9. Februar 2024
Newsletter Marke Design Wettbewerb Februar 24 – 1 von 6 Insights
In Teil 1 haben wir einen Überblick über die geplanten Änderungen durch die EmpCo-Richtlinie gegeben. Im nachfolgenden Teil 2 berichten wir über die aktuelle Entwicklung und beleuchten einige Regelungen noch etwas genauer.
Auf Wiedersehen Werbung mit Klimaneutralität? Die Pläne der EU für Green Claims (Teil 1)
Nun hat also auch das Europäische Parlament zugestimmt: Nachdem sich EU Kommission, Parlament und Rat bereits im September 2023 auf einen Text der „Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel“ („Empowering consumers for the green transition“, kurz „EmpCo“) geeinigt hatten, hat das Parlament die Richtlinie am 17. Januar 2024 mit großer Mehrheit angenommen.
Der vom Parlament angenommene Text entspricht im Wesentlichen der Einigung, die im Trilog im September erreicht wurde. Einzig die formelle Annahme durch den Rat steht noch aus. Dieser hatte seine Zustimmung aber bereits im Vorfeld der Parlamentsabstimmung angekündigt. Damit wird es spätestens mit Ablauf der Umsetzungsfrist in den Mitgliedstaaten der EU, also auch in Deutschland, strenge Vorgaben für die Werbung mit Green Claims und Umweltsiegeln geben. Steht die „Öko-Werbung“ damit vor dem Aus?
Wie bereits in unserem Teil 1 berichtet (siehe dazu ausführlich auch schon unser Insight vom 6. Dezember 2023) sind für werbende Unternehmen sicherlich die neuen per-se Verbote am bedeutsamsten, die durch die EmpCo-Richtlinie in die UGP-Richtlinie aufgenommen werden. Bestimmte Formen der Werbung mit Nachhaltigkeitsaussagen gelten danach zukünftig „per se“ als unlauter und werden damit nicht mehr erlaubt sein. So sieht die EmpCo-Richtlinie vor, den Anhang I der UGP-Richtlinie (die sog. „Schwarze Liste“) um folgende Handlungen zu ergänzen:
Vor allem die Verbote der Werbung mit Kompensationsmaßnahmen sowie mit nicht zertifizierten Nachhaltigkeitssiegeln dürften erhebliche Auswirkungen auf das „Green Advertising“ von Unternehmen haben.
Das Verbot der Werbung mit Kompensationsmaßnahmen hatten wir in Teil 1 unseres Beitrags schon beleuchtet. Da es sich bei diesem Verbot aber um eine der umstrittensten und zugleich folgenreichsten Regelung der Richtlinie handelt, stellen wir diese nachfolgend noch einmal vor:
Nach der neuen Nr. 4c des Anhangs I gilt die Werbung mit einer Aussage über neutrale, verringerte oder positive Umweltauswirkungen, die sich auf der Kompensation von Treibhausgasen begründet, als unlauter. Ein Produkt mit der Bezeichnung „klimaneutral“ zu bewerben, dürfte daher künftig nur noch in Einzelfällen möglich sein, da eine wirkliche Klimaneutralität meist nur unter Einbeziehung von Kompensationsmaßnahmen erreicht werden kann. Auch die Produktwerbung mit Begriffen, die zwar keine Klimaneutralität, aber eine zumindest positive Auswirkung auf die CO2-Bilanz behaupten (wie z.B. „CO2-reduziert“, „klimapositiv“), wird damit deutlich erschwert, da die behauptete Reduzierung der CO2-Emissionen bzw. die positive Umweltauswirkung eben nicht auf Kompensationen von Treibhausgasen beruhen darf. Eigene Anstrengungen zur Reduzierung der CO2-Emissionen dürfen hingegen weiterhin auch produktbezogen beworben werden.
Auch bedeutet das neue Verbot nicht, dass Unternehmen überhaupt nicht mehr mit Kompensationsmaßnahmen werben dürfen. Sie dürfen dies nur nicht mehr im Zusammenhang mit der CO2-Bilanz eines Produkts tun. Tun Unternehmen Gutes, indem Sie in Klimaschutz-Projekte investieren und damit CO2 kompensieren, dürfen sie grundsätzlich auch darüber berichten, z.B. auf ihrer Homepage im Zusammenhang mit ihrem Engagement für Nachhaltigkeit – solange die Kompensation nicht auf ein Produkt oder das Unternehmen als solches bezogen wird. Auch können Unternehmen weiterhin mit dem Ziel werben, ab einem bestimmten Zeitpunkt „klimaneutral“ zu sein. In diesem Fall gelten aber ebenfalls neue Anforderungen (siehe dazu gleich unten).
