9. Juli 2025
Veröffentlichungsreihe – 8 von 15 Insights
Carve-outs – also die Ausgliederung und mögliche Veräußerung eines Unternehmensteils – gewinnen im Aerospace und Defence (A&D) Sektor zunehmend an Bedeutung. Gerade etablierte Rüstungs-, Luft- und Raumfahrtunternehmen stehen vor der Frage, wie sie ihr Portfolio optimieren und auf Kernbereiche fokussieren können. Ebenso interessieren sich Investoren (wie Private-Equity-Häuser oder Industriegruppen) verstärkt für ausgegliederte Sparten aus Konzernen. In unserem dreiteiligen Fachbeitrag beleuchten wir die typischen rechtlichen und praktischen Herausforderungen bei Carve-out-Transaktionen im A&D-Sektor. Im Vordergrund stehen regulatorische Hürden sowie strategische Erfolgsfaktoren, die für eine gelungene Vorbereitung und Umsetzung solcher Transaktionen entscheidend sind.
Die Entscheidung für einen Carve-out wird meist von strategischen Erwägungen getrieben. Oft möchten große Konzerne ihren Fokus auf das Kerngeschäft schärfen. Angesichts von steigendem Wettbewerbsdruck, regulatorischen Anforderungen und hohen Shareholder-Erwartungen müssen Unternehmen fortlaufend prüfen, welche Geschäftsbereiche nachhaltig Wert schaffen und welche lediglich Ressourcen binden, ohne strategisch essenziell zu sein. Eine Ausgliederung kann es ermöglichen, sich von nicht zum Kerngeschäft zählenden Sparten zu trennen und so Managementkapazitäten und Kapital gezielt auf die wichtigsten Geschäftsbereiche zu konzentrieren.
Zugleich können Carve-outs finanzielle Gründe haben. Durch den Verkauf einer Sparte lässt sich Kapital für Investitionen oder Schuldenabbau generieren und der Unternehmenswert steigern. In einigen Fällen streben Konzerne auch an, einen ausgegliederten Bereich an die Börse zu bringen oder einen strategischen Partner hereinzuholen. So können Wertpotenziale gehoben werden, die innerhalb des diversifizierten Großkonzerns verborgen blieben (unlocking hidden value).
Im A&D-Sektor kommen spezifische Treiber hinzu: Häufig erfordern technologische Umbrüche oder Marktveränderungen eine Neuausrichtung. Beispielsweise könnte ein Rüstungskonzern entscheiden, zivile Geschäftsbereiche auszugliedern (oder umgekehrt), um in beiden Bereichen fokussierter agieren zu können. Auch die Entwicklung der Verteidigungshaushalte spielt eine Rolle – in Zeiten sinkender Budgets wurden in der Vergangenheit Teilgeschäfte abgestoßen, während in Phasen hoher Rüstungsnachfrage (wie derzeit in Europa) Unternehmen Sparten ausgliedern, um Partnerschaften einzugehen oder eine zusätzliche Finanzierung für Wachstum zu erhalten. Ein prominentes Beispiel ist Airbus: Der Luft- und Raumfahrtkonzern hat 2017 sein Verteidigungselektronik-Geschäft (heute Hensoldt) ausgegliedert und an einen Investor verkauft, um das eigene Portfolio zu straffen und sich auf andere Verteidigungsfelder zu fokussieren. Dieser Schritt wurde als strategische Rationalisierung der Defence-Aktivitäten begründet und verschaffte Airbus größere finanzielle Flexibilität sowie eine klarere Ausrichtung auf Kernprodukte.
Der A&D-Sektor unterliegt besonders strenger Regulierung. Insbesondere drei Bereiche müssen frühzeitig beachtet werden: Exportkontrollrecht, Geheimschutz/Sicherheitsüberprüfungen und die Investitionskontrolle bei ausländischen Direktinvestitionen (FDI-Screening).
