24. Januar 2022
streiTWert – 54 von 73 Insights
Das Landgericht Frankfurt hat entschieden, dass Wirecard-Aktionäre keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wegen der erlittenen Verluste haben.
Die Richter der für Amtshaftungsansprüche zuständigen 4. Kammer sind in den vier entschiedenen Verfahren (zu den Az.: 2-04 O 65/21, 2-04 O 531/20, 2-04 O 561/20, 2-04 O 563/20) damit zum gleichen Ergebnis gekommen, wie zuvor bereits die 8. Kammer des Landgerichts Frankfurt (Urt. v. 5.11.2021; Az.: 2-08 O 98/21) sowie das Landgericht Wuppertal (Urteil v. 10.09.2021 Az. 2 O 441/20).
Die Urteilsgründe der aktuellen Entscheidungen liegen zwar noch nicht vor, der Pressemitteilung lässt sich jedoch entnehmen, dass das Gericht einen Amtshaftungsanspruch der jeweiligen Kläger mit der Begründung abgelehnt hat, die BaFin nehme ihre Aufgaben nicht im Interesse einzelner Anleger wahr. Es bestehe demnach kein Drittschutz. Dies ergebe sich unmittelbar aus § 4 Abs. 4 des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes (FinDAG). Dieser bestimmt, dass die Bundesanstalt Aufgaben und Befugnisse ausschließlich im öffentlichen Interesse wahrnimmt. Damit folgt das Gericht auch inhaltlich den zuvor im Jahr 2021 ergangen Entscheidungen, die wohl noch nicht rechtskräftig sind.
Auch das Gutachten „Amtshaftungsansprüche gegen die BaFin im Fall Wirecard AG?“ des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages hatte bereits im Jahr 2020 die Frage der Drittbezogenheit der Amtspflichten untersucht. Zwar kommt das Gutachten zu keinem abschießenden Ergebnis und ordnet die Frage als in der Literatur strittig ein, rekurriert in diesem Zusammenhang allerdings auch auf die Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 4 FinDAG in der es u.a. heißt, dass „die Aufgabenwahrnehmung durch die Bundesanstalt nur im öffentlichen Interesse erfolgt. Privatrechtliche Ansprüche werden von der Bundesanstalt nicht geprüft. Die Durchsetzung individueller Ansprüche gehört nicht zu den Aufgaben der Bundesanstalt. Die Regelung entspricht dem früheren § 6 Abs. 4 KWG bzw. § 4 Abs. 2 WpHG.“ Diese legislatorische Erwägung scheint damit die bisherige Linie in der Rechtsprechung zu stützen.
Auch das im letzten Jahr in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG), das zum Zwecke der Stärkung der Bilanzkontrolle und strengerer Regulierung der Abschlussprüfung umfangreiche Änderungen u.a. auch am FinDAG vorgenommen hat, lässt den § 4 Abs. 4 FinDAG unberührt.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich die Ansicht, die Bundesrepublik Deutschland habe mit der Ausgestaltung des Bilanzkontrollsystems durch die BaFin und DPR gegen die Pflicht aus Art. 24 zur (korrekten) Umsetzung der Vorgaben der europäischen Transparenzrichtlinie verstoßen, bisher in der Rechtsprechung wohl nicht durchsetzen konnte. So stellt das LG Wuppertal in o.g. Entscheidung u.a. fest: „Eine andere Wertung folge auch nicht aufgrund von europarechtlichen Erwägungen. Mithin findet § 4 Abs. 4 FinDAG sowohl im Rahmen des nationalen Amtshaftungsanspruch Anwendung und schließt zudem einen gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch aus. (..) Dem Kapitalmarktaufsichtsrechts sind keine Normen zu entnehmen, deren Wertungsspielraum durch den Anlegerschutz tangiert wird. Im Unterschied zum Einlegerschutz sind hinsichtlich des Anlegerschutzes keine ausdrücklichen Vorgaben des Unionsgesetzgebers im Hinblick auf einen Mindestschutz vorhanden.“
Im Ergebnis nimmt das Landgericht Wuppertal in diesem Zusammenhang an, dass die Voraussetzungen eines - vom EuGH entwickelten - gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch nicht vorliegen, da es an einem hinreichend qualifizierten Verstoß gegen Unionsrecht, fehle.
