14. März 2023
Digital Health 360° – 17 von 33 Insights
Die Vorteile der Digitalisierung sind uns spätestens mit der Corona-Pandemie vor Augen geführt worden: Home-Office war plötzlich normal, Ärzte boten Videosprechstunden an, im Auftrag der Politik wurde mehr oder minder schnell die Corona-Warn-App entwickelt und auf europäischer Ebene wurden digitale Impfzertifikate ermöglicht.
Eher unbeachtet blieb hingegen die retrospektive Betrachtung der Pandemie im Rahmen einer zu Beginn des Jahres veröffentlichten Studie des Sachverständigenrates Gesundheit & Pflege, in dem der Sachverständigenrat dem deutschen Gesundheitswesen mangelnde Resilienz bescheinigte und diesen Umstand unter anderem auf die mangelnde Nutzung digitaler Lösungen zurückführte.
Der Sachverständigenrat wurde zwischenzeitlich turnusgemäß neubesetzt, sodass die Aussagen des Gutachtens etwas untergegangen sind. Aber sie bleiben aktuell.
Die Studie spielte Ende letzte Woche im Haus der Bundespressekonferenz allerdings kaum eine Rolle, als Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach gemeinsam mit dem neuen Vorsitzenden des Sachverständigenrates, Prof. Dr. Michael Hallek, die Digitalisierungsstrategie der Bundesregierung für das Gesundheitswesen und die Pflege vorstellte; nur am Rande erwähnte Prof. Dr. Hallek kurz, dass die Digitalisierungsstrategie die Kritikpunkte der Studie aufgreife.
„Gemeinsam Digital“ prangt auf dem Deckblatt der 44-seitigen Strategie, die schon mal durch ein ansprechendes digitales Outfit überzeugt. Was die Strategie darüber hinaus inhaltlich enthält und wie Karl Lauterbach den Gesundheitssektor weiterentwickeln will, erfahren Sie in diesem Briefing.
Die neue Digitalisierungsstrategie stellt den Patienten, der Zeit seines Lebens in unterschiedlichen Situationen dem Gesundheitssystem und seinen Leistungserbringern gegenübertritt, in den Mittelpunkt. Dabei obliegt ihm selbstverständlich immer die Hoheit über die eigenen Gesundheitsdaten. Die Versorgungsqualität soll durch digitale Anwendungen, die flächendeckend angeboten werden können, und durch Interoperabilität und Permeabilität der Gesundheitsdaten verbessert und vor allem durch maßgeschneiderte Versorgungsangebote auch wirtschaftlicher gemacht werden.
Die einzelnen geplanten Vorhaben der Digitalisierungsstrategie umfassen insbesondere:
Es ist bezeichnend für den Status quo unseres Gesundheitssystems, dass eines der ersten Beispiele für eine Verbesserung der Prozesse der Austausch des Papierversandes von Dokumenten durch elektronische Kommunikation und die Ausweitung telemedizinischer Angebote ist. Das zeigt, wie überfällig die vorliegende Digitalisierungsstrategie ist. Es ist ein großer Fortschritt , dass die 30-Prozent-Limitierung für telemedizinischer Leistungen endlich aufgehoben werden soll. So wird eine Grundlage geschaffen, dass telemedizinische Angebote eine ernstzunehmende Ergänzung der Gesundheitsvor- und -versorgung werden. Ebenso sind die Pläne der flächendeckenden Einführung der ePA zu begrüßen, wenngleich die bis zum Jahr 2025 geplante 80-prozentige Nutzungsquote vor dem Hintergrund, dass die Grundlage für das ePA Anfang der 2000er gelegt wurde und seitdem nicht sonderlich viel passiert ist, ambitioniert erscheint. Gut ist weiterhin, dass der Minister nach einem holprigen Testlauf die verpflichtende Einführung des E-Rezepts wieder aufgenommen hat. Darüber hinaus ist auch das zentrale Pooling der eigenen Gesundheitsdaten mit niedrigschwelligem Einsichts- und Nutzungsrecht richtig und wichtig. Es dient nicht nur der eigenen Datensouveränität, sondern wird auch zu einem deutlich effizienteren Zusammenwirken der Leistungserbringer führen. Die Gematik soll verstaatlicht werden und bisherige Stakeholder (Ärzte, Spitzenverbände etc.) können dadurch naturgemäß weniger mitwirken als bisher. Darüber hinaus ist die Errichtung eines Bundesinstituts für Öffentliche Gesundheit und eines Kompetenzzentrums Digitalisierung und Pflege geplant. Fraglich bleibt, ob die strukturell-behördlichen Umgestaltungen wirklich alle sinnvoll sind oder ob auf die bestehenden Institutionen aufgebaut werden sollte.
