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21. November 2023

Passend zur Weihnachtszeit: Der Entwurf der EU-Spielzeugverordnung im Überblick

  • Briefing

Die EU hat am 28. Juli 2023 den Entwurf einer Spielzeugverordnung vorgelegt. Ziel ist es, die aktuelle Richtlinie 2009/48/EG über die Sicherheit von Spielzeug abzulösen und Defizite bestehender Regelungen im Hinblick auf das hohe Schutzniveau für Kinder auszugleichen, darunter laut Europäischer Kommission vor allem bzgl. schädlicher Chemikalien. Warnmeldungen zu Spielzeugen standen im Jahr 2022 im „Safety Gate“-Portal der EU, dem Schnellwarnsystem der EU für gefährliche Non-Food-Produkte, an erster Stelle.

Anwendungsbereich

Die EU-Spielzeugverordnung betrifft alle Spielzeuge, d.h. Produkte, die dafür gestaltet oder bestimmt sind, von Kindern unter 14 Jahren zum Spielen verwendet zu werden und stimmt insofern mit der Richtlinie 2009/48/EG überein; hinzu kommen lediglich Schleudern und Steinschleudern. Sie gilt hingegen nicht für die in Anhang I gelisteten 23 Produktkategorien, darunter: 

  • Spielplätze zur öffentlichen Nutzung, 
  • Sammlerprodukte, 
  • Sportgeräte inkl. Inlineskates und Skateboards für Kinder über 20kg Körpergewicht, 
  • Fahrräder mit maximaler Sattelhöhe > 435 mm, 
  • Roller und andere (auch elektrisch betriebene) Fortbewegungsmittel, die als Sportgeräte oder für die Fortbewegung auf öffentlichen Straßen oder öffentlichen Wegen bestimmt sind; 
  • Wassersportgeräte zur Verwendung in tiefem Wasser und Schwimmlernmittel für Kinder, wie Schwimmsitze und Schwimmhilfen; 
  • Puzzlespiele mit mehr als 500 Teilen; 
  • funktionelle Lernprodukte, wie Kochherde, Bügeleisen und andere funktionelle Produkte, mit einer Nennspannung > 24 Volt; 
  • elektronische Geräte wie Personal Computer und Spielkonsolen, sofern nicht speziell für Kinder konzipiert 
  • Leuchten, die von Kindern für Spielzeug gehalten werden können; 
  • Mode-Accessoires für Kinder, die nicht für den Gebrauch beim Spielen gedacht sind.

Die Europäische Kommission kann den Anwendungsbereich durch Durchführungsrechtsakte weiter konkretisieren.

Verschärfte Anforderungen an die Produktsicherheit

Zum verstärkten Schutz der Kinder vor schädlichen Stoffen trägt der Entwurf durch die Ausweitung bereits bestehender Anforderungen und die Verschärfung der Grenzwerte bei. So wird die allgemeine Sicherheitsanforderung über den Schutz der psychischen Gesundheit und Sicherheit hinaus um die psychologische und geistige Gesundheit sowie das Wohlbefinden und die kognitive Entwicklung von Kindern ergänzt.

Das Verwendungsverbot karzinogener, mutagener und reproduktionstoxischer Stoffe (CMR-Stoffe) wird zudem um das Verbot endokriner Disruptoren, Inhalationsallergene und spezifisch organtoxische Stoffe erweitert, um besonderen Gefahren für das kindliche endokrine System bzw. das Atmungssystem entgegenzuwirken. Gleichzeitig sieht der Entwurf Möglichkeiten für Ausnahmen vom Verwendungsverbot bestimmter Stoffe vor, die die Europäische Chemikalienagentur ECHA zu prüfen hat. Wirtschaftsakteure haben die Möglichkeit, eine solche Ausnahmeprüfung beim ECHA zu beantragen.

Zum wirksamen Schutz auch von Kindern > 36 Monaten sollen die in der bisherigen Spielzeug-Richtlinie bereits enthaltenen Grenzwerte für bestimmte Stoffe künftig für alle Spielzeuge gelten – altersunabhängig. Hersteller haben als Nachweis ihrer Product Compliance mit den wesentlichen Sicherheitsanforderungen eine Sicherheitsbewertung des Spielzeugs vorzunehmen (Art. 21 ff.); bislang Art. 18 ff. Spielzeug-Richtlinie), wobei bzgl. chemischer Gefahren nun auch die mögliche kombinierte Exposition mehrerer chemischer Stoffe zu berücksichtigen ist.