Auch das Verbot des Anbringens eines nicht zertifizierten Nachhaltigkeitssiegels dürfte erhebliche Auswirkungen auf die Praxis haben. So dürfen nach der neuen Nr. 2a der „Schwarzen Liste“ Nachhaltigkeitssiegel auf Produkten nur noch angebracht werden, wenn sie von staatlichen Stellen festgelegt wurden oder auf einem Zertifizierungssystem beruhen. Dies soll insbesondere die Praxis eindämmen, dass Unternehmen sich eigene Nachhaltigkeitssiegel verleihen. Deshalb müssen zukünftig Siegelgeber vom Siegelnutzer unabhängige Dritte sein und müssen Siegelgeber ein Zertifizierungssystem für ihre Nachhaltigkeitssiegel aufstellen. Wie ein solches Zertifizierungssystem aussieht, das legt Art. 2 Abs. 1 Buchst. r) der UGP-Richtlinie fest. Danach ist ein Zertifizierungssystem
„ein System der Überprüfung durch Dritte, mit dem zertifiziert wird, dass ein Produkt, ein Verfahren oder eine Geschäftstätigkeit bestimmte Anforderungen erfüllt, das die Verwendung eines entsprechenden Nachhaltigkeitssiegels ermöglicht, und dessen Bedingungen, einschließlich seiner Anforderungen, öffentlich einsehbar sind…“
Das System muss zudem
(i) allen Gewerbetreibenden offen stehen,
(ii) vom Systeminhaber mit Sachverständigen und Interessenträgern ausgearbeitet sein,
(iii) den Umgang mit Verstößen festlegen sowie den Entzug des Siegels vorsehen und
(iv) einem objektiven Verfahren zur Überwachung durch einen kompetenten und unabhängigen Dritten unterliegen.
Das Anbringen eines Nachhaltigkeitssiegels ist grundsätzlich also nach wie vor möglich – sofern es nach diesen Vorgaben zertifiziert ist. Allerdings dürfte die vorgeschriebene Zertifizierung mit hohen Kosten für Unternehmen verbunden sein. Im impact assessment, das die Kommission für die Richtlinie erstellen ließ, spricht die Kommission diesen Punkt zwar an und erkennt, dass dies „höhere Kosten für die entsprechenden Organisationen verursachen wird“. Diese Kosten würden nach Ansicht der Kommission aber wohl an die Unternehmen weitergegeben, die sich „künftig auch dafür entscheiden [könnten], weniger Siegel zu beantragen.“ Genau darauf wird es wohl hinauslaufen, denn Unternehmen werden sich zukünftig genau überlegen müssen, ob sich Aufwand und Kosten der Zertifizierung wirklich lohnen.
Auch Aussagen über künftige Umweltleistungen von Unternehmen werden durch die EmpCo-Richtlinie stark reglementiert. Sie sollen zukünftig nur noch erlaubt sein, wenn sie
Auch diesbezüglich werden sich Unternehmen angesichts des Aufwands und der Kosten für einen den Vorgaben entsprechenden Umsetzungsplan genau überlegen, ob sie zukünftig noch mit derartigen Aussagen werben wollen.
Die EmpCo-Richtlinie muss zunächst noch vom Rat formell angenommen und anschließend im Amtsblatt veröffentlicht werden. Die EU-Mitgliedstaaten haben dann 24 Monate Zeit für die Umsetzung in das jeweilige nationale Recht. Weitere sechs Monate nach Ablauf der Umsetzungsfrist müssen die Regeln in Kraft treten. In Deutschland wird dies durch eine Anpassung der Vorschriften des Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG) geschehen. Die Regelungen werden daher voraussichtlich Mitte bis Ende des Jahres 2026 auch in Deutschland gelten. Da Werbekampagnen bzw. -strategien in der Regel aber einen längeren Vorlauf benötigen, sollten Unternehmen sich schon jetzt auf die strengen Vorgaben einstellen und diese bei der Planung berücksichtigen.
