Q&A zur Coffee Break
Welche Option hat der Arbeitgeber, wenn der Arbeitnehmer das bEM-Gespräch aufgrund der gesundheitlichen Situation ablehnt? Muss der Arbeitnehmer während seiner Krankschreibung am bEM-Gespräch teilnehmen? Kann der Arbeitgeber das bEM als gescheitert abbrechen, wenn der Arbeitnehmer während des bEM erkrankt?
Arbeitsunfähig bedeutet nicht gleich bEM-unfähig. Das bEM ist gerade dafür vorgesehen, mit Mitarbeitern, die längerfristig arbeitsunfähig sind, Möglichkeiten zu finden, wie ihre Arbeitsunfähigkeit überwunden werden kann und wie zukünftiger Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann. Es gibt zahlreiche Krankheiten, bei denen der Mitarbeiter zwar arbeitsunfähig ist, aber durchaus an Gesprächen teilnehmen kann. Der Arbeitnehmer kann sich daher regelmäßig nicht darauf berufen, er könne aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit nicht an dem bEM teilnehmen. Der Arbeitgeber sollte den Arbeitnehmer in einem solchen Fall darüber informieren (sofern noch nicht geschehen), dass eine Erkrankung einem bEM im Grundsatz nicht entgegensteht. Der Arbeitnehmer sollte daraufhin unter Setzung einer Frist aufgefordert werden, entweder nachzuweisen, dass ihm seine konkrete Erkrankung die Teilnahme an einem bEM unmöglich macht, oder aber zu erklären, ob er an dem bEM teilnimmt oder auf die Teilnahme verzichtet. Außerdem könnte dem Mitarbeiter zunächst auch ein digitales Vorgespräch angeboten werden.
Wenn ein bEM-Gespräch über Monate hinweg nicht möglich ist, gilt das bEM dann als gescheitert?
Wenn der Arbeitgeber nachweisen kann, dass er alles versucht hat, um ein bEM durchzuführen, der Arbeitnehmer aber aufgrund seiner Erkrankung nicht in der Lage ist, daran teilzunehmen, kann eine krankheitsbedingte Kündigung dennoch rechtmäßig sein. Das bEM ist keine Voraussetzung für die Kündigung selbst, sondern eine Schutzmaßnahme, die helfen soll, der Arbeitsunfähigkeit zu begegnen. Wird das bEM durch die Erkrankung unmöglich, kann der Arbeitgeber, wenn die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind (negative Gesundheitsprognose, erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen, Interessenabwägung zuungunsten des Arbeitnehmers), grundsätzlich eine krankheitsbedingte Kündigung aussprechen.
Muss bei erneuter Krankheit ein bEM durchgeführt werden oder kann das 1. bEM grundsätzlich als Grundlage für eine krankheitsbedingte Kündigung dienen? Wenn mehrere bEM-Runden erforderlich sind, wie viele sind denn in der Praxis (Rechtsprechung) notwendig?
Der Arbeitgeber hat grundsätzlich ein neuerliches bEM durchzuführen, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres nach Abschluss eines bEM erneut länger als sechs Wochen durchgängig oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt war, und zwar auch dann, wenn nach dem zuvor durchgeführten bEM noch nicht wieder ein Jahr vergangen ist. Eine weitere bEM-Runde ist daher dann erforderlich, wenn der Arbeitnehmer erneut erkrankt.
Welche Möglichkeiten gibt es, die bEM-Akte elektronisch zu führen bzw. zu archivieren? Genügt dazu ggf. ein eigener Ordner im Personalverwaltungsprogramm oder braucht es ein eigenständiges und gesondert geschütztes IT-System?
Zugriff auf die BEM-Akte darf nur ein fest definierter, limitierter Personenkreis haben, der mit der Durchführung des bEM-Verfahrens betraut ist (sog. bEM-Team oder der bEM-Verantwortliche). Der Zugriffsschutz muss daher auch bei einer elektronischen Akte sichergestellt werden. Die bEM-Fallakte muss von der Personalakte getrennt sein. Wenn dies gelingt, ist eine elektronische Führung möglich.
Ist ein kranker Arbeitnehmer zur Teilnahme an einem Personalgespräch verpflichtet?
