6. Dezember 2023
Newsletter Marke Design Wettbewerb Dezember 2023 – 1 von 7 Insights
Nachdem zuletzt die Green Claims-Richtlinie in aller Munde war, deren Entwurf die EU-Kommission im März 2023 vorgestellt hatte, ist nun das zweite Standbein der EU für die Bekämpfung unlauterer umweltbezogener Werbung wieder in den Blickpunkt gerückt – und das mit einem Paukenschlag! Denn die Werbung mit Klimaneutralität auf Basis von Kompensationsmaßnahmen soll komplett verboten werden. So sieht es zumindest der Entwurf der „Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel“ („Empowering consumers for the green transition“, daher auch häufig als „EmpCo-Richtlinie“ bezeichnet) vor, auf den sich EU Kommission, Parlament und Rat kürzlich geeinigt haben.
Ebenfalls vollständig verboten werden soll die Verwendung allgemeiner Umweltaussagen („klimafreundlich“, „umweltfreundlich“, „ökologisch“, „energieeffizient“), für die der Werbende keine „hervorragende Umweltleistung“ nachweisen kann. Nicht mehr erlaubt sein wird außerdem die Verwendung unternehmenseigener Nachhaltigkeitssiegel. Nachhaltigkeitssiegel dürfen nur noch dann verwendet werden, wenn sie auf einem unabhängigen Zertifizierungssystem beruhen oder von staatlichen Stellen festgesetzt wurden.
Stark eingeschränkt wird durch die Richtlinie schließlich auch die Werbung von Unternehmen mit Aussagen über künftige Umweltleistungen. Eine solche Werbung wird zukünftig erfordern, dass Unternehmen einen messbaren Umsetzungsplan veröffentlichen, der von einem unabhängigen Dritten zertifiziert ist und von diesem regelmäßig überprüft wird.
Ein Begriff taucht zum ersten Mal in der neuen Fassung der Richtlinie auf: der des „Social Washing“. Dieser soll neben den umweltbezogenen Aspekten nun auch soziale Aspekte, wie die Arbeitsbedingungen, Produktionsbedingungen und Chancengleichheit berücksichtigen. Die EU möchte damit offenbar im Sinne eines umfassenden ESG-Ansatzes bzw. einer vollständigen Nachhaltigkeit auch andere gesellschaftlich bedeutende Aspekte in den Blick nehmen.
Mit der EmpCo-Richtlinie soll – anders als wohl bei der Green Claims-Richtlinie - kein neues Regelungsregime für unlautere Handlungen geschaffen werden. Stattdessen wird in erster Linie die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (sog. UGP-Richtlinie, Richtlinie 2005/29/EG) geändert. Für Deutschland bedeutet dies, dass im Rahmen der Umsetzung der EmpCo-Richtlinie eine Anpassung der Vorschriften des Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG) notwendig werden wird. Das UWG unterscheidet nach solchen Handlungen, die immer irreführend sind (Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG, sog. Schwarze Liste) und Handlungen, bei denen die Einzelfallbetrachtung über die Unlauterkeit entscheidet (z.B. § 5 UWG).
Nach den Regelungen der neuen Richtlinie werden folgende Umweltclaims zukünftig per se als unlauter anzusehen und damit in die sog. schwarze Liste des UWG aufzunehmen sein:
Weitere Aspekte, die künftig bei der Werbung besonders auf dem Prüfstand stehen werden und im Einzelfall unlauter sein können, sind:
In der Praxis wird insbesondere das in der Richtlinie vorgesehene Verbot, mit dem Begriff „klimaneutral“ zu werben, wenn die ausgelobte Klimaneutralität auf Kompensationsmaßnahmen beruht, große Auswirkungen haben.
In Deutschland hat die Werbung mit „Klimaneutralität“ die Gerichte zuletzt stark beschäftigt (siehe dazu z.B. unser Insight und unseren Enforcement Tracker. In der Rechtsprechung hat sich zuletzt eine Tendenz herausgebildet, bestimmte Klimaschutzprojekte als nicht geeignet für eine CO2-Kompensation anzusehen, sodass die Werbung mit „klimaneutral“ im Ergebnis als irreführend betrachtet wird. So haben bereits mehrere Gerichte moniert, dass Waldschutzprojekte aufgrund ihrer vergleichsweise kurzen Laufzeit nicht zu einem CO2-Ausgleich beitragen und deshalb nicht in die Bilanz zur Berechnung von CO2-Emissionen einfließen dürfen (siehe z.B. LG Karlsruhe, Urt. v. 26.07.2023 - 13 O 46/22 – Umweltneutrales Produkt –; oder LG Berlin, Urt. v. 19.09.2023 - 102 O 15/23 – Klimaneutrales Kochbox-Unternehmen – beide Entscheidungen finden Sie auch in unserem Enforcement Tracker).
