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8. Oktober 2023

Newsletter Marke Design Wettbewerb Oktober 23 – 2 von 9 Insights

EuGH zum Gerichtsstand der Verletzungshandlung bei kostenpflichtigen Suchmaschinenverweisen und Meta-Tags (Lännen MCE)

  • Briefing

Co-Autor: Julian Franke

In grenzüberschreitenden Markenverletzungsverfahren stellt sich dem Markeninhaber zu Beginn des Verfahrens die Frage, bei welchem Gericht er klagen kann bzw. muss. Nach Art. 125 Abs. 5 Unionsmarkenverordnung (UMV) sind – neben dem Unionsmarkengericht am Wohnort bzw. der Niederlassung des Unionsmarkeninhabers – auch die Gerichte desjenigen Mitgliedstaats international zuständig, in dem die Verletzungshandlung begangen worden ist.

Bei mittels Werbung im Internet begangenen Verletzungshandlungen hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits 2011 entschieden, dass die Verletzungshandlung in demjenigen Mitgliedstaat begangen wird, in dem sich die Personen befinden, an die sich die Werbung richtet (EuGH, Urteil vom 12. Juli 2011, Rs. C-324/09, Rn. 62 f. – L’Oréal; darauf verweisend EuGH, Urteil vom 5. September 2019, Rs. C-172/18, Rn. 47 – AMS Neve). Im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens auf Vorlage des Markkinaoikeus (finnisches Unionsmarkengericht erster Instanz) befasste sich der EuGH nun erneut mit der Auslegung des Art. 125 Abs. 5 UMV, dieses Mal im Kontext von kostenpflichtigen Suchmaschinenverweisen auf länderspezifische Top-Level-Domains von EU-Mitgliedstaaten (hier „.fi“), sowie Meta-Tags auf generische Top-Level-Domains ohne nationalen Bezug (hier „.com“) (EuGH, Urteil vom 27. April 2023, Rs. C-104/22 – Lännen MCE).

Worum ging es im Ausgangsverfahren?

Der Vorlage liegt ein Rechtsstreit zwischen der finnischen Holdinggesellschaft Lännen MCE Oy (nachfolgend „Lännen“) und den beiden zusammengehörenden deutschen Gesellschaften Berky GmbH (nachfolgend „Berky“) und Senwatec GmbH & Co. KG (nachfolgend „Senwatec“) zu Grunde. Lännen produziert und verkauft Nutzmaschinen, u.a. Bagger, Berky und Senwatec stellen Nutzfahrzeuge und Spezialboote her. Gegenstand des Verfahrens war die Unionswortmarke „WATERMASTER“ unter der Lännen schwimmfähige Bagger vertreibt. Lännen erhob Verletzungsklage gegen Senwatec und Berky und machte zwei Verletzungshandlungen geltend: So soll zum einen Senwatec unter einer nationalen Top-Level-Domain („www.google.fi“) einen kostenpflichtigen Suchmaschinenverweis verwendet haben, durch den Google-Adwords-Werbeanzeigen für die Waren von Senwatec angezeigt wurden, sobald über die finnische Google-Seite „Watermaster“ gesucht wurde. Einen Hinweis auf Finnland oder ein generelles Liefergebiet beinhalteten die Werbeanzeigen nicht. Auf der verlinkten Seite wurde in einem Text auf die weltweite Nutzung von Senwatec-Produkten hingewiesen, zudem wurde auf einer illustrierten Weltkarte farblich hervorgehoben, dass Finnland nicht zu den Ländern gehöre, in denen Senwatec tätig ist. Zum anderen warf Lännen Berky die Nutzung von Meta-Tags vor, die es Internet-Suchmaschinen ermöglichen, Bilder besser zu identifizieren. Lännen trug vor, Berky habe für Bilder von eigenen Produkten auf der Foto-Sharing-Website „www.flickr.com“ Meta-Tags mit dem Schlüsselwort „Watermaster“ verwendet. Zwar handelt es sich bei „www.flickr.com“ um eine generische Top-Level-Domain ohne nationalen Bezug, durch die Meta-Tags seien jedoch bei der Suche auf der Google-Seite mit finnischer Top-Level-Domain („www.google.fi“) Bilder von Produkten Berkys als Suchergebnis angezeigt worden. Die Texte unter den Bildern auf „www.flickr.com“ enthielten den Namen des jeweiligen Produktes, sowie die Modellnummer, zudem sei das Logo von Berky abgebildet worden. Lännen ist der Ansicht, dass sich diese Internet-Marketingaktivitäten von Senwatec und Berky geographisch auf Finnland beziehen und für finnische Verbraucher und Händler sichtbar gewesen seien. Darüber hinaus würden die Produkte weltweit verkauft und sei die englischsprachige Werbung an ein internationales Publikum adressiert. Im Ergebnis sei das finnische Unionsmarkengericht zuständig.

Was regelt Art. 125 Abs. 5 UMV?