Die Aufforderung zur Teilnahme an einem Personalgespräch ist nicht mehr vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist. Für den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit sind sämtliche vertraglichen Pflichten in Bezug auf die ordnungsgemäße Erfüllung der Arbeitsleistung suspendiert. Dies hat der Arbeitgeber bei der Ausübung seines Weisungsrechts zu berücksichtigen, weshalb ein Personalgespräch trotz der Erkrankung nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen kann, in denen (nachweisbar) ein dringender und nicht aufschiebbarer Gesprächsbedarf besteht. Wichtig ist daher auch die Unterscheidung zwischen bEM-Gespräch und Personalgespräch. Nur Zweiteres gehört zu den Arbeitspflichten.
Welcher Prognosezeitraum ist bei Langzeiterkrankungen zugrunde zu legen?
Bei lang andauernden Krankheiten wird eine Negativprognose nach der Rechtsprechung angenommen, wenn der Arbeitnehmer etwa eineinhalb Jahre durchgängig arbeitsunfähig und ein Ende der Krankheit nicht absehbar ist oder der Arbeitnehmer erkrankt und in den nächsten 24 Monaten nicht mit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist. Dies sind aber nur grobe Richtwerte.
Wie hoch darf eine Gesundheitsprämie sein?
Unternehmen können ihre Mitarbeiter mit finanziellen Anreizen für gesundheitsförderndes Verhalten belohnen. Die Höhe einer Gesundheitsprämie als Sonderzahlung unterliegt keiner expliziten gesetzlichen Beschränkung, sofern diese Prämien verhältnismäßig (insbesondere muss sie in einem angemessenen Verhältnis zum Zweck der Gesundheitsförderung stehen) und sachlich gerechtfertigt sind. Bei der Ausgestaltung von Prämiensystemen ist gemäß § 4a Satz 2 EFZG zu beachten, dass Kürzungen des Prämienlohns nur im gesetzlich definierten Rahmen zulässig sind. Um die Motivation der Arbeitnehmer zur Reduzierung ihrer Fehlzeiten aufgrund von Krankheit zu fördern, sollten die Prämien nicht zu hoch ausfallen, sodass bereits bei einer geringen Anzahl an Krankheitstagen ein spürbarer Verlust der Prämie eintritt. Damit wird ein gezielter Anreiz für Arbeitnehmer geschaffen, ihre Gesundheit zu schützen und die Arbeitsfähigkeit weitestgehend aufrechtzuerhalten.
Wie verhält es sich in Bezug auf verhaltensbedingte Kündigungen bei vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit ("krankfeiern")?
Meldet sich ein Arbeitnehmer krank, ohne arbeitsunfähig erkrankt zu sein, kann eine verhaltensbedingte Kündigung, unter Umständen auch fristlos, gerechtfertigt sein. Allerdings ist zu beachten, dass der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung grundsätzlich ein hoher Beweiswert zukommt, der zu erschüttern wäre und ggfs. zunächst eine Abmahnung ausgesprochen werden muss (einzelfallabhängig).
Wie sieht die Rechtslage bei Online-Krankenscheinen aus? (zum Beispiel Videosprechstunde über Teleclinic)
Im Falle einer rein online-basierten Krankschreibung, bei der zwischen dem Patienten und einem Arzt kein unmittelbarer Kontakt (per Video) hergestellt wird und die Angaben des Patienten lediglich in Textfeldern auf der Website eingetragen werden, sind die Voraussetzungen einer „ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ nicht erfüllt. Folge ist, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit durch die Krankschreibung u.U. nicht nachgewiesen hat und der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung verweigern kann. Wenn allerdings eine Videountersuchung stattgefunden hat, müsste weitergehende Indizien vorliegen, um den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern.
In der Regel ist es so, dass AU-Zeiten im elektronischen Abruf erst mit Verzögerung vorliegen. Insbesondere im "Krisenfall" weiß man gar nicht, ob die AU tatsächlich existiert. Wie kann man sich behelfen, um kurzfristig eine AU zu überprüfen?
Der Arbeitgeber darf die Entgeltfortzahlung bei technischen Fehlern oder Verzögerungen nicht verweigern, da es an einer Pflichtverletzung des Mitarbeiters fehlt. Dies führt in der Konsequenz weiter dazu, dass Arbeitgeber sich auch in Fällen von vorgetäuschten Erkrankungen nicht auf ihr bisheriges Leistungsverweigerungsrecht berufen können und die Entgeltfortzahlung zunächst leisten müssen. Eine kurzfristige Überprüfung ist daher aufgrund der Verzögerung eher nicht möglich. Möglich ist allerdings, die Krankenkasse zu kontaktieren, um zu fragen, ob überhaupt noch mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu rechnen ist.