Warnhinweise und CE-Kennzeichnung

Auch ergeben sich instruktive Neuerungen für die Gestaltung der Spielzeuge. Hersteller müssen künftig eine CE-Kennzeichnung auf dem Spielzeug, dem darauf befestigten Etikett oder der Verpackung des Spielzeugs anbringen. Ist die CE-Kennzeichnung beim verpackten Spielzeug von außen nicht erkennbar, so muss sie zwingend auch auf der Produktverpackung angegeben werden. Hinter der CE-Kennzeichnung sind Spielzeuge durch die Hersteller mit einem allgemeinen Warnhinweis (Art. 6) zu platzieren, die geeignete Benutzereinschränkungen enthalten – bislang eingeleitet mit dem Wort „Achtung“, kann stattdessen nun das Wort „Warnung“ oder folgendes Piktogramm gesetzt werden (vgl. (Art. 11 Abs. 2 Spielzeug-Richtlinie versus Art. 16 Abs. 3 SpielzeugVO):

Spielzeugverordnung

Einführung eines digitalen Produktpasses

Zur Verhinderung der Vermarktung nichtkonformer Spielzeuge setzt der Entwurf auf eine verstärkte Marktüberwachung: Jeder Hersteller hat künftig einen Produktpass mit Spielzeuginformationen für das jeweilige Spielzeug über einen Datenträger bereitzustellen (Art. 17), der die Konformität des Spielzeugs mit den Produktanforderungen der SpielzeugVO erklärt und insoweit die EU-Konformitätserklärung (Art. 5 Beschluss Nr. 768/2008/EG) ersetzt. Beispielhaft sind neben einer eindeutigen Produktkennung (einem „Produktcode“) Angaben zum Hersteller, zur Zolltarifnummer und CE-Kennzeichnung zu machen sowie alle EU-Rechtsvorschriften, denen das Spielzeug entspricht, und alle im Spielzeug enthaltenen bedenklichen Stoffe und Duftstoffe aufzulisten (Anhang VI).

Damit Marktüberwachungs-, Zollbehörden und andere Wirtschaftsbeteiligte unmittelbaren Zugriff auf die Spielzeuginformationen haben, wird der Produktpass in ein zentrales Register der Kommission aufgenommen, und zwar für zehn Jahre ab Inverkehrbringen des jeweiligen Spielzeugs.

Erweiterte Hersteller- und Einführerkennzeichnung

Hersteller und Einführer müssen künftig über ihren Namen und ihre Postanschrift hinaus auch ihre E-Mail-Adresse auf dem Spielzeug selbst oder auf der Verpackung oder in den dem Spielzeug beigefügten Unterlagen angeben.

Hersteller müssen zudem eine Telefonnummer, E-Mail-Adresse, speziellen Abschnitt ihrer Website oder einen anderen Kommunikationskanal öffentlich zugänglich machen, über den Verbraucher sicherheitsrelevante Beschwerden einreichen und die Hersteller über Unfälle oder Sicherheitsprobleme im Zusammenhang mit den Spielzeugen informieren können. Einführer haben die Einhaltung dessen zu überprüfen und bei Fehlen eines öffentlich zugänglichen Kommunikationskanals einen solchen selbst einzurichten.

Die Rolle der Produktsicherheitsverordnung (EU) 2023/988

Der Entwurf zur neuen Spielzeugverordnung lässt unter anderem Regelungen zum Fern- und Onlineverkauf missen. Allerdings gilt das neue allgemeine EU-Produktsicherheitsrecht (die Produktsicherheitsverordnung Nr. 2023/988 (Überblick hier) ergänzend – insbesondere die Vorschriften über Online-Verkäufe nach Kapitel IV, über das Schnellwarnsystem Safety Gate und das Safety-Business-Gateway nach Kapitel VI sowie über das Recht auf Auskunft und Abhilfe nach Kapitel VIII. Damit gehen folgende Pflichten und Neuerungen einher: 

  • Wirtschaftsakteure sind verpflichtet, die zuständigen Marktüberwachungsbehörden über ihnen bekannt gewordene Unfälle in Bezug auf bereitgestellte Spielzeuge zu informieren, Art. 20 EU-Produktsicherheitsverordnung; 
  • Verantwortliche Unternehmen sind verpflichtet, bei der Durchführung von Produktrückrufen Entschädigungsmaßnahmen wie z.B. kostenlose Reparaturen oder Ersatzlieferung anzubieten – unabhängig vom Alter des zurückgerufenen Spielzeugs; 
  • Rückrufe und vergleichbare Maßnahmen unterliegen strengeren Anforderungen, z.B. sind Rückrufe unter der Verwendung ggf. verharmlosender Formulierungen wie „freiwillig“, „vorsorglich“, „in seltenen Situationen“ etc. gem. Art. 36 EU-Produktsicherheitsverordnung verboten.

Fazit

Der Entwurf zur EU-Spielzeugverordnung bringt zahlreiche Neuerungen mit sich – insbesondere verschärfte Sicherheitsanforderungen und die Einführung eines digitalen Produktpasses. Vor dem Hintergrund der zeitintensiven Umsetzung der Konformität mit den neuen Regelungen sollten betroffene Wirtschaftsakteure der Spielzeugbranche, insbesondere Hersteller und Einführer, sich mit den für sie damit einhergehenden Verpflichtungen vertraut machen. Noch steht deren Inkrafttreten aus – aktuell geht der Entwurf nach erster Lesung durch verschiedene Komitees; für den 11. März 2024 ist Stand jetzt eine weitere Lesung vorgesehen. Zwanzig Tage nach ihrer Veröffentlichung im Europäischen Amtsblatt wird sie dann in Kraft treten, samt Übergangsbestimmungen insbesondere für Spielzeuge, die bereits dahin auf dem Markt bereitgestellt werden.

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