Autor

Torben Heuser

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1. Februar 2024

streiTWert – 3 von 61 Insights

#D&O-Versicherung: „Vorläufige Deckung“ auch in Strafsachen heißt: Die Verteidigungskosten werden erst einmal übernommen.

  • Quick read

Was ist passiert?

  • Den beiden Geschäftsführern einer GmbH wurde vorgeworfen ein sog. Umsatzsteuerkarussell durch Lieferung von Waren an Scheinfirmen zu betreiben. Nachdem diese bereits 2014 in das Fadenkreuz der Ermittler geraten waren und ein Steuerstrafverfahren eingeleitet wurde, fand 2016 eine Durchsuchung sowie die vorläufige Festnahme mit anschließender Verbringung in Untersuchungshaft, eines der Geschäftsführer statt. Die GmbH hatte für ihre Unternehmensleitung eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung („D&O-Versicherung“) abgeschlossen, die auch für den Fall strafrechtlicher Ermittlungen griff und Verteidigerkosten abdeckte. Dies galt unter der Bedingung des Bestreitens einer wissentlichen Pflichtverletzung und unter dem Vorbehalt der Rückforderung bei Nachweis des Gegenteils durch "rechtskräftige gerichtliche Entscheidung". Trotz zunächst gegebener Deckungszusage gegenüber dem nicht inhaftierten Geschäftsführer, weigerte sich der Versicherer, die erste Rechnung seiner Verteidiger von rund EUR 15.000 zu bezahlen. Das zentrale Argument: Der Versicherte habe Versicherungsobliegenheiten verletzt, weil er sich dem Versicherer gegenüber nicht eingelassen, ihm keine Einsicht in die Strafverfahrensakte ermöglicht und keinen Einblick in die Verteidigerhandakte gestattet habe. Nachdem sich die Kosten zwischenzeitlich um schlappe EUR 142.000,00 erhöht hatten und bereits das LG Paderborn zugunsten des Versicherten entschieden hatte, war nun das OLG Hamm am Zug (Beschluss vom 13.07.2023 – 20 U 64/22).

Was sagt das Gericht?

  • Das OLG Hamm bestätigte im Wesentlichen, was die Vorinstanz (LG Paderborn, Urteil vom 17.01.2022 – 3 O 311/21) bereits ausgeführt hatte. Mittels Zurückweisung der Berufung aufgrund offensichtlicher Erfolglosigkeit hält das Gericht fest: Es liegt sehr wohl ein Versicherungsfall vor. 
  • Der Versicherer kann sich nicht auf eine wissentliche Pflichtverletzung des Geschäftsführers berufen. Solange die Tat von diesem bestritten wird, gilt die vorläufige Deckungszusage. Eine Rückforderung ist erst nach ggf. erfolgter Verurteilung möglich. 
  • Der Versicherer hat keinen Anspruch auf eine umfassende und wahrheitsgemäße Unterrichtung über das Verfahren durch den Versicherten. 
  • Der Versicherer finanziert (lediglich) die Kosten der Strafverteidigung. Erlaubtes Verteidigungsverhalten sind u.a. auch Schweigen und auch die Äußerung unwahrer Angaben durch den Versicherten. 
  • Eine Weigerung sich vom Versicherer vernehmen zu lassen, stellt keine Obliegenheitsverletzung gegenüber dem Versicherer dar. 
  • Der Versicherer hat keinen Anspruch auf den Erhalt der Ermittlungsakte oder die Handakten der Verteidigung.

Die Entscheidung des OLG Hamm bedeutet kein Neuland, ist aber in ihrer Klarheit zu begrüßen und dürfte in der Praxis auch zu einem effektiven Strafrechtsschutz beitragen. Der bedauerlichen, aber gelebten Praxis einzelner Versicherer, sich im Versicherungsfall mit sehr weitreichenden Argumenten der eigenen Leistungspflicht entziehen zu wollen, schiebt das OLG Hamm damit einen Riegel vor.


Quelle: beck-online.de

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