Sollten bei Verdacht auf falsche AUs, z.B. bei Krankmeldung nach abgelehntem Urlaubsantrag, Disziplinarmaßnahmen ausgesprochen werden?
Disziplinarmaßnahmen wie eine Abmahnung oder eine Kündigung kommen nur dann in Betracht, wenn erhärtete Zweifel bestehen, die zu einer Erschütterung des Beweiswertes der AU führen. Bei einem reinen Verdacht sollten zunächst alle erforderlichen Aufklärungsmaßnahmen ergriffen werden (Personalgespräch, Einschaltung des Medizinischen Dienstes, Stellungnahme des Arztes). Es kann bei gesteigertem Verdacht ratsam sein, die Entgeltfortzahlung zurückzuhalten und eine Abmahnung auszusprechen.
Welche Maßnahmen sind für den Arbeitgeber zumutbar, bevor er eine krankheitsbedingte Kündigung aussprechen kann? Wie sehr muss der Arbeitgeber von Standardtätigkeiten abweichen und ist dies auch dauerhaft notwendig?
Bevor ein Arbeitgeber eine krankheitsbedingte Kündigung aussprechen kann, muss er verschiedene zumutbare Maßnahmen in Betracht ziehen, um die Kündigung als letztes Mittel zu rechtfertigen. Der Arbeitgeber ist zunächst verpflichtet, ein bEM durchzuführen, wenn ein Mitarbeiter länger als sechs Wochen innerhalb eines Jahres arbeitsunfähig erkrankt ist. Der Arbeitgeber muss in dem Zusammenhang prüfen, ob der betroffene Mitarbeiter auf einem anderen, leidensgerechten Arbeitsplatz im Unternehmen weiterbeschäftigt werden kann. Dies beinhaltet auch die Überlegung, ob durch Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen eine andere Position für den Mitarbeiter geeignet gemacht werden kann. Zudem kann der Arbeitgeber verpflichtet sein, einen leidensgerechten Arbeitsplatz durch Ausübung des Direktionsrechts (nicht hingegen: durch Kündigung eines anderen Arbeitnehmers) „freizumachen“. Scheidet eine Umsetzungsmöglichkeit aus, kann sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch eine Änderungskündigung – und sei es mit dem Ziel einer Weiterbeschäftigung zu schlechteren Arbeitsbedingungen – als vorrangig erweisen. Der Arbeitgeber muss zudem prüfen, ob es etwaige Überbrückungsmöglichkeiten bis zum Genesungszeitpunkt gibt (z. B. Einstellung von Aushilfskräften, befristete Einstellung von Mitarbeitern, wenn eine längere Krankheitsdauer feststeht, Durchführung von Überstunden oder Mehrarbeit, personelle Umorganisation, organisatorische Umstellungen). Gibt es solche Maßnahmen, muss der Arbeitgeber diese durchführen anstatt eine krankheitsbedingte Kündigung auszusprechen.
Zum vermeintlich kranken Mitarbeiter: Was kann der Outcome sein, wenn ich eine Stellungnahme des behandelnden Arztes anfrage? Wären das Grundlagen für eine Kündigung? Was wäre die Konsequenz, wenn der Arbeitnehmer sich aufgrund einer Kündigung krankgemeldet hat?
Wenn aufgrund der Stellungnahme des behandelnden Arztes erhebliche Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters begründet werden, kann der Beweiswert der AU erschüttert sein. Wird der Mitarbeiter infolgedessen verhaltensbedingt gekündigt, muss er in einem etwaigen Kündigungsschutzprozess seine Arbeitsunfähigkeit nachweisen. Die AU reicht zum Nachweis dann evtl. nicht mehr aus. Die gleichen Grundsätze gelten, wenn der Beweiswert aus anderen Umständen, zum Beispiel aufgrund des zeitlichen passgenauen Zusammentreffens mit der Kündigungsfrist, erschüttert ist.
Wie viel Zeit ist dem Arzt für eine Stellungnahme zu gewähren?
