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Dr. Thorsten Troge

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11. Oktober 2023

Newsletter Marke Design Wettbewerb Oktober 23 – 5 von 9 Insights

Verbandsklagegesetz endgültig verabschiedet: Die neue Abhilfeklage kommt – neue Haftungsrisiken für Unternehmen bei UWG-Verstößen?

  • Briefing

Jetzt ging alles ganz schnell. Nachdem Deutschland es zunächst versäumte, die EU-Verbandsklagen-Richtlinie bis Ende 2022 umzusetzen, und der Regierungsentwurf des Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetzes (VDuG) nach kurzer Diskussion im Bundestag vor der Sommerpause im Juni 2023 verabschiedet wurde, ist nun auch die Mitwirkung des Bundesrats abgeschlossen.

Der Bundesrat verzichtete erst jüngst, am 29. September 2023, auf einen Einspruch. Es bedarf somit nur noch der Verkündung im Bundesgesetzblatt, bis das neue Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz in Kraft tritt. Einen Überblick über die neue Verbandsklage und die mit dem Gesetz verbundenen Neuerungen haben wir an anderer Stelle vor ein paar Wochen gegeben. In dem vorliegenden Beitrag wollen wir nun einen Blick darauf werfen, welche Folgen die mit dem neuen Gesetz eingeführten Verbandsklagen für lauterkeitsrechtliche Ansprüche gegenüber Unternehmen haben werden – also für Ansprüche, die typischerweise von Verbänden über das Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG) und das Unterlassungsklagegesetz (UKlaG) geltend gemacht werden wie z.B. Ansprüche wegen irreführender Werbung, unzulässiger Preiswerbung, der Verletzung von verbraucherrechtlichen Informationspflichten oder Verstößen gegen AGB-Recht. Besonderes Augenmerk verdient dabei die mit dem Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz eingeführte Abhilfeklage, die u.a. eine kollektive Zahlungsforderung durch die Verbände erlaubt.

Bisherige Situation: Massenhafte Verbraucherrechtsdurchsetzung mühsam

Auf kollektiver Ebene sahen sich Unternehmen für den Fall von massenhaften Verletzungen von Verbraucherinteressen bisher hauptsächlich sog. Musterfeststellungsklagen ausgesetzt. Mit dieser 2018 vor allem für die Diesel-Fälle ins Prozessrecht eingeführten Musterfeststellungsklage können Verbraucherschutzverbände für eine große Anzahl von Verbrauchern gerichtlich feststellen lassen, ob die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die geltend gemachten Ansprüche vorliegen (§ 606 Abs. 1 S. 1 ZPO), z.B. die Forderungen nach Schadensersatz in den Diesel-Fällen oder für Rückforderungen bei unwirksamen Preiserhöhungen bei bestehenden Preisgarantien im Bereich der Grundversorgung. Die Verbraucher müssen sich vorher für die Klage registrieren. Allerdings sind sie auch nach dem Obsiegen des Verbands noch darauf angewiesen, etwaige (Zahlungs-)Ansprüche in einem nachgelagerten individuellen Klageverfahren geltend zu machen (soweit sie nicht einem etwaigen Vergleich mit dem beklagten Unternehmen beitreten).

Auf individueller Ebene konnten Verbraucher ihre (Schadensersatz-)Ansprüche natürlich schon immer gerichtlich gegen Unternehmen geltend machen, soweit sie einen persönlichen Schaden erlitten haben. Insbesondere bei kleineren Beträgen sahen Verbraucher jedoch in der Regel wegen des Prozessrisikos und des außer Verhältnis stehenden Aufwands davon ab, etwaige Schadensersatz- oder Rückforderungsansprüche gerichtlich geltend zu machen.

Zusätzlich sind Unternehmen bereits seit 2004 Gewinnabschöpfungsansprüchen gemäß § 10 Abs. 1 UWG ausgesetzt. Diese können Verbände geltend machen, wenn Unternehmen durch ihr wettbewerbswidriges Verhalten vorsätzlich und unlauter zu Lasten einer Vielzahl von Abnehmern einen Gewinn erzielten. Solche Gewinnabschöpfungsverfahren waren jedoch für Verbraucherverbände in der Praxis aus mehreren Gründen unattraktiv. So sind schon die materiellen Anspruchsvoraussetzungen recht hoch, die oft hohen Streitwerte haben ein nicht unerhebliches Prozessrisiko zur Folge und es gibt keinen finanziellen Anreiz, da die Auskehrung der Gewinne im Erfolgsfall an den Bundeshaushalt erfolgte.

Neu: Kollektive Leistungsklage der Verbände für Verbraucheransprüche

Die bisher skizzierte Situation ändert sich nun erheblich durch die Einführung des Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetzes. Verbänden steht nun prozessual eine Verbandsklage zur Verfügung, mit der „die Verurteilung des Unternehmers zu einer Leistung an die betroffenen Verbraucher“ begehrt werden kann (vgl. § 14 VDuG). Mit dieser sog. Abhilfeklage entfällt also der umständliche zweite Schritt der konkreten Einforderung der Geldforderung (oder anderen Leistung wie Nachbesserung) durch Einzelklagen der Verbraucher nach einer erfolgreichen Musterfeststellungsklage. Mit der Abhilfeklage, für die ebenfalls die Oberlandesgerichte erstinstanzlich zuständig sind, wird nicht nur der Rechtsanspruch festgestellt, sondern auch die Leistung an die Verbraucher ausgeurteilt, also insbesondere die Summe, die das Unternehmen an die Verbraucher zahlen muss.

