Autor

Johannes Loch, LL.M. (Cape Town)

Associate

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3. November 2022

Energiesparen am Arbeitsplatz - Ein Blick nach Japan

  • Briefing

Steigende Kosten, drohende Engpässe: Die Energiekrise trifft die Unternehmen in Deutschland. Um den Energieverbrauch in den kommenden Wintermonaten zu senken, verpflichtete die Bundesregierung die Arbeitgeber zu Energiesparmaßnahmen (Stichwort Raumtemperatur). Welche weiteren Schritte in den Betrieben ergriffen werden können, zeigt das Beispiel Japan. In den Monaten nach dem Reaktorunfall in Fukushima 2011 wurde der Energieverbrauch durch staatliche Vorgaben und freiwillige Programme (z.B. Lockerung der Kleiderordnung in den Betrieben) um ca. 20 Prozent gesenkt. Mit Hilfe dieser Erfahrungen und der Schaffung finanzieller Anreize soll den nun auch in Japan steigenden Gaspreisen entgegengewirkt werden. Können deutsche Unternehmen von dieser Vorgehensweise lernen und welche weiteren Möglichkeiten zur Senkung der Energiekosten wären hierzulande gesetzlich zulässig? 

Die derzeitige Lage

Der am 24. Februar 2022 begonnene völkerrechtswidrige Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine führt zu erheblichen Preisanstiegen bei Gas und Strom. Nachdem Russland als Hauptlieferant von Erdgas nach Deutschland die Lieferungen schrittweise einstellte und alternative Beschaffungswege teurer bzw. nicht vollständig ausgebaut sind, droht eine Energieknappheit in den Wintermonaten. Die Bundesnetzagentur fordert, dass der Energieverbrauch um 20 Prozent reduziert wird.
Um den Gas- und Stromverbrauch zu senken, beschloss die Bundesregierung eine Reihe von Maßnahmen (u.a. Zweite Stufe des Gasnotfall-Plans). Die Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen (EnSikuMaV) und die Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über mittelfristig wirksame Maßnahmen (EnSimiMaV) geben Sparmaßnahmen in den Unternehmen vor. Dabei gelten für Arbeitgeber mit Arbeitsstätten in öffentlichen Nichtwohngebäuden (u.a. Behörden, aber auch z.B. Stadtwerke) Sonderregelungen. 

Was können / müssen Arbeitgeber nun tun?

§ 4 Abs. 1 EnSimiMaV verpflichtet Unternehmen, alle durchführbaren Maßnahmen vorzunehmen, um ihre Energieeffizienz zu verbessern. Die erlassenen Verordnungen erweitern dafür den Spielraum für Einsparungen, indem sie zeitlich befristete Sonderregelungen zu arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften normieren. Unter anderem soll der Verbrauch von Energie für die Raumwärme durch eine Anpassung der Raumtemperatur reduziert werden. Die Mindesttemperaturen am Arbeitsplatz (vgl. Ziff. 4.2 der Technischen Regeln für Arbeitsstätten, Raumtemperatur (ASR A3.5)) können daher nun um einen Grad gesenkt werden (§§ 6 Abs. 1, 12 EnSikuMaV), womit z.B. in Büros die Mindesttemperatur 19°C statt 20°C betragen kann, wenn es sich um körperlich leichte und überwiegend sitzende Tätigkeiten handelt. In einem Arbeitsraum in einem öffentlichen Nichtwohngebäude stellt dies zugleich die zulässige Höchsttemperatur dar. Daneben könnte die Beheizung von betrieblichen Gemeinschaftsflächen eingestellt werden (für öffentliche Nichtwohngebäude ist dies teilweise verpflichtend, § 5 Abs. 1 EnSikuMaV). Es muss im Einzelfall jedoch geprüft werden, welche Flächen (etwa medizinische Räume) zwingend zu beheizen sind (vgl. Ziff. 4.2 Abs. 4 ASR A3.5, § 5 Abs. 2 EnSikuMaV). Weitere Einsparungen können durch eine angemessene Reduzierung des Warmwassers erzielt werden. In öffentlichen Nichtwohngebäuden ist die Nutzung von Trinkwassererwärmungsanlagen (insbesondere Durchlauferhitzer) eingeschränkt (§ 7 EnSikuMaV). Es ist jedoch darauf zu achten, dass durch die Regulierung der Wassertemperaturen keine Gesundheitsrisiken (z.B. durch Legionellen) entstehen. Schließlich kann der Strombedarf durch eine abgeschwächte Beleuchtung reduziert werden. Die Außenbeleuchtung von öffentlichen Nichtwohngebäuden ist grundsätzlich untersagt (§ 8 Abs. 1 EnSikuMaV). Eine effizientere Innenbeleuchtung ist durch den Einsatz von Zeitschaltuhren möglich, da eine ausreichende Beleuchtung lediglich während der Arbeitszeit vorgeschrieben ist (vgl. ASR A3.4). 

