksam sein (Arbeitsgericht Ulm, Urteil vom 14.11.2008, Az. 3 Ca 244/08). Sie beschränkt die Dispositionsfreiheit des Profi-Spielers, indem der Verein ohne Mitwirkungsmöglichkeit des Profi-Spielers über die Beschäftigungsdauer entscheidet (vgl. § 622 Abs. 6 BGB). Dagegen dürfte eine zweiseitige Verlängerungsoption, die beiden Vertragsparteien ein Recht zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses gewährt, zulässig sein. Die Wirksamkeit einer einsatzgebundenen Verlängerungsoption ist allgemein streitig. In der Literatur wird vereinzelt ihre Unwirksamkeit vertreten, da sie durch den Einfluss des Vereins auf die Einsatzzeiten des Profi-Spielers den Charakter einer einseitigen Verlängerungsoption aufweise. Die Rechtsprechung hat die Wirksamkeit einer einsatzgebundenen Verlängerungsklausel bisher offengelassen. Fest steht, dass die Unwirksamkeit einer einsatzgebundenen Verlängerungsoption lediglich zur Nichtigkeit der Optionsklausel und nicht zu einer Verlängerung des Vertrags führen könnte.
Im Ergebnis verneinen das Arbeitsgericht Offenbach (Urteil vom 09.12.2020, Az. 4 Ca 270/20), das Landarbeitsgericht Hessen (Urteil vom 14.03.2022, Az. 18 Sa 141/21) und das Bundesarbeitsgericht die vom Kläger begehrte Vertragsverlängerung. „Spielentscheidend“ war insbesondere die Frage, inwiefern äußere Umstände eine Fiktion des Eintritts oder eine Anpassung der Verlängerungsklausel rechtfertigen. Hierbei folgten die Gerichte der Auffassung des Klägers nicht.
Die sportliche Entscheidung eines Trainers, einen Profi-Spieler nicht einzusetzen, führt nicht zu einer Fiktion des Eintritts der Verlängerungsoption. Eine vereinbarte Bedingung gilt grundsätzlich als eingetreten, wenn eine Partei treuwidrig den Eintritt der Bedingung verhindert (§ 162 Abs. 1 BGB). Die Entscheidung eines Trainers ist jedoch vom Direktionsrecht gedeckt, wenn er einen Profi-Spieler aus sportlichen Erwägungen (zum Beispiel aufgrund abnehmender Leistungen) nicht einsetzt. Der Profi-Verein ist nicht verpflichtet, die sportlichen Erwägungen bei der Mannschaftsaufstellung zu Gunsten des Eintritts einer Verlängerungsoption eines Spielers zurückzustellen.
Der vorzeitige Abbruch einer Spielzeit aufgrund der COVID-19-Pandemie rechtfertigt eine Anpassung der Verlängerungsklausel nicht. Eine ergänzende Vertragsauslegung (§§ 133,157 BGB) ist nicht dahingehend geboten, dass bei einer verkürzten Spielzeit eine an die tatsächliche Spielzeitdauer angepasste Zahl an Mindesteinsätzen eine Verlängerung auslösen soll. Im Interesse der Vertragsparteien bleibt trotz der verkürzten Saison die vereinbarte Mindesteinsatzzeit maßgeblich. Einerseits benötigt der Verein eine „gewisse Anzahl“ von Spieleinsätzen, um die Einsetzbarkeit und Wertigkeit eines Profi-Spielers bestimmen zu können. Andererseits würden dem Profi-Spieler durch eine frühzeitigere Erfüllung der Verlängerungsoption die Vorteile eines auslaufenden Vertrages (ablösefreier Wechsel zu einem attraktiveren Verein) verwehrt bleiben. Die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) rechtfertigen eine Anpassung der Verlängerungsklausel ebenfalls nicht. Die Einstellung des Spielbetriebs änderte zwar die Geschäftsgrundlage der Verlängerungsklausel, da für das Erreichen der Zielvorgaben lediglich 23 statt den erwarteten 34 Spieltage verblieben. Allerdings trägt bei einer von einer Anzahl von Spieleinsätzen abhängigen Verlängerungsklausel der Profi-Spieler das Risiko, die notwendigen Einsätze wegen unvorhersehbarer Umstände nicht erreichen zu können.
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zeigt, dass die Regelung einer Verlängerungsklausel in befristeten Arbeitsverträgen mit rechtlichen Risiken verbunden sein kann. Die Entscheidung dürfte nicht nur für den Profi-Fußball, sondern auch für vergleichbare Vertragsgestaltungen in anderen Profi-Sportarten von Bedeutung sein. Insofern sollte für die Vertragsparteien im Profi-Sport Anlass zu einer Prüfung und Überarbeitung der Verlängerungsklauseln bestehen.
Von der Vereinbarung einseitiger Verlängerungsklauseln wie sie insbesondere aus dem US-Sport bekannt sind, dürfte abzuraten sein. In einer einsatzgebundenen Verlängerungsklausel sollten die Zielvorgaben wie die Anzahl der Spieleinsätze und/oder die Spieldauer pro Einsatz präzise definiert sein, um Differenzen über die Zielerreichung zu vermeiden. Es könnte eine Regelung getroffen werden, ob und wie die Zielvorgaben wegen äußerer Hindernisse an der Zielerreichung zu korrigieren sind, um Unklarheiten bei der Auslegung der Verlängerungsklausel zu verhindern.
Im Fall eines Rechtsstreits ist die Wirksamkeit und eine notwendige Anpassung einer einsatzgebundenen Verlängerungsklausel anhand der konkreten Umstände zu prüfen. Den Vorwurf einer treuwidrigen Vereitelung der Zielerreichung wegen fehlender Einsatzzeit könnte eine sorgfältige Dokumentation der sportlichen Erwägungen entkräften. Insbesondere gilt es die Voraussetzungen einer Störung der Geschäftsgrundlage (insbesondere die Risikoverteilung) im Einzelfall sorgfältig zu analysieren. Auch wenn das Bundesarbeitsgericht in der streitigen Konstellation einen entsprechenden Anspruch ablehnte, könnten Gerichte bei anders gelagerten Sachverhalten die befristeten Arbeitsverhältnisse von Profi-Sportlern „in die Verlängerung schicken“.
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