19. Dezember 2022
Newsflash 59 sec.
Am 15. Dezember hat die deutsche Zeitarbeit mit bangem Blick nach Luxemburg geschaut. Hatte doch der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein wegweisendes Urteil für die deutsche Zeitarbeit zu fällen. In der Sache ging es um nicht weniger als den Fortbestand dieses Personalflexibilisierungsinstruments und damit die Existenz einer ganzen Branche.
Zu entscheiden hatte der EuGH über einige von dem Bundesarbeitsgericht (BAG) vorgelegte Fragen zur Auslegung der Europäischen Zeitarbeitsrichtlinie und zur Vereinbarkeit des deutschen Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) mit dem europäischen Recht. Im Kern ging es um vier Fragen:
Der EuGH hat dem deutschen AÜG im Rahmen seines gestrigen Urteils zunächst ein gutes Zeugnis erteilt: Das AÜG ist europarechtskonform. Zugleich hat er den deutschen Arbeitsgerichten aber aufgegeben, die Zeitarbeitstarifverträge kritisch daraufhin zu überprüfen, ob diese in Summe mit dem Niveau der Arbeits- und Entgeltbedingungen der jeweiligen Kundenbranche vergleichbar sind. Dort wo dies im Einzelfall nicht so ist, gilt laut EuGH der Gleichbehandlungsgrundsatz statt der Tarifbedingungen.
Damit ist ein wichtiges Signal gesetzt, denn der EuGH hat die Tarifverträge des BAP sowie des iGZ grundsätzlich als wirksame Option zur Abweichung vom Gleichbehandlungsgrundsatz anerkannt und lediglich eine Überprüfung im Einzelfall anheimgestellt. Die Zeitarbeitstarifverträge sind demnach nicht insgesamt unwirksam, so wie es ver.di und die sogenannte Däubler-Kampagne in dem der EuGH-Befassung zugrunde liegenden Rechtsstreit über drei Instanzen gelten gemacht hatten.
Bei dem nunmehr vorzunehmenden Einzelfallvergleich ist laut EuGH auch zu berücksichtigen, dass Zeitarbeitnehmer:innen, die unbefristet bei dem Personaldienstleister beschäftigt sind, auch zwischen ihren Kundeneinsätzen durch den jeweiligen Zeitarbeitstarifvertrag abgesichert sind und dessen Arbeits- und Entgeltbedingungen fortgewährt erhalten. In diesem Fall dürfe der Zeitarbeitstarifvertrag – so der EuGH – durchaus in gewissen Grenzen hinter den Arbeits- und Entgeltbedingungen der jeweiligen Kundenbranche zurückbleiben. Das „weniger“ in Einsatzzeiten werde ggf. durch das „mehr“ in verleihfreien Zeiten ausgeglichen. Ob dies jeweils ausreichend ist, ist im Einzelfall anhand eines Gesamtvergleichs zwischen den Arbeits- und Entgeltbedingungen des jeweiligen Zeitarbeitstarifvertrages einerseits und derjenigen des Kunden andererseits zu bestimmen.
Im Hinblick auf lediglich befristet beschäftigte Zeitarbeitnehmer ist der EuGH indes deutlich strenger: Hier müsse in dem Zeitarbeitstarifvertrag selbst jedes „weniger“ gegenüber den Arbeits- und Entgeltbedingungen des Kunden durch ein „mehr“ ausgeglichen werden; weniger Lohn also bspw. durch mehr Urlaub. Soweit dies nicht der Fall sei, könne durch diesen Zeitarbeitstarifvertrag jedenfalls für einen befristet beschäftigten Zeitarbeitnehmer nicht von dem gesetzlichen Gleichbehandlungsgrundsatz abgewichen werden.
Unmittelbare Folgen entstehen durch dieses EuGH-Urteil noch nicht. Zunächst ist das Bundesarbeitsgericht aufgefordert, diese Vorgaben für den dort vorliegenden Einzelfall in die deutsche Gesetzes- und Zeitarbeitssystematik zu übersetzen. Hiermit ist vor Sommer 2023 nicht zu rechnen. Bis dahin sollte auf Seiten der Personaldienstleister jedoch nicht gewartet werden, um die richtigen Schlüsse aus diesen EuGH-Vorgaben zu ziehen.