Art. 125 Abs. 5 UMV begründet einen Gerichtsstand in dem Mitgliedstaat, in dem eine Verletzungshandlung begangen worden ist oder eine solche droht. Nach der Rechtsprechung des EuGH gilt die Verletzungshandlung bei Markenverletzungen mittels elektronischer Werbung (also z.B. wie hier über das Internet), als in demjenigen Hoheitsgebiet begangen, in dem sich die Verbraucher und Händler befinden, an die sich die Werbung und Verkaufsangebote richten (so grundlegend EuGH, Urteil vom 5. September 2019, Rs. C-172/18, Rn. 47 – AMS Neve unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 12. Juli 2011, Rs. C-324/09, Rn. 63 – L’Oréal).

Worüber musste nun der EuGH entscheiden?

Nach der Vorlagefrage des finnischen Unionsmarkengerichts sollte der EuGH beurteilen, ob sich in der vorliegenden Fallkonstellation die Werbung im Sinne der Rechtsprechung zu AMS Neve an Verbraucher oder Händler in einem Mitgliedstaat richtet und sich damit dort ein Gerichtsstand der Verletzungshandlung i.S.d. Art. 125 Abs. 5 UMV begründen lässt. Mithin ging es zunächst um die Frage, ob Art. 125 Abs. 5 UMV anwendbar ist, wenn in elektronischen Werbeanzeigen (hier in Form von als „Werbung“ gekennzeichneten kostenpflichtigen Suchmaschinenverweisen auf „www.google.fi“) oder damit verlinkten Websites des Werbenden das geografische Liefergebiet der Waren nicht präzisiert ist bzw. kein (einzelner) Mitgliedstaat ausdrücklich vom Liefergebiet ausgenommen ist.

Darüber hinaus sollte der EuGH klären, ob sich Werbung bereits dann an Verbraucher oder Händler in einem Mitgliedstaat richtet, wenn die Werbung auf einer Suchmaschinen-Website angezeigt wird, die unter der nationalen Top-Level-Domain dieses Mitgliedstaates betrieben wird (hier in Form von Bildern von „www.flickr.com“, die aufgrund von Meta-Tags auf „www.google.fi“ als Suchergebnis erscheinen).

Entscheidung des EuGH: Kostenpflichtige Suchmaschinenverweise reichen aus, Meta-Tags auf generischen Top-Level-Domains genügen nicht

Im Falle der kostenpflichtigen Suchmaschinenverweise bestätigt der EuGH die Anwendbarkeit des Art. 125 Abs. 5 UMV. Das Setzen bzw. der kostenpflichtige Erwerb solcher Verweise stelle ein relevantes aktives Verhalten eines Unternehmens im Hinblick auf das Gebiet eines Mitgliedstaates dar. Das Unionsmarkengericht eines Mitgliedstaates sei daher zuständig, wenn ein identisches Zeichen in online angezeigten Werbungen oder Verkaufsangeboten für ähnliche oder identische Waren in Form eines kostenpflichtigen Suchmaschinenverweises auf der Internetseite einer Suchmaschine mit nationaler Top-Level-Domain dieses Mitgliedstaates benutzt wurde. Dies sei auch dann möglich, wenn der der Mitgliedstaat nicht ausdrücklich und eindeutig unter den Gebieten aufgezählt wird, in die die in Rede stehenden Waren geliefert werden können.

Die Verwendung von Meta-Tags beurteilt der EuGH hingegen anders. Es fehle an einem relevanten aktiven Verhalten eines Unternehmens in Bezug auf einen Mitgliedstaat. Websites mit generischer Top-Level-Domain seien nicht für die Öffentlichkeit in einem bestimmten Mitgliedstaat bestimmt und Meta-Tags dienten nur der Identifikation von Bildern durch Suchmaschinen. Wenn ein Meta-Tag mithin auf einem Online-Foto-Sharing-Dienst unter einer generischen „.com“-Top-Level-Domain (hier „www.flickr.com“) ein identisches Zeichen enthält, begründe dies keinen Gerichtsstand der Verletzungshandlung i.S.d. Art. 125 Abs. 5 UMV.

Praxishinweis

Diese Entscheidung bestätigt zum einen die Rechtsprechung des EuGH zu AMS Neve aus dem Jahr 2019 zu elektronischen Anzeigen von Werbung und Verkaufsangeboten für Waren. Gleichzeitig regelt sie aber auch einen relevanten Anwendungsfall im Umgang mit Marken bei der Online-Werbung. Auch wenn Google-Adwords-Anzeigen eine hilfreiche Unterstützung für eine größere Strahlungsweite der eigenen Marke im Netz sein können, sollte bei der Verwendung von Zeichen im Rahmen von Google-Adwords-Anzeigen eine mögliche Markenrechtsverletzung sicher ausgeschlossen werden. Ferner schafft die Entscheidung Rechtssicherheit im Umgang mit Meta-Tags.

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