Energiesparmaßnahmen im Land der aufgehenden Sonne 

Umfangreiche Erfahrungen im Energiesparen hat Japan, dessen Wirtschaft zu einer der energieeffizientesten der Welt zählt. Infolge des Reaktorunglücks in Fukushima im März 2011 und der anschließenden Abschaltung nahezu aller Kernkraftwerke, musste einem drohenden Teilausfall der Stromversorgung durch Energieeinsparungen vorgebeugt werden. Große Unternehmen waren verpflichtet, ihren Stromverbrauch um 15 Prozent zu senken, während kleinere Unternehmen und Privathaushalte freiwillig ihren Energieverbrauch senken sollten. Es entstand eine nationale Bewegung des Energiesparens (Setsuden) mit einer Reihe von (teilweise unkonventionellen) Maßnahmen: Die Arbeitszeiten in der Produktion wurden teilweise auf das Wochenende verlagert und der Dienstbeginn gestaffelt, um das Stromnetz in den Spitzenzeiten an den Wochentagen zu entlasten. In den Sommermonaten begrenzte man die Raumtemperatur auf 26° C, um die Nutzung von Klimaanlagen zu beschränken und anstelle formeller Geschäftskleidung konnten Mitarbeiter leichtere, wetterangepasste Kleidung tragen, damit Heiz- und Kühlkosten eingespart wurden (Super Cool Biz – Kampagne). 
Die Unternehmen informierten ihre Mitarbeiter über Einsparungsmöglichkeiten, schalteten nicht nötige Arbeitsmittel teilweise aus (z.B. Drucker) und führten energieeffizientere Geräte mit automatisierten Abschalteinrichtungen im Standby-Modus ein. Nach einer Richtlinie des wichtigsten japanischen Wirtschaftsverbands Keidanren sollten nicht notwendige Beleuchtungen in den Betrieben (z.B. unbesetzte Räume zur Mittagspause) ausgeschaltet werden. Unter anderem durch diese Maßnahmen gelang es Japan in den Sommermonaten 2011, einen Stromausfall zu verhindern und den Energieverbrauch um etwa 20 Prozent zu senken. Dieses nationale Bewusstsein der effizienten Nutzung von Energieressourcen ist 2022 erneut in den Fokus gerückt. Die japanische Regierung rief in diesem Sommer und für den kommenden Winter aufgrund des drohenden Ausfalls bzw. der Verteuerung von Erdgas-Importen die Unternehmen zu Energiesparmaßnahmen auf. 

Ausblick: Weitere denkbare Ansätze des Energiesparens 

Der japanische Ansatz kann als Ideengeber für weitere alternative Sparansätze in Deutschland neben den Vorgaben der EnSikuMaV und der EnSimiMaV dienen. Zum Beispiel könnten Mitarbeiter vermehrt im Home-Office arbeiten, um Fahrtwege zu vermeiden und den Treibstoffverbrauch zu senken. Eine einseitige Anordnung der Home-Office-Arbeit durch den Arbeitgeber ist allerdings nicht möglich. Wie auch bei der Home-Office-Arbeit aufgrund der Corona-Pandemie bedarf es stets einer ausdrücklichen Home-Office-Vereinbarung mit den Mitarbeitern. 
Daneben kann eine Reduzierung der zu beheizenden Büroflächen durch die (zeitweise) Stilllegung von Einzelbüros und die Errichtung von Großraum- bzw. Gruppenbüros im Rahmen eines sogenannten Desk-Sharing gelingen. Individualrechtlich ist die Zuweisung des Arbeitsplatzes vom Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt, allerdings könnten bei der Zusammenlegung von Büros Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats (§ 87 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 6 BetrVG) tangiert sein. Zudem sind die Bestimmungen der SARS-CoV-2 Arbeitsschutzverordnung, insbesondere solche zu den Abstandsregelungen im Betrieb (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 SARS-CoV-2 Arbeitsschutzverordnung), zu berücksichtigen. 
Dagegen wird der Arbeitgeber grundsätzlich nicht von seiner Pflicht zur Lohnzahlung befreit, wenn eine Beschäftigung von Mitarbeitern aufgrund einer Unterversorgung von Energie nicht möglich sein sollte. Eine Unterbrechung der Energieversorgung fällt grundsätzlich unter das vom Arbeitgeber zu tragende Betriebsrisiko (§ 615 BGB). Dies deckt sich im Übrigen mit den japanischen Grundsätzen, wonach Arbeitnehmern mindestens 60 Prozent ihres Durchschnittslohns zusteht, wenn Unternehmen im Zusammenhang mit der Energieversorgung zeitweilig ihre Tätigkeiten einstellen. 
Insgesamt zeigen diese Beispiele aus Deutschland und Japan, dass den Arbeitgebern eine Reihe von Maßnahmen zur Reduzierung ihres Energieverbrauchs zur Verfügung stehen, deren Konformität mit den arbeitsrechtlichen Regelungen im Einzelfall jedoch vor ihrer Umsetzung sorgfältig zu prüfen ist.

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