Die Richtlinie geht nun noch deutlich weiter: Sie stuft zukünftig nicht nur Klimaneutralitätsversprechen auf Grundlage von Kompensationen durch Waldschutz- und Aufforstungsprojekte als unzulässig ein, sondern bestimmt, dass Kompensationsmaßnahmen an sich nicht mehr als Begründung für die Bewerbung von Produkten mit „klimaneutral“ oder positiven Auswirkungen auf die CO2-Bilanz dienen können. Denn nach Ansicht der EU sind CO2-Einsparungen und -Kompensationen nicht gleichwertig. In den Erwägungsgründen der Richtlinie erachtet die EU dieses Verbot für „besonders wichtig“.
Angaben, dass ein Produkt - also eine Ware oder Dienstleistung - in Bezug auf CO2-Emissionen neutrale, reduzierte oder positive Auswirkungen auf die CO2-Bilanz hat, sind danach nur noch zulässig, wenn sie sich auf die tatsächlichen Lebenszyklusauswirkungen des betreffenden Produkts beziehen, also den gesamten Lebenszyklus des Produkts einbeziehen.
Dies bedeutet nicht, dass Kompensationsmaßnahmen gar nicht mehr beworben werden dürfen. Offenbar hat die EU erkannt, dass ein völliges Verbot der Werbung mit Kompensationsmaßnahmen dem Schutz des Klimas zuwiderlaufen würden. Deshalb betont die Richtlinie in den Erwägungsgründen, dass die neuen Regelungen Unternehmen nicht daran hindern, für ihre Investitionen in Umweltinitiativen, einschließlich Klimaschutzprojekten, weiterhin zu werben. Sie dürfen dies nur nicht im Zusammenhang mit der CO2-Bilanz tun, also damit werben, dass diese Kompensationsmaßnahmen die CO2-Bilanz des Produkts positiv beeinflussen. Solange die Unternehmen diese Informationen in einer Weise bereitstellen, die nicht irreführend ist und die auch den sonstigen bisherigen lauterkeitsrechtlichen Anforderungen entspricht, soll die Werbung mit Kompensationsmaßnahmen zulässig bleiben.
Als einen besonderen Aspekt der Nachhaltigkeit sieht die EU offenbar soziale Faktoren an. Für die Ermöglichung nachhaltiger Konsumentscheidungen durch die Verbraucher sei es wichtig zu verhindern, dass Unternehmen irreführende Informationen über die sozialen Merkmale ihrer Produkte oder das Unternehmen verbreiten. Dies wird in der Richtlinie als „Social Washing“ bezeichnet. Deshalb werden durch die Richtlinie nun auch soziale Merkmale eines Produkts oder Unternehmens als wesentliche Merkmale für die Beurteilung einer irreführenden Handlung in das UWG aufgenommen.
Aus den Erwägungsgründen der Richtlinie ergibt sich, dass davon unter anderem folgende Informationen erfasst werden sollen:
Interessant in diesem Zusammenhang ist überdies, dass die Werbung mit dem Begriff „Nachhaltigkeit“ nach Vorstellung der EU nicht allein auf Umweltaspekten beruhen darf. Während die Werbung mit allgemeinen Umweltaussagen erlaubt bleibt, wenn eine hervorragende Umweltleistung nachgewiesen werden kann, gilt dies nicht für die Auslobung des Claims „nachhaltig“. Laut den Erwägungsgründen der Richtlinie bezieht sich eine solche Angabe neben dem Umweltaspekt auch auf andere Aspekte, z.B. auf soziale Merkmale. Dies bedeutet, dass zukünftig auch die Werbung mit „Nachhaltigkeit“ weiter eingeschränkt wird.
Die Richtlinie muss nun zunächst noch vom EU Parlament angenommen werden. Dies dürfte allerdings eine reine Formalität sein, da der vorgestellte Entwurf auf einer Einigung des Parlaments, des Rates und der EU Kommission beruht. Der Rat hat für den Fall der Zustimmung durch das Parlament bereits angekündigt, keine Einwände gegen den Entwurf zu erheben. Es ist daher zu erwarten, dass die Richtlinie spätestens zu Beginn des kommenden Jahres in Kraft tritt. Ab diesem Zeitpunkt haben die Mitgliedstaaten 24 Monate Zeit für die Umsetzung in das jeweilige nationale Recht. Nach weiteren sechs Monaten werden die nationalen Regelungen in Kraft treten. Mit einem Inkrafttreten der vorgestellten Regelungen in Deutschland ist damit für Mitte bis Ende des Jahres 2026 zu rechnen.
Das sollte Unternehmen aber nicht dazu verleiten, sich nun erst einmal zurückzulehnen. Zum einen sind die Regelungen vollharmonisiert. Das heißt, der deutsche Gesetzgeber hat keinen Spielraum, von der Richtlinie abzuweichen. Zum anderen erfordern die Werbeverbote und -vorgaben der Richtlinie eine erhebliche Umstellung der Werbestrategien. Sie sollten sich also schon jetzt damit beschäftigen, um zum Inkrafttreten der nationalen Regelungen bereit zu sein. Wir beraten Sie gerne!
Hinweis: In einem zweiten Teil werden wir auf weitere neue Aspekte der Richtlinie eingehen.
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