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Karolina Lange-Kulmann, LL.M. (Medizinrecht)

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10. Juli 2023

Digital Health 360° – 9 von 27 Insights

Digital-Gesetz: Kommt jetzt der Durchbruch für die Telemedizin?

  • Briefing

Neue Möglichkeiten für die Telemedizin verheißt der Referentenentwurf eines Gesetzes zur „Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens“ des Bundesministeriums für Gesundheit vom 15.06.2023. Er könnte tatsächlich eine Liberalisierung der telemedizinischen Behandlungen bringen. Die vorgeschlagenen Änderungen zielen darauf ab, die digitale Gesundheitsversorgung zu erweitern und Telemedizin fest in die ambulante vertragsärztliche Versorgung zu integrieren. Welche Änderungen konkret geplant sind, stellen wir Ihnen im Folgenden vor:

Flexibilisierung der Videosprechstunden

Bisher konnten lediglich 30 % der vertragsärztlichen Sprechstunden als Videosprechstunden durchgeführt und abgerechnet werden. Die Obergrenze bezog sich sowohl auf die Anzahl der Behandlungsfälle als auch auf die Gebührenordnungspositionen. Diese mengenmäßige Begrenzung soll aufgehoben werden, sodass mehr Videosprechstunden durchgeführt werden können. Ob eine höhere Begrenzung eingeführt wird – so derzeitige politische Diskussionen – oder die Obergrenze vollständig wegfällt – so wohl der Referentenentwurf – ist zwar noch ungewiss. Dennoch wäre die Aufhebung ein positiver Schritt in die richtige Richtung.

Vergütung nach Qualitätsmerkmalen

Neben der quantitativen Ausweitung der Videosprechstunden wird auch verstärkt auf eine qualitative Weiterentwicklung geachtet. Diese soll dadurch sichergestellt werden, dass die Videosprechstunden, die qualitätsorientierte Merkmale aufweisen, bei der Vergütung stärker berücksichtigt werden. Beispielhaft nennt der Referentenentwurf die Einbindung in die übrigen Versorgungsprozesse sowie die Nutzung der elektronischen Patientenakte und weiterer digitaler Anwendungen.

Eine Orientierung an qualitätsorientierten Merkmalen ist prinzipiell positiv zu bewerten. Sie zielt offenbar darauf ab, die Möglichkeiten der Digitalisierung besser als bisher auszuschöpfen.

Assistierte Telemedizin in Apotheken

Apotheken sollen ebenfalls in die Digitalisierungsstrategie einbezogen werden. So sollen diese in Zukunft Maßnahmen der assistierten Telemedizin anbieten können. Dies beinhaltet die Beratung und Anleitung zur Inanspruchnahme ambulanter telemedizinischen Leistungen und die Durchführung einfacher medizinischer Routineaufgaben zur Unterstützung anlässlich einer ärztlichen telemedizinischen Leistung.

Die beabsichtigten Maßnahmen haben zum Ziel, die Nutzung der telemedizinischen Versorgungsangebote zu erhöhen und einen niedrigschwelligen Zugang für die Versicherten zu ermöglichen. Es soll dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen, dem Verband der Privaten Krankenversicherung sowie dem Deutschen Apothekerverband als Partner des Rahmenvertrages überlassen sein, geeignete Behandlungsszenarien und Sachverhalte zu definieren, bei denen die Versorgung mit assistierter Telemedizin in Apotheken angeboten werden soll. Denkbar wären dann hier wohl Kooperationen zwischen Apotheken und Praxen bzw. MVZ. Dies könnte aus rechtlicher Sicht spannende Fragen mit Blick auf Zuweisungsverbote aufwerfen.

Fazit und Ausblick

Zusammenfassend sind die geplanten Änderungen ein begrüßenswerter Schritt, um die Telemedizin weiter zu fördern und zu verbessern und einer Versorgungsknappheit entgegenzuwirken. Die genaue Umsetzung des Referentenentwurfs bleibt aber abzuwarten. Ob der große Wurf gelingt, ist fraglich.
Bereits 20% der Ärzt*innen sind über 60 Jahre alt. Der demografische Wandel stellt auch im Hinblick auf die ärztliche Versorgung und den Rückgang der Anzahl der Praxen, vor allem in strukturschwachen ländlichen Gebieten, eine große Herausforderung dar. Wünschenswert wäre, Grundlagen für eine mobile, aufsuchende Telemedizin zu schaffen; Fragen des Zusammenspiels von ärztlichem und nichtärztlichem Personal zu klären und die Telemedizin in der vertragsarzt- und vergütungsrechtlichen Systematik zu berücksichtigen. Ohne grundlegende Reform des Niederlassungsgebots, der Bindung der Leistungserbringung an den Ort der Praxis, der Vorgaben zur Abhaltung der örtlich gebundenen Sprechstunden und insbesondere der Abrechnung und Bedarfsplanung sind keine großen Schritte zu erwarten. Konkrete Pläne liegen dazu jedoch noch nicht vor. Es bleibt spannend. Wir behalten für Sie die Entwicklung in diesem Bereich im Auge!

Co-Autorin

Franziska Ettler

Franziska Ettler

Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Regulatorischen Gesundheitsrecht mit Fokus auf Rechtsfragen zur Digitalisierung des Gesundheitswesens


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