1. März 2024
Digital Health 360° – 5 von 27 Insights
UPDATE: Nach aktuellem Gesetzesentwurf vom 12.04.2024 ist die im folgenden Beitrag dargestellte Maßnahme nicht mehr vorgesehen.
Mit dem im Referentenentwurf befindlichen Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) möchte das Bundesgesundheitsministerium ab Frühjahr 2025 neue Angebote in der Gesundheitsversorgung für Regionen schaffen, in denen viele sozial benachteiligte Menschen leben, oder die insbesondere im ländlichen Raum von einer alternden Gesellschaft, Abwanderung oder geringer Mobilität geprägt sind. Als eine Maßnahme gegen Versorgungsprobleme gerade im hausärztlichen Bereich sieht das GVSG die Einführung so genannte Primärversorgungszentren vor. Was sich hinter dem Begriff verbirgt, was von Primärversorgungszentren zukünftig zu erwarten ist und weitere relevante Fragen beantworten wir in unseren nachstehenden FAQ.
In Primärversorgungszentren soll gesetzlich Versicherten eine hausärztliche Versorgung angeboten werden, „die durch zusätzliche berufsgruppenübergreifende, koordinierte, kooperative und versorgungssteuernde Versorgungselemente gekennzeichnet ist“. Sie bieten neben der regulären hausärztlichen Versorgung ein besonderes hausärztliches Versorgungsangebot an, das insbesondere den besonderen medizinischen Bedürfnissen älterer und multimorbider Patientinnen und Patienten gerecht wird.
Kernelement des besonderen hausärztlichen Versorgungsangebots in Primärversorgungszentren soll die berufsgruppenübergreifende Koordination der Versorgung der Versicherten sein, durch die die hausärztliche Versorgung ergänzt werden soll.
Gewährleistet werden soll dies vor allem durch nichtärztliche Fachkräfte, also insbesondere Pflegefachkräfte und medizinische Fachangestellte. Sie sollen die Versicherten dort, wo es nötig ist, in ihren besonderen medizinischen und gegebenenfalls auch sozialen Belangen unterstützen. Hierunter fallen beispielsweise eine intensive Begleitung der Versicherten bei der Therapie oder der Organisation der Versorgung, aber auch die Anleitung, innerhalb der vorhandenen Versorgungsstrukturen die richtigen Stellen aufzusuchen. Insgesamt sollen die nichtärztlichen Fachkräfte in einem Primärversorgungszentrum den Versicherten in einer Weise beratend und koordinierend zur Seite stehen, wie es in einer normalen hausärztlichen Praxis personell und zeitlich nicht zu leisten ist.
Daneben ermöglichen Kooperationen der Primärversorgungszentren mit Gesundheitskiosken in der Nähe ergänzende soziale Beratungs- und Unterstützungsangebote, während die Zusammenarbeit zwischen Primärversorgungszentren, Fachärzten und nichtärztlichen Leistungserbringern eine effektive Steuerung des berufsübergreifenden Versorgungsbedarfs der Versicherten sicherstellt.
Die Primärversorgungszentren müssen mit einem in der Region liegenden Gesundheitskiosk einen Kooperationsvertrag abschließen. Dadurch sollen den Versicherten auch allgemeine Beratungs- und Unterstützungsangebote zur medizinischen, präventiven und sozialen Bedarfsermittlung und Leistungserbringung zur Verfügung gestellt werden.
Falls es in der betroffenen Region keinen Gesundheitskiosk gibt, muss der Kooperationsvertrag mit dem jeweiligen Kreis oder der Stadt abgeschlossen werden und regeln, wie kommunale Dienste, beispielsweise das Gesundheitsamt, der soziale Dienst oder das Jugendamt, in das Primärversorgungszentrum integriert werden können. Denkbar wäre z.B. die Bereitstellung von Räumen im Primärversorgungszentrum, in die Mitarbeiter des Kreises bzw. der Stadt gesandt werden können. Die genaue Umsetzung wird stets von den konkreten Gegebenheiten vor Ort abhängen.