In unserem HR Coffee Break Special "Wegweisendes EuGH-Urteil für die Zeitarbeit!" erläutern wir nochmals persönlich das Urteil des EuGH und die Folgen für Zeitarbeitsunternehmen und ihre Kunden.
HR Coffee Break Special: Wegweisendes EuGH-Urteil für die Zeitarbeit!
Newsflash Employment/59 seconds
13. March 2025
von mehreren Autoren
Newsflash 59 sec.
4. February 2025
von mehreren Autoren
Newsflash Employment/59 seconds
14. November 2024
von mehreren Autoren
21. October 2024
von mehreren Autoren
18. October 2024
von mehreren Autoren
1. June 2023
Vor wenigen Tagen hat das BAG seine Entscheidungsgründe für ein Urteil um die Zulässigkeit der Abweichung von der gesetzlichen Höchstüberlassungsdauer durch Tarifverträge bzw. Betriebsvereinbarungen veröffentlicht.
3. March 2023
von Dr. Robert Bauer
Das EoR-Modell kann eine Gestaltungsoption für Auslandstätigkeiten Arbeitnehmender sein. Ist die geplante Tätigkeit nach deutschem (Arbeits-)Recht und etwaig anwendbaren ausländischen Rechtsvorschriften zulässig?
3. February 2023
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat seinen Bericht zur „Evaluation des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG)“ veröffentlicht.
16. January 2023
Die Verhandlungen des iGZ und BAP mit den DGB-Gewerkschaften kamen zu einem Abschluss
13. January 2023
von Dr. Robert Bauer
Der EuGH hat entschieden: Das AÜG ist europarechtskonform.
19. December 2022
Das Modell soll Unternehmen die Beschäftigung von Arbeitnehmenden im Ausland erleichtern.
2. December 2022
Dies hat das Bundesarbeitsgericht bestätigt.
15. November 2022
Wann können Zeitarbeitnehmer für Fahrten zum Entleiher eine Entfernungspauschale und wann eine Dienstreise abrechnen?
9. November 2022
von Dr. Anne Förster
Welche Arbeitnehmer, als Gewerkschaftsmitglieder, haben einen Anspruch auf das um den sogenannten „Mitgliedervorteil“ erhöhte Weihnachtsgeld?
28. October 2022
von Dr. Robert Bauer
Ab dem 17. Dezember 2023 gilt die Verpflichtung, ein Hinweisgebersystem einzurichten.
10. October 2022
Bis zum Jahresende soll der Bezug von Kurzarbeitergeld auch für Zeitarbeitnehmer:innen wieder ermöglicht werden.
30. September 2022
Die Arbeitswelt in Deutschland ist stark reguliert, sehr formalistisch sowie auch weiterhin wenig digital.
27. June 2022
Die neuen Spielregeln zum Know-how-Schutz durch Inkrafttreten des Geschäftsgeheimnisgesetzes erfordern von Unternehmen ein Handeln.
6. April 2022
Die Zeitarbeitsbranche ist auch über den 31. März 2022 hinaus berechtigt, Kurzarbeitergeld in Anspruch zu nehmen.
18. March 2022
von Dr. Robert Bauer
Die Regelung des iGZ-Manteltarifvertrags zur Bestimmung der Zuschlagspflicht von Überstunden verstößt gegen Europäisches Recht.
14. January 2022
von Dr. Robert Bauer
Die BA hat ein neues Merkblatt für Leiharbeitnehmer und Leiharbeitnehmerinnen veröffentlicht.
5. November 2021
von Dr. Robert Bauer
Zum 1. Dezember 2021 tritt eine Änderung der Branchenzuschlagstarifverträge für die IG Metall in Kraft.
1. October 2021
von Dr. Robert Bauer
Jetzt zum 59sec. Newsletter anmelden!
Wählen Sie hier aus unserer Vielzahl an Newslettern aus.
Jetzt anmelden!von Dr. Oliver Bertram und Dr. Anne Förster
Wichtigste Fragen aus Sicht der Compliance-, Rechts- und Personalabteilung
von mehreren Autoren