Waffen, Verteidigungsgüter und selbst viele Luft- und Raumfahrtprodukte unterliegen nationalen und internationalen Exportkontrollen. Ein Carve-out in diesem Sektor bedarf daher einer genauen Prüfung aller Exportgenehmigungen und -auflagen. Unternehmen müssen sicherstellen, dass die ausgegliederte Einheit weiterhin alle erforderlichen Ausfuhrgenehmigungen besitzt, um ihre Produkte exportieren zu dürfen – unabhängig davon, ob sie im Zuge der Transaktion einen neuen Eigentümer erhält. Insbesondere bei einem Asset Deal besteht das Risiko, dass Exportlizenzen neu beantragt werden müssen, da diese in der Regel nicht automatisch auf den Erwerber übergehen. Bei einem Share Deal bleiben bestehende Genehmigungen zwar zunächst beim Unternehmen, doch kann ein Wechsel in der Eigentümerstruktur ebenfalls melde- oder genehmigungspflichtig sein.
Hinzu kommt: In Carve-out-Projekten findet oft ein umfangreicher Technologie- und Datentransfer statt – z.B. müssen im Rahmen der Due Diligence vertrauliche technische Unterlagen potenziellen Käufern gezeigt werden. Hier ist größte Sorgfalt walten zu lassen, damit keine Exportkontrollverstöße begangen werden. Ggf. sind Behördenkontakte erforderlich, um etwa Genehmigungen für die Weitergabe von Rüstungsgut-Informationen an ausländische Bieter einzuholen oder bestimmte Technologien vorübergehend auszuklammern. In Fällen, in denen US-Technologie (ITAR-regulierte Güter) im Spiel ist, kann sogar eine Zustimmung der US-Behörden für den Eigentümerwechsel verlangt sein. Eine frühzeitige Einbindung von Exportkontrollbeauftragten und die Erstellung eines sauberen Übergabeplans (inklusive möglicher Neuerteilungen von Lizenzen auf das künftige Unternehmen) sind daher essenziell, um den Betrieb nahtlos fortführen zu können.
Viele Rüstungsprojekte sind geheimhaltungsbedürftig – beteiligte Unternehmen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigen Sicherheitsfreigaben nach dem deutschen Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG) oder vergleichbaren Regeln anderer Länder. Ein Carve-out darf diese Geheimschutz-Anforderungen nicht gefährden. Veränderungen in der Eigentümer- oder Kontrollstruktur eines Rüstungsunternehmens müssen daher oftmals den zuständigen Sicherheitsbehörden gemeldet werden. So kann es erforderlich sein, dass neue Gesellschafter, Geschäftsführer oder Aufsichtsräte einer personenbezogenen Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden, bevor sie Zugang zu als VS-Vertraulich oder höher eingestuften Informationen erhalten. Im Extremfall müssen ausländische Investoren vom Zugang zu bestimmten streng geheimen Projekten ausgeschlossen oder komplexe Trust-Konstruktionen implementiert werden, um den Geheimnisschutz zu wahren (z. B. Einrichtung einer Treuhandlösung oder Black Box, wie man es aus den USA als FOCI-Mitigation kennt).
Schon in der Due-Diligence-Phase kann sich die Frage stellen, wie geheime oder nur für „deutsche Augen“ bestimmte Informationen potenziellen Käufern präsentiert werden (Stichwort Clean Team oder verwässerte Daten). Nach Vollzug der Transaktion muss gewährleistet sein, dass die betrieblichen Geheimschutzauflagen (z. B. bestellte Sicherheitsbeauftragte, sichere IT-Systeme, abgeschottete Bereiche) auch im neuen Setup erfüllt werden. Hier ist zu bedenken, dass Sicherheitsfreigaben zeitaufwändig sind – Hintergrundüberprüfungen von Personen („Ü1/Ü2“) oder Betriebsteilen dauern in der Praxis oft viele Wochen oder gar Monate. Dies kann zu einem echten Engpass werden, wenn etwa dringend zusätzliches Personal benötigt wird oder neue Anteilseigner erst nach positiver Überprüfung umfassende Informationsrechte wahrnehmen dürfen. Die Bundesvereinigung der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) weist explizit darauf hin, dass solche Background-Checks aktuell zu lange dauern und für die wachsende Rüstungsproduktion beschleunigt werden müssten. Folglich sollte ein Unternehmen bei Carve-outs im Verteidigungsbereich frühzeitig mit den Sicherheitsbehörden in Kontakt treten, um Verzögerungen bei Freigaben zu vermeiden. Im Sinne der Transaktionssicherheit empfiehlt es sich, vertragliche Closing-Bedingungen vorzusehen, die klar regeln, welche behördlichen Sicherheitszustimmungen vorliegen müssen, bevor der Übergang wirksam wird.