Voraussetzung für ein solche kollektive Leistungsklage ist vor allem, dass 

  • es sich um bürgerliche Rechtsstreitigkeiten von Ansprüchen von Verbrauchern gegen einen Unternehmer handelt (§ 1 Abs. 1 VDuG); 
  • Ansprüche von mindestens 50 Verbrauchern betroffen sind (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 VDuG); und 
  • es sich um gleichartige Ansprüche handelt (§ 15 Abs. 1 VDuG).

Weitere Vorteile gegenüber der bisherigen Musterfeststellungsklage liegen in der Vereinfachung der Teilnahme: Verbraucher können sich noch bis zu drei Wochen nach Schluss der mündlichen Verhandlung für die Klage registrieren (§ 46 Abs. 1 VDuG) – Verbraucher stehen insofern nicht unter zeitlichem Druck, sich für die Verbandsklage zu entscheiden, und Verbände können noch nach der mündlichen Verhandlung unter Verweis auf einen sich abzeichnenden positiven Ausgang des Verfahrens weitere Verbraucher für die laufende Verbandsklage werben. Für betroffene Unternehmen bedeutet dies allerdings auch, dass nach Einreichung der Verbandsklage für eine lange Zeit nicht absehbar ist, in welcher Höhe am Ende ausgeurteilte Forderungen drohen. Verbänden wurde allerdings – zur Vermeidung „amerikanischer Verhältnisse“ – einige Hürden auferlegt, die eine künftige Masse von Abhilfeklagen unwahrscheinlich werden lassen. So ist etwa die Finanzierung der aufwendigen Abhilfeklagen durch Prozessfinanzierer nur unter ganz bestimmten, engen Voraussetzungen möglich: Es dürfen u.a. nicht mehr als 10% der Erlössumme an etwaige Prozessfinanzierer ausgekehrt werden (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 3 VDuG) – obwohl 25-35% eher marktüblich sind und Klagen erst dann für Prozessfinanzierer interessant werden.

Stärkung der Rechte der Verbraucher – Neues Haftungsrisiko für Unternehmen

Die grundsätzlichen Vorteile für Verbraucher liegen auf der Hand: Sie können sich ohne große Hürden und ohne Prozessrisiko einer Abhilfeklage auch noch spät anschließen. Insbesondere bei guten Erfolgsaussichten bei auf Zahlung gerichteten Klagen dürfte der Anreiz für Verbraucher besonders groß sein, sich ohne großen Aufwand und ohne Risiko auch kurzfristig noch einer solchen Abhilfeklage anzuschließen. Der erst im Mai 2022 eingeführte Individualschadensersatzanspruch im UWG für Verbraucher (§ 9 Abs. 2 UWG), der bisher eher ein Schattendasein führte, gewinnt jetzt eine eigene Bedeutung, weil er kollektive Schadensersatzansprüche im Lauterkeitsrecht auch in solchen Fällen erlaubt, in denen keine vertraglichen Ansprüche der geschädigten Verbraucher bestehen.

Für Unternehmen bedeutet dies vor allem, dass in Fällen massenhafter Verstöße rein faktisch das Risiko gestiegen ist, nicht nur auf Unterlassung, sondern auch auf Zahlung in Anspruch genommen zu werden. Wurden UWG-Verstöße von den Verbänden bisher zumeist nur als Unterlassungsklagen verfolgt – was auch weiterhin möglich sein wird –, drohen Unternehmen nun realistisch auch hohe Zahlungsforderungen durch die Summierung der kollektiven Forderung vieler ggf. auch nur kleiner Beträge. Man muss sich nur vorstellen, dass bei einem massenhaft vertriebenen Produkt die Verbraucher durch irreführende Werbung getäuscht wurden und nun eine Vielzahl Rückforderungen oder anteilige Schadensersatzforderungen drohen, die von Verbänden gebündelt und im Wege der Abhilfeklage eingefordert werden. Ein weiterer absehbarer Anwendungsfall sind unwirksame Preiserhöhungen für laufende Verträge, die zu hohen kollektiven Rückforderungen führen können – bei Einzelbeträgen, die Verbraucher wegen der geringen Höhe wohl kaum allein rechtlich geltend gemacht hätten.

Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Abhilfeklage im Gegensatz zur Musterfeststellungsklage für Verbraucher deutlich attraktiver wird, insbesondere weil es kein gerichtliches Folgeverfahren zur Befriedigung der Verbraucher bedarf. Sie schätzt daher, dass sich durchschnittlich 3.000 Verbraucher für ein solches Abhilfeverfahren anmelden werden. Für die Musterfeststellungsverfahren geht die Bundesregierung weiter von durchschnittlich 1.500 Anmeldungen aus. Vor allem rechnet die Bundesregierung künftig mit 15 Abhilfeklagen pro Jahr (siehe Gesetzesbegründung (S. 73)).

Es bleibt abzuwarten, wie das Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz in der Praxis bei den Verbänden Anklang finden wird und ob die bestehenden Hürden der Finanzierung der Massenverfahren die Verbände davon abhalten werden, mehr als einige wenige Verfahren pro Jahr anzustreben. Die nächsten Monate und ersten Entscheidungen werden zeigen, ob auf Unternehmen in Deutschland eine Kollektivklagewelle zukommt, oder – wie schon bisher über die Musterfeststellungsklage – einige wenige Leuchtturmverfahren vor allem einen abschreckenden Charakter auf Unternehmen haben werden. Einige Verbände haben bereits angekündigt, unmittelbar nach Inkrafttreten des Gesetzes über erste Verbandsklagen nach dem neuen Gesetz zu entscheiden – es wird also bald losgehen.

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