Rezepte im Internet einlösen und Medikamente bequem per Post erhalten – telemedizinische Plattformen machen es möglich und erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Apotheken können über Kooperationen mit diesen Plattformen ihren Kundenkreis erweitern. Die Teilnahme hieran birgt jedoch erhebliche Risiken. Details bei der Ausgestaltung des Bestellvorgangs können darüber entscheiden, ob sich eine Apotheke rechtlich angreifbar macht. Dies zeigt eine aktuelle Entscheidung des OLG Frankfurt (Urteil vom 14.08.2025 – Az. 6 W 108/25).
Der dem Urteil zugrunde liegende Fall betraf eine Telemedizin-Plattform, über die Patienten Rezepte u.a. für medizinisches Cannabis einlösen konnten. Beim Bestellprozess konnten die Patienten zwischen zwei Varianten wählen: dem „Premium-Service“ mit automatischer Apothekenzuweisung durch die Plattform oder dem „Standard-Service“ mit freier Apothekenwahl. Ein Apotheker nahm am Premium-Service der Plattform teil, belieferte die Patienten und entrichtete der Plattform eine Vergütung für die Weiterleitung der Rezepte, die sich an der Anzahl der vermittelten Rezepte orientierte. Eine Wettbewerberin sah darin einen Verstoß gegen das Zuweisungsverbot (§ 11 Abs. 1 ApoG).
Die Vorinstanz des Landgerichts Frankfurt a.M. (Urteil vom 28.05.2025 – Az. 2-06 O 150/25) hielt die Teilnahme des Apothekers an dem Plattformmodell für zulässig und verneinte einen Verstoß gegen das Zuweisungsverbot. Entscheidend sei – so das Gericht –, dass die Patienten angesichts der Auswahlmöglichkeiten eine echte Wahlfreiheit hätten und sich bewusst gegen den Premium-Service und für die freie Wahl einer Apotheke entscheiden könnten.
Das OLG Frankfurt kommt zu einem anderen Ergebnis: Der Senat unterzog den Bestellprozess einer genaueren Betrachtung – inklusive der einzelnen Bestell-Zwischenschritte. Er kam zu dem Schluss, dass dieser darauf angelegt sei, den Patienten weg von der freien Apothekenwahl und hin zur Bestellung bei den Partnerapotheken der Plattform (im Premium-Service) zu führen. Insbesondere werde bereits auf der Startseite der Eindruck vermittelt, die Lieferung erfolge automatisch über Kooperationsapotheken, ohne dass der Patient angemessen auf die Option einer freien Apothekenwahl hingewiesen werde. Voreinstellungen, Filtermechanismen und Rabattangebote würden diesen Effekt verstärken. Die bloße theoretische Möglichkeit der freien Apothekenwahl via Inanspruchnahme des Standard-Service sei insoweit nicht ausreichend und die Apothekenwahlfreiheit in unzulässiger Weise beeinträchtigt. Die Haftung treffe auch die teilnehmende Apotheke.
Die Entscheidung verdeutlicht: Die Teilnahme an Telemedizin-Plattformen ist nur zulässig, wenn die freie Apothekenwahl nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch uneingeschränkt gesichert ist. Maßgeblich sind insbesondere die konkrete Ausgestaltung des Bestellprozesses sowie der Vergütungsmodalitäten für diesen Plattformservice. So ist die Entrichtung einer monatlichen Nutzungsgebühr für den Plattformservice zulässig (vgl. BGH Urt. v. 20.02.2025, Az. I ZR 46/24), während eine von der Anzahl der zugeleiteten Rezepte abhängige Vergütung an die Apotheke – wie hier – ein starkes Indiz für ein unzulässiges Rezeptmakeln sein kann.
Bei Verstößen gegen das Zuweisungsverbot drohen empfindliche rechtliche Konsequenzen, insbesondere wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche und Ordnungsgelder – übrigens auch für Versandhandelsapotheken aus dem Ausland sowie Plattformbetreiber. Apotheken sollten die Teilnahme an Telemedizin-Plattformen daher nur nach sorgfältiger Prüfung in Betracht ziehen und im Zweifel rechtlichen Rat einholen.
