21. Mai 2021
streiTWert – 64 von 66 Insights
Mit der anstehenden Neuregelung des Personengesellschaftsrechts durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts, das derzeit im Bundestag beraten wird, wird für die Personenhandelsgesellschaften in Übernahme des kapitalgesellschaftlichen Modells für rechtswidrige Gesellschafterbeschlüsse in Abweichung von dem bisherigen Recht, nach dem eine Feststellungsklage gegen sämtliche Gesellschafter zu richten ist, eine fristgebundene Anfechtungsklage mit Gestaltungswirkung des ergehenden Urteils geschaffen. Daneben wird, ebenfalls wie im Kapitalgesellschaftsrecht, eine gleichfalls gegen die Gesellschaft zu richtende Nichtigkeitsklage geschaffen. Die entsprechenden Regelungen finden sich in §§ 110 ff. HGB in der Entwurfsfassung. Einen wesentlichen Vorteil bietet das neue Recht vor allem bei Gesellschaften mit vielen Gesellschaftern, in denen nach dem bisherigen Recht eine Vielzahl von Gesellschaftern am Verfahren zu beteiligen waren und insbesondere Probleme auftraten, wenn deren Adressen nicht bekannt waren.
Bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts verbleibt es dagegen auch nach dem Gesetzesentwurf bei der bisherigen Regelung, es ist also eine Beschlussmängelklage gegen sämtliche Gesellschafter zu richten. Aber auch bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann es ein Interesse geben, die neu für die Personenhandelsgesellschaften vorgesehenen Regelungen zu übernehmen, etwa bei einer Vielzahl von Gesellschaftern. Es liegt dann nahe, eine entsprechende Regelung gesellschaftsvertraglich zu vereinbaren, etwa durch eine Klausel des Gesellschaftsvertrages, wonach die §§ 110 bis §§ 115 HGB (nun noch in ihrer Entwurfsfassung) auf Gesellschafterbeschlüsse Anwendung finden.
Der Gesetzentwurf sieht in seiner Begründung (BT-Drs. 19/27635, S. 107) eine solche Regelung als möglich an: „Hierauf aufbauend können die Gesellschafter für das neue Beschlussmängelrecht der Personenhandelsgesellschaften optieren und sich damit bei Bedarf Rechtssicherheit hinsichtlich der Wirksamkeit eines Beschlusses verschaffen.“ Im Gesetzestext selbst findet sich hierfür jedoch keine ausdrückliche Regelung, die etwa hätte lauten können: „Im Gesellschaftsvertrag kann die Anwendung der §§ 110 bis 115 HGB vereinbart werden.“
Auch unter Berücksichtigung der allgemein anerkannten grundsätzlichen Gestaltungsfreiheit im Personengesellschaftsrecht, wie sie nunmehr in § 708 BGB des Entwurfs kodifiziert werden soll, erscheint diese Möglichkeit jedoch keineswegs selbstverständlich. Denn dies lässt unberücksichtigt, dass die Anfechtungsklage gegen Gesellschafterbeschlüsse eine Gestaltungsklage ist – (erst) durch das klagestattgebende Urteil wird der angefochtene Beschluss nichtig und damit unwirksam – und für Gestaltungsklagen ein numerus clausus gelten soll, was dazu führt, dass durch Parteivereinbarungen keine Gestaltungsklagen sollen geschaffen werden können. Vor diesem Hintergrund wird zum bisherigen Recht der Personengesellschaften vielfach vertreten, dass zwar vereinbart werden kann, dass Klagegegner statt der Gesellschafter die Gesellschaft sein kann, die Klage aber auf Feststellung der Nichtigkeit gerichtet bleibt und die Gesellschafter nur schuldrechtlich an das Ergebnis des Rechtsstreits mit der Gesellschaft gebunden sind (vgl. BeckOGK HGB/Böttcher, Stand 15. März 2021, § 119 HGB Rn. 183).
Wendet man dies auch auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach einer Neuregelung des Beschlussmängelrechts bei den Personenhandelsgesellschaften an, bedeutet dies, dass die Gesellschafter auch ohne Schaffung einer echten Anfechtungsklage ein weitgehend vergleichbares Ergebnis durch eine Vereinbarung, dass der Klagegegner die Gesellschaft ist, die Klage binnen einer gesellschaftsvertraglich geregelten Frist zu erheben ist und die Entscheidung über die Klage gegen die Gesellschaft Bindungswirkung auch gegenüber den Gesellschaftern bewirkt, erreichen. Dies können sie auch schon nach dem bisherigen Recht. Ein relevanter Vorteil durch die Schaffung einer echten Anfechtungsklage besteht insoweit praktisch nicht. Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, jedenfalls bis zu einer höchstrichterlichen Klärung, ob die Erwähnung in der Gesetzesbegründung für die Möglichkeit einer gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung einer echten Anfechtungsklage unter Bezugnahme auf die künftigen §§ 110 bis 115 HGB ausreicht, von einer solchen Vereinbarung Abstand zu nehmen und eine entsprechend ausgestaltete Feststellungsklage gegen die Gesellschaft vorzusehen. Damit wird inhaltlich weitgehend das gleiche Ergebnis erzielt, ohne dass entsprechende rechtliche Unsicherheiten verbleiben. Zudem ist dies auch schon vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts möglich.
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