In vielen Unternehmen ist es üblich, dass Bonuszahlungen oder leistungsabhängige Vergütungen ein fester Bestandteil des Entgelts sind. Doch was passiert mit variablen Vergütungen, wenn Arbeitnehmer aufgrund einer Langzeiterkrankung über längere Zeit nicht in der Lage sind, ihre Arbeit auszuführen? Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf („LAG“) hat in seiner Entscheidung vom 21. Mai 2024 (Az.: 3 SLa 14/24) bestätigt, dass eine anteilige Kürzung zulässig sein kann. Entsprechend dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ bestand nach Ablauf des sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraums gemäß § 3 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) bei fortbestehender krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit kein Vergütungsanspruch und damit auch kein Anspruch auf Zahlung einer variablen Vergütung für diesen Zeitraum.
Sachverhalt
Der Kläger war als Vertriebsbeauftragter im Außendienst beschäftigt. Die Vergütung richtete sich nach einer Gesamtbetriebsvereinbarung, wonach sich diese aus einem festen und einem variablen Bestandteil im Verhältnis 60:40 zusammensetzte. Ein Mindesteinkommen war festgehalten. Für die variable Vergütung war der Vertriebserfolg der Vertriebseinheit, also die Produktionsziele, maßgeblich. Da das Team des Klägers keine eigene Vermittlungstätigkeit aufwies, war der variable Vergütungsbestandteil abhängig vom Vertriebserfolg der Vertriebspartner, die vom Kläger zusammen mit weiteren Mitarbeitern betreut wurden.
Im Kalenderjahr 2021 war der Kläger nun weit über den Entgeltfortzahlungszeitraum gemäß § 3 Abs. 1 EFZG hinaus arbeitsunfähig erkrankt und erbrachte an insgesamt 149 Kalendertagen ohne Entgeltfortzahlungsanspruch wegen Arbeitsunfähigkeit keine Arbeitsleistung. Die Beklagte zahlte in der Folge die variable Vergütung anteilig für die Zeiten der Arbeitsfähigkeit und der Arbeitsunfähigkeit mit Entgeltfortzahlungsanspruch aus. Der Kläger begehrte sodann gerichtlich die Zahlung einer ungekürzten variablen Vergütung, die auch den Zeitraum der Langzeiterkrankung ohne Entgeltfortzahlungsanspruch umfasste.
LAG: Bestätigung des Grundsatzes „Ohne Arbeit kein Lohn“
Das LAG bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung des Arbeitsgerichts Düsseldorf und wies die Klage als unbegründet ab. Die anteilige Kürzung der variablen Vergütung war rechtens. Das Gericht statuierte dies exemplarisch an dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Es orientierte sich hierbei daran, dass für den streitgegenständlichen Zeitraum keine Arbeitsleistung durch den Kläger erbracht wurde. Daher bestand auch kein Anspruch auf eine Gegenleistung, also auf eine Vergütung, zu der auch die variable Komponente zählt. Die Arbeitsleistung war nämlich mit Zeitablauf unmöglich geworden, da Arbeitsleistung nicht nachholbar ist. Mangels abweichender Vereinbarungen stand die variable Vergütung – wie der fixe Vergütungsanteil – erkennbar im Synallagma zur zeitlichen Erbringung der Arbeitsleistung. Die Sonderzahlung war gerade nicht unmittelbar von vom Kläger zu erreichenden Umsatzzielen abhängig, die ggf. vor Ende der Entgeltfortzahlung erreicht werden hätten können, sondern von teambezogenen Zielen, bei denen sich der persönliche Beitrag des Mitarbeiters zum Gesamtergebnis nicht konkret messen lasse. Da der Kläger außerhalb des Entgeltfortzahlungszeitraums gemäß § 3 Abs. 1 EFZG krankheitsbedingt keine Arbeitsleistung erbrachte, hatte er keinen (bzw. nur einen anteiligen) Anspruch auf eine an die Arbeitsleistung anknüpfende Sonderzahlung.
Wie ist das Urteil einzuordnen? Praxishinweis
Dieses Urteil bestätigt exemplarisch den im Arbeitsrecht geltenden Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Wird eine Arbeitsleistung zeitlich nicht erbracht, besteht auch kein Anspruch auf Gegenleistung in Form von Vergütung, soweit keine sogenannten lohnerhaltenden Normen, wie z.B. die Entgeltfortzahlung gemäß § 3 Abs. 1 EFZG greifen oder eine ausdrückliche Vereinbarung besteht, nach der eine Sonderzahlung unabhängig von einer Arbeitsleistung erbracht werden soll. Das LAG hat auch nochmal aufgezeigt, dass Arbeitgeber im Hinblick auf variable Vergütungen und eine Kürzung bei längerfristigen Arbeitsausfällen weder individual- noch kollektivrechtlich Regelungen treffen müssen, um von dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ Gebrauch zu machen, wenn die variable Vergütung wesentlicher Teil der Gesamtvergütung ist und nicht ausschließlich von unmittelbar den Arbeitnehmer betreffenden Zielen abhängt. Eine andere Beurteilung würde gerade dem Zweck variabler Vergütungen zuwiderlaufen und aus Arbeitgeberperspektive falsche Anreize schaffen. So wäre nicht ausgeschlossen, dass auch Auszahlungen an ganzjährig arbeitsunfähige oder unentschuldigt fehlende Mitarbeiter getätigt werden müssen. Der Sinn und Zweck einer variablen Vergütung, einen Leistungsanreiz für Arbeitnehmer zu schaffen und diese dann zu belohnen, wäre damit völlig sinnentleert.
Es ist daher Arbeitgebern zu raten, im Rahmen von Vereinbarungen zur Vergütung mit variablen Bestandteilen stets im Blick zu behalten, worauf diese basieren und wie sich diese zusammensetzen. Im Zusammenhang mit Teamzielen, die nicht allein auf individuellen Leistungen basieren, sollte bei längerfristiger Arbeitsunfähigkeit stets geprüft werden, ob diese anteilig gekürzt werden können. Dies wird auch im wirtschaftlichen Interesse der Arbeitgeber sein. Zusammenfassend zeigt diese Entscheidung, dass rechtliche Grundsätze auch im schnelllebigen und wandelbaren Arbeitsrecht von Bedeutung sind und sich bewähren. Das Verfahren ist nun beim Bundesarbeitsgericht anhängig; es bleibt also spannend, wie sich dieses zum Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ verhalten wird.