17. Juli 2025
Veröffentlichungsreihe – 7 von 15 Insights
Neben dem regulatorischen Rahmen, den wir in Teil I unseres Fachbeitrags bereits analysiert haben, ist die gestaltungsmäßige und operative Umsetzung eines Carve-outs im A&D-Sektor hochkomplex. Typische Fragen betreffen die Wahl der Transaktionsstruktur, den Umgang mit übergreifenden Strukturen (z. B. Services, IT-Systeme, IP-Rechte) sowie die Behandlung von behördlichen und Regierungsaufträgen. Fehler oder Versäumnisse in diesem Bereich können zu erheblichen Verzögerungen und Kosten führen. Im Folgenden werden die wichtigsten Aspekte einer gelungenen Strukturierung und Entflechtung dargestellt.
Ein zentraler struktureller Gesichtspunkt ist, wie der Carve-out rechtlich vollzogen wird. Grundsätzlich gibt es zwei Ansätze:
Der auszugliedernde Geschäftsbereich wird zunächst in eine eigene Tochtergesellschaft überführt (durch Ausgliederung oder Sachübernahme) und anschließend durch den Verkauf der Anteile an den Käufer übertragen. Die Rechtsträgerschaft der Verträge, Genehmigungen sowie Mitarbeitenden bleibt bei der Gesellschaft unverändert – es wechseln nur die Gesellschafter.
Vorteile: Laufende Verträge (z. B. mit Kunden, Lieferanten, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern) bestehen fort, Lizenz- und Exportgenehmigungen bleiben zunächst gültig, und die operationelle Kontinuität ist einfacher sicherzustellen.
Nachteil: Der Käufer übernimmt das Unternehmen mitsamt aller Verbindlichkeiten, was eine umfassende Due Diligence und ggf. Garantien/Ausgliederungsvereinbarungen erfordert, um Risiken (Altlasten, Pensionsverpflichtungen etc.) abzudecken.
Die einzelnen Vermögenswerte und Verträge des Geschäftsbereichs werden direkt vom bisherigen Eigentümer auf den Erwerber übertragen.
Vorteile: Es können gezielt bestimmte Assets übernommen und problematische Posten ausgeschlossen werden; außerdem bleibt der Altgesellschafter für historische Verbindlichkeiten verantwortlich.
Nachteil: Ein Asset Deal ist operativ äußerst aufwendig – sämtliche Verträge (inkl. Kundenaufträge, Lieferverträge, Leasing, Lizenzen) müssen einzeln übertragen oder neu abgeschlossen werden, oft mit Zustimmung der jeweiligen Vertragspartner. In Deutschland greift bei Betriebsübergängen zwar § 613a BGB, der einen automatischen Übergang der Arbeitsverhältnisse vorsieht, jedoch sind Informationserfordernisse gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Mitbestimmungsgremien zu beachten. Zudem können bestimmte öffentliche Aufträge oder Lizenzen nicht ohne weiteres übertragen werden.
In der Praxis wählen Unternehmen häufig einen Share Deal-Ansatz, da dieser die Komplexität reduziert – insbesondere, wenn es um größere Organisationseinheiten mit hunderten Verträgen und Mitarbeitenden geht. Oft wird ein Carve-out daher so strukturiert, dass zunächst eine interne Ausgliederung in eine GmbH erfolgt und anschließend die Anteile an dieser neuen Einheit verkauft werden. Dennoch ist in jedem Fall ein detaillierter Carve-out-Plan nötig, der sämtliche zu übertragenden Elemente identifiziert, unabhängig von der Deal-Form. Wichtig ist auch zu beachten, dass bei internationalen Konzernen unter Umständen mehrere Jurisdiktionen betroffen sind – z. B. musste Airbus beim Hensoldt-Carve-out den französischen Unternehmensteil separat herauslösen, da dort eigene lokale Vorgaben galten. Die Wahl zwischen Asset und Share Deal sollte stets unter Einbeziehung von steuerlichen Aspekten, Haftungsfragen und regulatorischen Erwägungen.