Der behandelnde Arzt ist außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens nicht gesetzlich zur Stellungnahme verpflichtet. Die Zeit, die dem Arzt hierzu zu gewähren ist, ist nicht konkret festgelegt. Eine Woche kann hierbei als Orientierung dienen, wobei die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Bei dringendem Klärungsbedarf könnte auch eine kürzere Frist angebracht sein. Es ist sinnvoll, die Aufforderung zur Stellungnahme schriftlich festzuhalten und dabei das konkrete Datum zu nennen, bis zu dem die Stellungnahme erwartet wird. Dies dient der Nachvollziehbarkeit und schafft Klarheit für alle Beteiligten.
Fragt der Arbeitgeber die Stellungnahme durch den behandelnden Arzt direkt beim behandelnden Arzt an/ab? Was tun, wenn ich den Arzt nicht kenne (Information fehlt auf der eAU)? Gibt es zur Abfrage ein Vorlagenmuster? Was genau darf abgefragt werden (Datenschutz)?
Sofern der behandelnde Arzt mangels Angabe auf der eAU nicht bekannt ist, kann diese Information bei der Krankenkasse oder dem Arbeitnehmer abgefragt werden, wobei dieser nicht zur Information verpflichtet ist. Der Arzt kann zur Stellungnahme gebeten werden, ob die AU-Bescheinigung in Einklang mit der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie ausgestellt wurde. Eine Entbindung des Arztes von seiner ärztlichen Schweigepflicht ist zur Beantwortung dieser Anfrage nicht erforderlich, denn er muss keine Auskunft über den Inhalt der Erkrankung des Arbeitnehmers geben, sondern nur über sein generelles Vorgehen bei der Prüfung der Arbeitsunfähigkeit. Für weitere Informationen wäre allerdings die Entbindung von der Schweigepflicht notwendig. Zudem ist es möglich, dass der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) auf Anforderung der Krankenkasse oder des Arbeitgebers eine gutachtliche Stellungnahme zur Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers erstellt. In diesem Kontext darf der MDK auch ohne vorherige Zustimmung des Arbeitnehmers den behandelnden Arzt kontaktieren, um notwendige Informationen einzuholen.
Aus Datenschutzaspekten ist zu beachten, dass die Verarbeitung personenbezogener Gesundheitsdaten des Arbeitnehmers strengen Anforderungen unterliegt.
Alle Versuche einen Medizinischen Dienst einzuschalten, wurden bisher von den Kassen aus Personalmangel abgelehnt. Was gibt es für Wege, um nicht gleich abgeblockt zu werden?
Nach § 275 Abs.1 Nr. 3bSGB V sind die Krankenkassen verpflichtet, eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen, wenn Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit bestehen. Der Arbeitgeber hat einen Anspruch gegen die Krankenkasse auf Einholung dieser gutachterlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit gemäß § 275 Abs. 1a Satz 3 SGB V. Die Krankenkassen sollten daher auf diese Pflicht hingewiesen werden, wobei die Grundlagen der Zweifel möglichst genau zu benennen sind.
Reagiert der Medizinische Dienst der Krankenkassen auch bei gehäuften Kurzerkrankungen?
Ja, ein Gutachten des Medizinische Dienstes kann immer dann eingeholt werden, wenn Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit bestehen. Solche Zweifel sind insbesondere auch dann anzunehmen, wenn Versicherte auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig erkrankt sind.
Wie lange dauert das Prüfverfahren nach § 275 SGB V bzw. wie ist hier der zeitliche Ablauf?
Der zeitliche Ablauf eines solchen Verfahrens kann je nach Fall variieren, sollte im Regelfall jedoch innerhalb von 12 Wochen nach Einleitung des Prüfverfahrens abgeschlossen sein.
- Einleitung des Prüfverfahrens: Nach Eingang der Unterlagen hat die Krankenkasse fünf Arbeitstage Zeit, um zu entscheiden, ob sie eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einholt. Entscheidet sich die Krankenkasse dafür, muss sie die Unterlagen innerhalb von zwei Wochen an den Medizinischen Dienst weiterleiten.
- Begutachtung durch den Medizinischen Dienst (MD): Die Gutachterin oder der Gutachter des Medizinischen Dienstes prüft die vorliegenden Unterlagen und spricht eventuell mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten. In der Regel kann bereits auf dieser Basis eine Stellungnahme abgegeben werden.
Reichen die Unterlagen für eine Beurteilung nicht aus, kann eine persönliche Begutachtung notwendig werden. Dazu lädt die Krankenkasse die oder den Versicherten schriftlich in ein Beratungs- und Begutachtungszentrum des Medizinischen Dienstes ein.
