27. März 2024
Digital Health 360° – 5 von 29 Insights
Co-Autorin: My Anh Cao
Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg beschäftigt sich in seinem Hinweisbeschluss vom 15. August 2023 (Az.: 5 U 93/22) mit der Ausstellung von Rezepten für verschreibungspflichtige Arzneimittel über das Internet durch Ärzte, die den Patienten zuvor nicht schon einmal behandelt haben.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der gewerbliche und selbständige berufliche Interessen verfolgt. Die Beklagte betrieb eine Softwareplattform, die für die Ausstellung von Rezepten für verschreibungspflichtige Arzneimittel über das Internet durch Ärzte, die die Patienten zuvor noch nicht einmal behandelt hatten (sog. Folgerezepte), geworben hat. Der Kläger war der Ansicht, dass die Ausstellung von Rezepten für verschreibungspflichtige Arzneimittel durch einen Arzt, der den Patienten zuvor nicht behandelt hatte, wettbewerbswidrig sei.
Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg stellte in seinem Beschluss fest, dass das Landgericht Hamburg zu Recht einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8, 3a UWG i.V.m. § 7 Abs. 3 der Berufsordnung für Ärzte in Hamburg sowie gemäß §§ 8, 3a UWG, 9 HWG bejaht hat. Die Erteilung eines Folgerezeptes für ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel ohne persönlichen Kontakt zum Patienten verstoße gegen ärztliche Berufspflichten. Im vorliegenden Fall finde § 7 Abs. 3 der Berufsordnung der Ärzte in Hamburg Anwendung, der einen persönlichen Kontakt vorschreibe und nur ausnahmsweise eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien vorsehe, wenn dies ärztlich vertretbar sei und die ärztliche Sorgfalt gewahrt werde. Dies sei bei dem angebotenen Rezeptservice nicht der Fall. Es liege ein Verstoß gegen die ärztliche Sorgfalt vor, da nicht sichergestellt werden könne, ob der Zweck der Verschreibungspflicht gewahrt werde. Zwar könne bei einem Folgerezept eine telefonische Rezeptanforderung ausreichend sein. Erforderlich sei jedoch, dass der verordnende Arzt den Patienten zuvor bereits behandelt habe und über seinen Gesundheitszustand und die Notwendigkeit der Verordnung dieses Arzneimittels informiert sei. Außerdem müsse der Arzt auch bei Folgeverordnungen in gewissen Abständen bestimmte Untersuchungen des Patienten veranlassen. Bei § 7 Abs. 3 der Berufsordnung für Ärzte in Hamburg handele es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG, da sich der Arzt nicht allein von medizinischen Erwägungen mit Blick auf das Patientenwohl, sondern von sachfremden wirtschaftlichen Eigeninteressen leiten lasse. Dass die Beklagte lediglich eine Softwareplattform betreibe und nicht selbst den Arztberuf ausübe, sei unerheblich, da die Beklagte im Hinblick auf den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch unmittelbar verantwortlich sei. Sie habe das Geschäftsmodell über ihre Internetpräsenz angeboten und verbreitet. Denn derjenige, der nicht selbst Normadressat sei, handele dann unlauter i.S.v. § 3a UWG, wenn er gesetzesunterworfene Dritte zu einem Verstoß gegen Marktverhaltensregelungen i.S.v. § 3a UWG anstifte oder dabei unterstütze.
Des Weiteren liege ein Verstoß gegen das Werbeverbot für Fernbehandlungen nach § 9 HWG vor. Denn bei der Ausstellung eines Folgerezeptes handele es sich um eine Fernbehandlung i.S.v. § 9 Satz 1 HWG, da eine persönliche Wahrnehmung des Patienten durch den behandelnden Arzt nur dann vorliege, wenn die möglichen Untersuchungsmethoden bei gleichzeitiger physischer Präsenz von Arzt und Patient in einem Raum angewandt werden könnten, was vorliegend nicht der Fall sei. Auch die Ausnahmevorschrift des § 9 Satz 2 greife nicht ein, da die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte das Entsprechen des allgemeinen fachlichen Standards nicht dargetan habe.
Das ist wichtig | To Do: Der Entscheidung ist nicht zuletzt im Interesse der Patienten zuzustimmen, die davor geschützt werden müssen, Zugang zu verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu erhalten, die sie nicht (mehr) benötigen und daher Schäden/Süchte verursachen können. Ohne physische Präsenz lässt sich dies aktuell nicht ohne weiteres sicherstellen. Es wäre aber zu begrüßen, wenn sich in der Zukunft allgemeine fachliche Standards zur rein digitalen Ausstellung von Folgerezepten entwickeln würden, bei denen die Patientensicherheit gewährleistet ist. Dies hätte u.a. Vorteile für Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind.
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