Carve-outs führen unweigerlich dazu, dass die bislang gemeinsam genutzten Strukturen zwischen Mutterkonzern und ausgegliedertem Bereich entflochten werden müssen. Da dieser Prozess nicht von heute auf morgen abgeschlossen werden kann, spielen Transitional Service Agreements (TSAs) in nahezu jedem Carve-out eine wichtige Rolle. In TSAs wird vereinbart, dass der Alt-Eigentümer für einen bestimmten Zeitraum nach dem Closing noch Dienstleistungen für die ausgegliederte Einheit erbringt – typischerweise in Bereichen wie IT-Betrieb, Buchhaltung, Personalverwaltung, Logistik oder Facility Management. Gerade bei Konzernen, wo viele Support-Funktionen zentralisiert waren, ist die Übergangsphase kritisch, damit das Tagesgeschäft der neuen Einheit nicht leidet.
Wichtig ist, diese Übergangsvereinbarungen vertraglich klar zu definieren: Welche Services werden zu welchen Konditionen bereitgestellt? Wie lange maximal? Welche Service-Level gelten? Erfahrungsgemäß können langwierige TSAs kostspielig werden und die Eigenständigkeit des Carve-out-Unternehmens verzögern. Daher sollte bereits vor Vollzug darauf hingearbeitet werden, eigene Strukturen aufzubauen, wo möglich. Best Practice ist es, kritische Systeme und Prozesse prioritär herauszulösen oder extern neu aufzusetzen, um die Abhängigkeit vom Mutterkonzern möglichst kurz zu halten. Dennoch sind TSAs oft unvermeidbar – dann gilt es sicherzustellen, dass sie auch in einem sensiblen Sektor adäquat funktionieren: z. B. muss geregelt werden, wie IT-Dienstleister des Mutterkonzerns mit vertraulichen Rüstungssachverhalten umgehen, oder wie Zugriffe auf personenbezogene Daten im Einklang mit Datenschutz und Geheimschutz kontrolliert werden. Eine klare Governance für die Übergangszeit (inkl. regelmäßiger Abstimmung zwischen den Firmen) ist hier unerlässlich.
Ein häufiger Stolperstein technischer Natur ist die Entflechtung von geistigem Eigentum (IP) und IT-Infrastruktur. In technologielastigen Branchen wie Aerospace & Defence liegen Patente, Lizenzen, Markenrechte und vertrauliches Know-how oft quer über verschiedene Konzerneinheiten verteilt. Für den Carve-out ist ein gründliches IP-Inventar zu erstellen: Welche Patente oder Software gehören zum auszugliedernden Geschäft? Liegen Mitbenutzungsrechte oder Gemeinschaftsentwicklungen mit dem Mutterkonzern vor? Es muss vertraglich festgelegt werden, welche Rechte mitübertragen werden und wo ggf. dauerhafte Lizenzen eingeräumt werden – etwa wenn der Mutterkonzern gewisse Technologien weiterhin nutzen darf oder der Carve-out auf konzerngehaltene IP angewiesen ist. Ohne klare Regelung drohen später Streitigkeiten oder Lücken in der Nutzungsberechtigung, die das Geschäft der neuen Gesellschaft beeinträchtigen könnten.
Eng damit verbunden ist die IT-seitige Abspaltung. Die ausgegliederte Einheit benötigt in der Regel eine eigene IT-Umgebung, getrennt von den Systemen des bisherigen Konzerns. Oft müssen neue ERP-Systeme, Kommunikationsnetze und Datenbanken eingerichtet werden. Die Migration von Daten ist aufwendig und erfordert gutes Projektmanagement – insbesondere, wenn historische Datenbestände aufgeteilt oder Zugriffsrechte neu zugeschnitten werden müssen. Studien zeigen, dass gerade IT- und ERP-Migrationen besonders teuer und fehleranfällig sind. In der Übergangszeit wird häufig vereinbart, dass die neue Einheit bestimmte Systeme noch mitbenutzen kann (siehe TSAs). Jedoch sollte ein Cut-over Plan existieren, der definiert, wann die vollständige Ablösung erfolgt. Im A&D-Sektor kommt hinzu, dass IT-Systeme mitunter sicherheitszertifiziert sein müssen – diese Zertifizierungen müssen nach der Abspaltung weiterhin gelten oder neu beantragt werden, falls ein eigenständiges System aufgebaut wird. Schließlich darf die Cybersecurity nicht vernachlässigt werden: Während der Carve-out-Phase entstehen Schnittstellen und Übergänge, die anfällig sein können. Es empfiehlt sich, gemeinsam mit den IT- und Sicherheitsabteilungen Schutzmaßnahmen zu ergreifen, damit weder der Mutterkonzern noch das ausgegliederte Unternehmen Opfer von Datenabflüssen oder Cyberangriffen werden.