Der Medizinische Dienst hat grundsätzlich fünf Wochen Zeit für seine Begutachtung, ab dem Tag des Eingangs der Unterlagen bei ihm.
- Das Ergebnis der Untersuchung teilen die Gutachterinnen und Gutachter den Versicherten in der Regel sofort mit, ebenso der Krankenkasse und der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt. Die Krankenkasse gibt das Ergebnis sodann an den Arbeitgeber weiter.
Welche Mittel habe ich bei einem Verdacht auf „hinauszögern“ einer AU (länger krankschreiben lassen als eigentlich nötig)? Erfahrung aus der Praxis: Bei einer AU vom ersten Tag, sind die Mitarbeiter anstelle 1-2 Tage ohne AU-Meldung dann in der Regel mind. 5 Tage AU-bescheinigt. Lässt sich dies vermeiden?
Umfasst die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einen längeren Zeitraum, obwohl der Arbeitnehmer nicht den gesamten Zeitraum arbeitsunfähig ist, bestehen dieselben Möglichkeiten wie bei einer Krankschreibung ohne Arbeitsunfähigkeit. Beispielsweise kann der Arzt (soweit bekannt) zur Stellungnahme aufgefordert werden. Dies kann insbesondere präventiv verhindern, dass der Arzt leichtfertig für einen langen Zeitraum eine AU-Bescheinigung ausstellt.
Mitarbeiter melden sich oft länger krank, wenn sie Feedback zu unzureichender Performance bekommen haben. Haben wir hier auch mehr Flexibilität bzgl. Erschütterung des Beweiswertes?
Wenn ein Arbeitnehmer sich unmittelbar nach Erhalt von Feedback zu unzureichender Performance krankmeldet, kann dies unter Umständen den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern. Insbesondere wenn der Zeitpunkt der Krankmeldung direkt nach dem Erhalt des Feedbacks liegt und der Verdacht besteht, dass die Krankmeldung als Reaktion darauf erfolgt ist, kann dies als Indiz für eine mögliche Erschütterung des Beweiswertes angesehen werden. Der Arbeitgeber muss belastbare Tatsachen vorbringen, die erhebliche Zweifel an der tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers belegen. Solche Zweifel können sich aus dem zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Feedback und der Krankmeldung ergeben, insbesondere wenn die Krankmeldung unmittelbar nach dem Feedback erfolgt und der gesamte Zeitraum der vermuteten Arbeitsunfähigkeit abdeckt.
In welchen Fällen ist es gerechtfertigt einen Betriebsarzt zu konsultieren, wenn wir glauben, dass die AU nichts mit Krankheit zu tun hat?
Für die Prüfung der Arbeitsunfähigkeit bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist der Medizinische Dienst der Krankenkassen zuständig und nicht der Betriebsarzt. Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, beim Betriebsarzt vorstellig zu werden oder diesem Dokument zukommen zu lassen.
Koinzidenz - auch wenn der Arbeitnehmer Urlaub anfragt, diesen nicht bekommt und er dann genau für die angefragten Tage eine AU einreicht?
Mit seinem Urteil vom 6. Juli 2024 hat das LAG Niedersachsen den Beweiswert einer vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als erschüttert angesehen, da die Arbeitnehmerin während der attestierten Arbeitsunfähigkeit an einem Lehrgang der Landesturnschule teilgenommen hatte, nachdem ihr Urlaubsantrag für denselben Zeitraum abgelehnt worden war. In der Entscheidung wird deutlich, dass die zeitliche Koinzidenz zwischen abgelehntem Urlaub und dem Zeitraum der AU den Beweiswert der AU erschüttern kann, insbesondere dann, wenn noch weitere Indizien hinzutreten.
Welche Mittel hat der Arbeitgeber, wenn voraussichtlich eine "bedingte" Arbeitsunfähigkeit vorliegt (z.B. wenn AN aus Home Office zumindest einen Teil der Tätigkeiten erledigen könnte), sich aber weiterhin krankschreiben lässt?
Auch in dem Fall, in dem von einer „bedingten“ Arbeitsunfähigkeit auszugehen ist, der Arbeitnehmer sich aber vollständig krankschreiben lässt, ist der Arbeitnehmer zunächst nicht verpflichtet, seine Arbeitsleistung zu erbringen, da er eben krankgeschrieben ist. Dennoch sind die bereits aufgezeigten Vorgehensweisen im Falle eines Verdachts einer unbegründeten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung denkbar.