Ein dritter kritischer Faktor ist die Investitionskontrolle bei ausländischen Beteiligungen. Nahezu alle EU-Staaten – und insbesondere Deutschland – haben in den letzten Jahren ihre FDI-Screening-Verfahren im Sicherheits- und Verteidigungssektor deutlich verschärft. Übernimmt ein Investor von außerhalb der EU/EFTA mehr als 10 % der Anteile an einem deutschen Rüstungsunternehmen (oder an einer ausgegliederten Defence-Sparte), muss dies dem Bundeswirtschaftsministerium gemeldet und genehmigt werden. Die Prüfung erfolgt teils schon bei geringeren Schwellen, wenn bestimmte kritische Technologien betroffen sind. Deutschland hat 2021/2022 den Katalog sicherheitsrelevanter Tätigkeiten erheblich ausgeweitet – seitdem fallen alle Rüstungsgüter der Ausfuhrliste (Teil I A) unter die sektorspezifische Kontrolle. Zuvor war nur der Erwerb einzelner besonders sensibler Rüstungsgüter erfasst; nun bedarf praktisch jede Beteiligung an Wehrtechnik einer Freigabe. Zudem wurde der Prüfmaßstab abgesenkt: Es reicht bereits die voraussichtliche Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit (anstelle eines konkreten Nachweises einer Gefährdung) als Untersagungsgrund. Diese strengeren Regeln geben den Behörden mehr Spielraum, Transaktionen mit potenziell kritischen Sicherheitsauswirkungen aufzuhalten oder mit Auflagen zu versehen.
In der Praxis bedeutet dies: Bei einem geplanten Carve-out-Verkauf an ausländische Investoren muss frühzeitig ein Investitionsprüfverfahren eingeplant werden. Die Dauer kann mehrere Monate betragen, insbesondere falls eine vertiefte Prüfung (Phase 2) eingeleitet wird. Um Risiken zu minimieren, wählen Unternehmen im Defence-Sektor als Käufer oft bevorzugt europäische (oder NATO-) Investoren. Alternativ werden Strukturierungsmaßnahmen ergriffen, z. B. Beteiligung eines staatlichen oder heimischen Partners als Minderheit, um Bedenken zu zerstreuen. Ein eindrückliches Beispiel lieferte 2021 die Hensoldt AG (aus dem oben genannten Airbus-Carve-out entstanden): Hier erwarb die bundeseigene KfW-Bank 25,1 % der Anteile, was der Bundesregierung eine Sperrminorität sicherte. Die Regierung hatte sich zu diesem Schritt entschlossen, um zu verhindern, dass sich „unfreundliche Mächte“ Zugriff auf sensible Technologien (etwa Sensorik und Verschlüsselung) verschaffen. Dieses Beispiel zeigt, dass der Staat notfalls direkt eingreift, wenn er die nationale Sicherheitsvorsorge gefährdet sieht. Für Transaktionsbeteiligte heißt das, sie sollten im Vorfeld offen mit den Behörden kommunizieren, transparente Ownership-Strukturen vorlegen und ggf. Zusicherungen abgeben (z. B. zum Erhalt deutscher Standorte oder Technologien), um eine Freigabe zu erhalten. Bedingungen wie langfristige Standortsicherung, Beschränkung von Informationszugriffen für bestimmte Anteilseigner oder die Zusammensetzung des Managements können mögliche Auflagen sein, mit denen man im Signing/Closing-Prozess rechnen sollte.
In Teil II von Carve-outs im Aerospace & Defence Sektor widmen wir uns der Strukturierung der Transaktion und der operativen Entflechtung. In Teil III von Carve-outs im Aerospace & Defence Sektor beleuchten wir die Erfolgsfaktoren bei der Vorbereitung und Durchführung von Carve-outs.
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