Viele Unternehmen im Verteidigungssektor arbeiten maßgeblich auf Basis von Verträgen mit staatlichen Kunden (Bundeswehr, andere Behörden oder internationale Organisationen). Solche Government Contracts unterliegen oft besonderen Regeln, etwa in Bezug auf Änderungen in der Auftragsausführung oder den Auftragnehmer selbst. Bei einem Carve-out ist genau zu prüfen, wie öffentliche Aufträge übertragen oder fortgeführt werden können. Im Falle eines Share Deals bleibt der Vertragspartner formal derselbe (die juristische Person), doch sehen viele Regierungsverträge Klauseln zum Kontrollwechsel vor. Dies bedeutet, dass der Auftraggeber informiert werden muss, wenn ein neuer Eigentümer die Kontrolle übernimmt, und er unter Umständen Sonderkündigungsrechte hat, falls der neue Eigentümer als unzuverlässig oder dem Sicherheitsinteresse abträglich angesehen wird. Ein transparenter Dialog mit dem öffentlichen Auftraggeber ist daher ratsam, um Vertrauen in die weiterhin zuverlässige Leistungserbringung zu schaffen – idealerweise bevor der Wechsel publik wird.
Bei einem Asset Deal (oder wenn bestimmte Verträge nicht in die neue Einheit mit übergehen sollen) ist zu beachten, dass öffentliche Aufträge grundsätzlich nicht frei übertragbar sind. Oft ist ein Zustimmungsverfahren vorgesehen oder es muss formal ein Vertragsübergang (Novation) vereinbart werden, dem der Auftraggeber ausdrücklich zustimmt. In einigen Rechtsordnungen – wie den USA – gibt es etablierte Verfahren für eine Novation Agreement bei Regierungsverträgen, im Zuge von Unternehmensübernahmen; in Deutschland ist man auf die vertragliche Zustimmung und ggf. vergaberechtliche Zulässigkeit angewiesen. So oder so muss genug Zeit eingeplant werden, um die Genehmigung der Auftraggeber einzuholen. Kein Beschaffungsamt möchte überrascht werden, dass sein Vertragspartner plötzlich ein anderer ist – schon gar nicht in sicherheitskritischen Projekten. Daher gehören öffentliche Kunden frühzeitig eingebunden: Sie sollten über den beabsichtigten Carve-out informiert werden (unter Wahrung von Vertraulichkeit), und es sollte erläutert werden, wie die Vertragserfüllung in Zukunft gewährleistet bleibt (z. B. durch den Verbleib des Kern-Personals, durch Garantien der Muttergesellschaft für eine Übergangszeit oder durch die Präsentation des neuen Eigentümers). Erfahrungsgemäß zeigen sich öffentliche Auftraggeber kooperativ, wenn sie sehen, dass ihre Interessen gewahrt bleiben – etwa, dass keine sicherheitsrelevanten Fähigkeiten verlorengehen oder ins Ausland abfließen. Dennoch sind diese Abstimmungen oft langwierig, sodass sie integraler Bestandteil des Carve-out-Projektplans sein müssen.
Staat und Politik spielen im A&D-Sektor traditionell eine große Rolle – nicht nur als Regulierer und Kunde, sondern teils auch als Eigentümer oder zumindest Mitsprachesteller bei Unternehmensstrukturen. Daher sollten Carve-out-Planungen stets die staatlichen Beteiligungs- und Governance-Aspekte berücksichtigen, die auftreten können.