Insbesondere die Öffnung der Datenverwendung für die Industrie ist ein Paradigmenwechsel, wenngleich – jedenfalls wenn datenschutzrechtliche Bestimmungen eingehalten werden – eine überfällige Lösung zu passgenauen Angeboten und Lösungen. Denn der Gesundheitsdatenschutz wurde in der Vergangenheit im Hinblick auf die nötige Digitalisierung in Deutschland viel zu restriktiv ausgelegt. Insofern ist es sehr zu begrüßen, dass die zersplitterte Gesetzgebung zum Gesundheitsdatenschutz nun abgebaut und die Datenschutzaufsicht zentralisiert werden soll. Es besteht berechtigte Hoffnung, dass datenschutzrechtliche Regelungen mit der neuen Digitalisierungsstrategie künftig deutlich innovationsfreundlicher ausgestaltet und ausgelegt werden. Andere EU-Länder, wie Finnland und Frankreich, gehen hier schon seit langem mit gutem Beispiel voran. Dies hat auch Minister Karl Lauterbach erkannt und betont die Notwendigkeit, über die nationalen Grenzen hinaus zu schauen. Mit Blick auf den EHDS werden wir ohnehin nicht umhinkommen, einen einheitlichen Rechtsrahmen im europäischen Kontext zu definieren. Dabei muss eine Balance zwischen praktischem Datenschutz und notwendiger Innovation zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung gefunden werden.
Die Digitalisierungsstrategie ist eine mutige Ankündigung einer digitalen Umwälzung des Gesundheitssektors. Sie hat das Potenzial, den Gesundheitssektor endlich in die Gegenwart zu holen. Minister Lauterbach möchte den Wandel mittels zweier großer Gesetzgebungsverfahren erreichen, nämlich das Digitalgesetz und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz, die sich wohl beide in der Feinabstimmung befinden und kurzfristig vorgelegt werden sollen. Es bleibt zu hoffen, dass es nicht bei Ankündigungen bleibt, sondern die Gesetzentwürfe den positiven Spirit der Strategie ausstrahlen. Das würde zu einer deutlichen Attraktivierung des Gesundheitsmarktes für Leistungserbringer und Anbieter digitaler Lösungen führen.
3. April 2025
von mehreren Autoren
27. February 2025
12. February 2025
von mehreren Autoren
22. October 2024
von mehreren Autoren
17. July 2024
von Kathleen Munstermann-Senff, LL.M. (Medizinrecht), Dr. Marina Schulte
12. April 2024
von Karolina Lange-Kulmann, LL.M. (Medizinrecht), Rica Nauschütte
27. March 2024
13. March 2024
21. September 2023
von Dr. Tim Schwarz
10. July 2023
14. March 2023
12. September 2022
12. September 2022
22. July 2022
12. April 2022
30. March 2022
4. March 2022
von Karolina Lange-Kulmann, LL.M. (Medizinrecht), Dr. Niclas von Woedtke, MBA (Kellogg/ WHU)
Gründe des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 9. Dezember 2021 veröffentlicht
15. February 2022
Strategie zur digitalen Potentialentfaltung des Gesundheitswesens der Zukunft
7. July 2021
29. April 2021
von mehreren Autoren
„Best Practices” für das Vertragsmanagement ab Tag 1
22. April 2021
von mehreren Autoren
von mehreren Autoren
21. October 2020
von Karolina Lange-Kulmann, LL.M. (Medizinrecht), Dr. Niclas von Woedtke, MBA (Kellogg/ WHU)
von Dr. Tim Schwarz und Thanos Rammos, LL.M.
von mehreren Autoren