Angesichts der zu erwartenden Verbote wird die Werbung mit Green Claims und Nachhaltigkeitssiegeln sicherlich weniger werden. Eine Bewerbung von Produkten mit einer „Klimaneutralität“ wird es wohl nur noch in Ausnahmefällen geben. Eine Klimaneutralität ohne jegliche Kompensationsmaßnahme zu erreichen, wird für viele Produkte kaum möglich sein. Überdies werden gerade kleinere Unternehmen sicherlich vor den zu erwartenden Kosten für eine Zertifizierung von Nachhaltigkeitssiegeln zurückschrecken. Dass diese Art der Regulierung einen „grünen Wettbewerb“ fördert, den die Kommission mit der EmpCo-Richtlinie bezweckt und erwartet, kann durchaus bezweifelt werden. Es gibt zahlreiche Stimmen, dass die EU mit diesen Regelungen über das Ziel hinausgeschossen ist, die Gefahr sei daher groß, dass Unternehmen ihr Umweltengagement einstellen oder zumindest nicht mehr darüber reden, also sog. „Greenhushing“ betreiben. Auch die Erfahrung, dass Unternehmen relativ schnell – oft auch zu Unrecht – als „Greenwasher“ gebrandmarkt werden, könnte Unternehmen dazu verleiten, im Zweifel eben gar nichts mehr für die Umwelt zu tun.
„Den Kopf in den Sand stecken“ sollten Unternehmen dennoch nicht. Denn die Werbung mit Green Claims und Nachhaltigkeitssiegeln bleibt nach wie vor möglich, wenn sie auch vorab genau geplant und überprüft werden sollte. Und sicherlich wird die strenge Neuregelung auch Missbrauch verhindern und damit dem Schutz von Verbrauchern dienen. Denn Verbraucher werden zukünftig eher davon ausgehen - und dies auch überprüfen können-, dass eine Nachhaltigkeitswerbung der Wahrheit entspricht, als dies heute der Fall ist. So werden diejenigen Unternehmen, die nach wie vor mit Nachhaltigkeit werben wollen, möglicherweise Wettbewerbsvorteile erfahren. Zudem gibt es auch nach der EmpCo-Richtlinie durchaus Möglichkeiten, mit dem eigenen Umweltengagement zu werben: Reduzieren Unternehmen beispielsweise ihren eigenen CO2-Ausstoß, können sie darüber selbstverständlich berichten und damit - auch produktbezogen - werben. „Tue Gutes und rede darüber“ wird also auch in Bezug auf Green Advertising auch weiterhin möglich bleiben.
Ob die Regelungen durch die zu erwartende Green Claims Richtlinie, deren Entwurf derzeit in den Ausschüssen beraten wird, noch weiter verschärft werden, wird sich zeigen (siehe zum Entwurf unser Insight vom 23. März 2023). Wir halten Sie auf dem Laufenden.
Am 18. April 2024 um 10:00 Uhr wird erstmals der BGH in Sachen I ZR 98/23 über die Zulässigkeit der Werbung mit dem Begriff "klimaneutral" verhandeln. In dem Fall geht es um eine Werbung für Fruchtgummis, die in einer Fachzeitschrift der Lebensmittelbranche erschienen war. Das OLG Düsseldorf hatte diese in der Berufungsinstanz für zulässig erachtet, die Revision aber zugelassen (siehe zum Sachverhalt und den wesentlichen Entscheidungsgründen den Eintrag in unserem „Green Claims Enforcement Tracker“). Auch hierüber halten wir Sie natürlich auf dem Laufenden.
Für einen Überblick über die Rechtsprechung deutscher Gerichte zur Werbung mit Green Claims empfehlen wir Ihnen ebenfalls einen Blick in unseren „Green Claims Enforcement Tracker“.
Und wenn Sie mal einen Blick in unser Nachbarland Niederlande werfen und wissen möchten, wie die niederländische Behörde für Werbung (Reclame Code Commissie RCC) Nachhaltigkeitswerbung beurteilt, schauen Sie sich gerne die aktuellen Beiträge unserer niederländischen Kollegen an: Dutch Advertising Code Committee tightens rules for sustainability claims und Sustainability claims in advertising ruled misleading by Dutch Advertising Committee.
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