In einigen Fällen hält der Staat direkt Anteile an Unternehmen der Rüstungs-, Luft- und Raumfahrtindustrie (oder erwirbt solche im Zuge der Transaktion, wie das Beispiel Hensoldt zeigt). Ein Carve-out aus einem Unternehmen mit staatlicher Beteiligung erfordert in der Regel die Zustimmung des öffentlichen Gesellschafters. Hier sind neben den wirtschaftlichen auch politische Gesichtspunkte relevant. Die öffentlichen Hände achten darauf, dass ein Carve-out nicht zu einem Verlust strategischer Einflussmöglichkeiten führt. So könnte der Staat verlangen, im ausgegliederten Unternehmen weiterhin eine Minderheitsbeteiligung mit Sperrrechten zu halten, um z.B. bei wichtigen Entscheidungen ein Vetorecht zu haben. Die 25,1 %-Beteiligung der KfW an Hensoldt, die dem Bund eine Blockademöglichkeit in Hauptversammlungsentscheidungen gibt, ist hierfür ein Musterbeispiel. Ähnlich handhabte es früher das Vereinigte Königreich bei Rüstungsunternehmen durch sogenannte “Golden Shares”, die dem Staat Vetorechte in bestimmten strategischen Fragen sicherten – ein Konzept, das auf EU-Ebene allerdings kritisch gesehen wird.
Auch indirekte Einflussnahme ist ein Thema: Manche Rüstungsunternehmen unterliegen speziellen Governance-Vorgaben, die durch Regierungsauflagen oder Gesetze begründet sind, selbst wenn kein Staatsanteil besteht. Beispielsweise kann vorgeschrieben sein, dass bestimmte Vorstandsposten mit Sicherheitsfreigabe besetzt sein müssen, oder dass bei internationalen Joint Ventures im Rüstungsbereich nur Inländer Zugriff auf bestimmte Technologien haben dürfen. Wenn ein Teilgeschäft aus so einem Konstrukt herausgelöst wird, müssen diese Governance-Regeln neu gedacht werden. Es stellt sich z.B. die Frage, ob das ausgegliederte Unternehmen eigene Compliance-Strukturen (z. B. einen Geheimschutzbeauftragten, Exportkontrollbeauftragten etc.) vorhalten muss und wie die Zusammenarbeit mit Behörden geregelt wird. In einigen Fällen gibt es vertragliche Public Security Agreements zwischen Unternehmen und Staat, die sicherstellen sollen, dass auch bei veränderten Eigentumsverhältnissen die Belange der nationalen Sicherheit gewahrt bleiben. Solche Absprachen können Auflagen über Standorttreue, Beschränkung von Informationsabfluss ins Ausland oder Zustimmungsvorbehalte bei Weiterveräußerungen enthalten.
Für Investoren bedeutet dies, dass im A&D-Bereich die Transparenz gegenüber dem Staat unverzichtbar ist. Es ist ratsam, schon vor einer Transaktion auszuloten, ob der Staat Beteiligungswünsche hat (z.B. über staatliche Förderbanken oder teilverstaatlichte Rüstungskonzerne) oder ob bestimmte steuernde Eingriffe zu erwarten sind. In Deutschland stimmen sich z.B. das Bundeswirtschaftsministerium und das Verteidigungsministerium eng ab, wenn sicherheitsrelevante Unternehmenstransaktionen anstehen. Das Ergebnis kann auch sein, dass der Staat inoffiziell signalisiert, welcher Käuferkreis akzeptabel ist. Für den Erfolg eines Carve-outs ist es entscheidend, dieses politische Umfeld richtig einzuschätzen und in der Struktur (etwa durch geeignete Governance-Zugeständnisse im Kaufvertrag oder Aktionärsvereinbarung) zu berücksichtigen. Eine aktive Kommunikation mit der Regierung – soweit zulässig – kann helfen, Vertrauen in die Transaktion aufzubauen. Gelingt dies, können staatliche Akteure sogar unterstützend wirken, etwa durch schnelle Genehmigungen oder politische Flankierung bei heiklen Entscheidungen.
In Teil III von Carve-outs im Aerospace & Defence Sektor beleuchten wir die Erfolgsfaktoren bei der Vorbereitung und Durchführung von Carve-outs.
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