13. Januar 2023

streiTWert – 19 von 61 Insights

Der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Bauproduktenverordnung – Es muss nachgebessert werden!

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Hinweis zum Aufsatz von Christine Simon-Wiehl in Zeitschrift für Product Compliance (ZfPC) 05/2022, 198 ff.

Seit dem 1. Juli 2013, dem Tag ihres vollständigen Inkrafttretens, bildet die EU-Bauproduktenverordnung, („BauPVO“) die europäische Grundlage für die Harmonisierung von Bauprodukten. Ihr Hauptziel ist, durch die Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts in diesem Bereich zu gewährleisten. Die BauPVO führte seinerzeit die unionsweit einheitlich geltende Pflicht zur Kennzeichnung von Bauprodukten und zur Erstellung einer Leistungserklärung ein. Nun bedarf die BauPVO einer Aktualisierung.

Der Aufsatz von Christine Simon-Wiehl in der ZfPC 05/2022, 198 ff. legt die Gründe für die Vorlage den von der Europäischen Kommission am 30. März 2022 vorgelegten Vorschlag einer neuen BauPVO („V-BauPVO“) dar, behandelt im Detail, ob die durch dessen Umsetzung angepeilten Ziele erreicht wurden und welche Kritikpunkte im Einzelnen noch bestehen. Ausgangspunkt des Artikels sind dabei die von der Europäischen Kommission identifizierten vier Problembereiche im Zusammenhang mit der BauPVO. Ein Überblick:

  1. Problem 1: Aufgrund der unzureichenden Leistung und Ergebnisqualität des Normsetzungssystems im Rahmen der BauPVO, war das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts für Bauprodukte in der Vergangenheit nicht gewährleistet. Die V-BauPVO versucht dem durch die Beschleunigung des Normungsprozesses und der Einräumung weiterer Regelungskompetenzen der Kommission zu begegnen. Insbesondere die erweiterten Befugnisse der Europäischen Kommission werden vielfach kritisch gesehen.
  2. Problem 2: Die Marktüberwachungstätigkeiten der nationalen Behörden waren bislang von unterschiedlicher Qualität und Wirksamkeit, wodurch das Vertrauen der Marktteilnehmer in den geltenden Rechtsrahmen geschwächt und die Bereitschaft, Rechtsvorschriften einzuhalten, verringert worden war. Zur Behebung des vorgenannten Problems wurden die Anforderungen an die notifizierten Stellen konkretisiert und deren Aufgabenfeld erweitert. Die Einrichtung eines Beschwerdeportals, mit dem Dritte in die Überwachung der Einhaltung der BauPVO einbezogen werden, soll zu einer effektiveren Ausgestaltung der Marktüberwachung führen. Die drohende Flut von Beschwerden über angeblich nicht-konforme Produkte ist nur einer der Kritikpunkte an den zu diesem Problembereich geplanten Maßnahmen.
  3. Problem 3: Da sich die BauPVO in einigen Punkten von anderen Rechtsakten im Bereich der Produktharmonisierung unterscheidet, kam es in der Vergangenheit z.B. zu Falschinterpretationen des CE-Kennzeichens, inhaltlichen Unklarheiten und Überschneidungen innerhalb der BauPVO selbst sowie mit anderen EU-Vorschriften. Die V-BauPVO sieht nun die Einführung einer (zusätzlichen) Konformitätserklärung sowie eine Änderung des Anwendungsbereichs der BauPVO vor. Ob diese Maßnahmen jedoch zu der gewünschten Vereinfachung führen, wird vielfach kritisch gesehen.
  4. Problem 4: Die BauPVO sah bislang keine Festlegung von Umwelt-, Funktions- und Sicherheitsanforderungen für Bauprodukte vor. Mit dem Ziel der Nachhaltigkeit wurden nunmehr die Anforderungen in Bezug auf bauliche Anlagen ausgeweitet und zusätzliche Umweltverpflichtungen der Hersteller festgelegt. Kritisiert wird in diesem Zusammenhang die Intransparenz der geltenden Verpflichtungen sowie die zu erwartende finanzielle Belastung der Unternehmen.

Der Europäischen Kommission ist zuzugestehen, dass sie sich bei der Überarbeitung der BauPVO einer Vielzahl von Problemen gestellt hat. Ob es der Kommission gelungen ist, diese vollständig zu beheben, kann in Anbetracht der vielfach geäußerten Kritik nicht ohne Weiteres bestätigt werden. Neu geschaffene und/oder bislang nicht gelöste Probleme und Kritikpunkte gilt es zu adressieren und zu beheben. Um welche es sich dabei im Einzelnen handelt, wird in dem Aufsatz in ZfPC 05/2022, 198 ff., auf den zur weiteren Lektüre gerne hingewiesen wird, ausführlich diskutiert.

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