Ferner müssen Primärversorgungszentren die Kooperation mit an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten oder Einrichtungen und mit nichtärztlichen Leistungserbringern gewährleisten und so deren berufsübergreifende Kooperation und den koordinativen Ansatz effektiver Versorgungssteuerung sicherstellen. Als nichtärztliche Leistungserbringer kommen beispielsweise Heilmittelerbringer, Hebammen, Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigung oder ambulante Beratungsstellen in Betracht. Zukünftig von Relevanz sein wird dabei auch die Kooperation im Rahmen ambulanter telemedizinischer Leistungen, die z.B. in Form von Telekonsilen, Videosprechstunden oder telemedizinischen Fallkonferenzen denkbar sind.
Weitere Vorgaben an Primärversorgungszentren, insbesondere zum bereitzustellenden Leistungsangebot, zur personellen und sachlichen Ausstattung, Anforderung an die Qualifikation der dort tätigen Personen, oder an die Ausgestaltung der Kooperationen, können sich aus dem Bundesmantelvertrag Ärzte ergeben. Sie müssen noch von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbart werden und sind in den ersten sechs Monaten nach Inkrafttreten des GVSG, also voraussichtlich im Sommer/Herbst 2025 zu erwarten.
Durch die Beschäftigung nichtärztlicher Mitarbeiter werden Ärztinnen und Ärzte entlastet und haben mehr Zeit für die Wahrnehmung ihrer medizinischen Kernaufgaben.
Außerdem bietet die Arbeit in Primärversorgungszentren die Möglichkeit, Bedürfnissen nach flexiblen Arbeitszeitmodellen und der Zusammenarbeit in Teamstrukturen Rechnung zu tragen. Durch die Schaffung eines attraktiven Arbeitsumfeld sollen so insbesondere junge Hausärztinnen und Hausärzte, aber auch andere Berufsgruppen für die Niederlassung oder Anstellung in ländlichen und strukturschwachen Regionen gewonnen werden.
Ein Primärversorgungszentrum soll von zugelassenen Ärzten, Berufsausübungsgemeinschaften oder medizinischen Versorgungszentren mit jeweils mindestens drei vollen Versorgungsaufträgen der hausärztlichen Versorgung errichtet werden können. Durch die Vorgabe dieser Mindestgröße soll gewährleistet werden, dass ein Versorgungsumfang von gewissem Gewicht und eine Versorgungskontinuität gesichert sind.
Außerdem soll die Errichtung eines Primärversorgungszentrums in einem Gebiet erfolgen, für die der Landesausschuss hinsichtlich der hausärztlichen Versorgung eine Feststellung der ärztlichen Unterversorgung nach § 100 Abs. 1 S. 1 SGB V getroffen hat. Denn gerade in Gebieten ärztlicher Unterversorgung ist es für die Versicherten besonders schwierig, notwendige medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen und Zugang zu Fachärztinnen und Fachärzten oder nichtmedizinischen Leistungserbringern zu erhalten.
Ja, die zuständige Kassenärztliche Vereinigung erkennt ein Primärversorgungszentrum auf Antrag des zugelassenen Arztes, der Berufsausübungsgemeinschaft oder des medizinischen Versorgungszentrums an, wenn es die vorgenannten Anforderungen erfüllt. Sollte sich die Versorgungslage in einer Region, in der ein Primärversorgungszentrum errichtet wurde, verbessern und keine Unterversorgung mehr vorliegen, steht das dem weiteren Betrieb des Primärversorgungszentrums dann aber nicht im Wege.
Die Vergütung der im Primärversorgungszentrum erbrachten Leistungen erfolgt nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) und steht damit im Gleichlauf mit der Vergütung von Leistungen, die in normalen Hausarztpraxen erbracht werden. Auch die Anstellung zusätzlicher nichtärztlicher Fachkräfte und die Finanzierung der durch sie erbrachten Leistungen soll so ermöglicht werden. Jedoch soll der EBM insbesondere im Hinblick auf die Vergütung der nichtärztlichen Leistungen noch innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss der Vereinbarung zwischen der KBV und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen über weitere Vorgaben zu Primärversorgungszentren im Bundesmantelvertrag Ärzte angepasst werden.
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