Legislative und Judikative scheinen sich einig zu sein, dass Amtshaftungsansprüche gegen die BaFin wg. (vermeintlicher) Verletzung von Amtspflichten bei der Ausübung der Aufsicht im Zusammenhang mit der Bilanzkontrolle nicht bestehen, weil es an einem entsprechenden Drittschutz zugunsten der Anleger fehlt. Es bleibt insofern abzuwarten, ob sich die Obergerichte und der Bundesgerichtshof noch mit dieser Frage beschäftigen werden. Allerdings besteht auch vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität keinen Anlass gesehen hat, § 4 Abs. 4 FinDAG zu überarbeiten, nicht unbedingt viel Anlass für eine abweichende Bewertung. Gerade die mit dem FISG überarbeiteten Regelungen zur Haftung von Abschlussprüfern sprechen vielmehr dafür, dass jedenfalls der Gesetzgeber hier die primären Anspruchsgegner sieht.
16. September 2025
22. August 2025
von Johannes Raue
11. Juli 2025
23. Mai 2025
von mehreren Autoren
14. Januar 2025
14. November 2024
von mehreren Autoren
7. Oktober 2024
25. Juni 2024
3. Mai 2024
Current framework and future developments
20. März 2024
von Kerstin Bär, LL.M. (Bristol, UK), Dr. Philipp Behrendt, LL.M. (UNSW)
23. Februar 2024
1. Februar 2024
1. Februar 2024
15. November 2023
19. Oktober 2023
25. Mai 2023
von Johannes Raue
Katie Chandler, Philipp Behrendt and Christopher Bakier look at the EU's proposals to legislate for liability risks in AI products.
9. Mai 2023
von mehreren Autoren
2. Mai 2023
von Johannes Raue
13. April 2023
von mehreren Autoren
Beratung zur Streitvermeidung und Streitlösung
28. März 2023
von Dr. Frank Koch
27. Januar 2023
24. Januar 2023
20. Januar 2023
Hinweis zum Aufsatz von Christine Simon-Wiehl in Zeitschrift für Product Compliance (ZfPC) 05/2022, 198 ff.
13. Januar 2023
13. Dezember 2022
Die Europäische Kommission hat am 28. September 2022 neben dem Vorschlag für eine Richtlinie über KI-Haftung ihren mit Spannung erwarteten Entwurf für eine neue Produkthaftungsrichtlinie veröffentlicht. Diese Neuerungen gibt es.
25. November 2022
Experimente beim digitalen Zivilprozess sind schön und gut – doch es fehlt ein System
29. September 2022
22. September 2022
24. August 2022
22. August 2022
von Dr. Lena Niehoff
Unstrittig: Herstellergarantien können den Abverkauf von Waren erhöhen und zur Kundenbindung beitragen. Aber sind Online-Händler auch verpflichtet, ihre Kunden darüber zu informieren, wenn es solche Garantien gibt?
5. Oktober 2022
7. Juli 2022
streiTWert
30. Juni 2022
von Johannes Raue
13. Juni 2022
streiTWert
9. Juni 2022
von Harald Bechteler
streiTWert
5. Mai 2022
22. April 2022
13. April 2022
streiTWert
7. April 2022
streiTWert
31. März 2022
streiTWert
16. Februar 2022
streiTWert
24. Januar 2022
streiTWert
7. Dezember 2021
streiTWert – Am 24.12.2020 ist die Verbandsklage-Richtlinie in Kraft getreten
18. November 2021
streiTWert – Entscheidung des LG Hamburg über Stornierungskosten bei Veranstaltungen
22. September 2021
von Donata Freiin von Enzberg, LL.M., Kerstin Bär, LL.M. (Bristol, UK)
streiTWert
11. Oktober 2021
von Dr. Lena Niehoff
streiTWert
13. September 2021
streiTWert
9. September 2021
streiTWert
27. August 2021
streiTWert
23. August 2021
streiTWert
13. August 2021
von Dr. Lena Niehoff
streiTWert
5. August 2021
streiTWert
15. Juli 2021
streiTWert
8. Juli 2021
von Harald Bechteler
streiTWert
2. Juni 2021
streiTWert
8. Juni 2021
streiTWert
21. Mai 2021
streiTWert
17. Mai 2021
streiTWert – Ein vielfach unterschätzter Kostenpunkt für im Ausland ansässige Klageparteien?
1. September 2021
streiTWert
streiTWert – Am 24.12.2020 ist die Verbandsklage-Richtlinie in Kraft getreten
streiTWert