Die politische Diskussion um investorengetragene MVZ (iMVZ) hat neuen Auftrieb bekommen: Die Bundesländer fordern drastische Verschärfungen für Gründung und Betrieb von iMVZ.
Nach der Ankündigung der Arbeitsgruppe der Bundesländer, eigene Regulierungsvorschläge vorzulegen, soll dieses Vorhaben nun in die Tat umgesetzt werden: Die Gesundheitsminister der Bundesländer haben auf ihrer Konferenz am 27. März 2023 beschlossen, einen Entschließungsantrag auf Grundlage eines gemeinsam erarbeiteten Eckpunktepapiers in den Bundesrat einzubringen. Das uns vorliegende Eckpunktepapier sieht erhebliche Einschränkungen vor.
Eckpunkte der Arbeitsgruppe
- Um Monopolisierungstendenzen zu begrenzen, soll die Gründungsbefugnis von MVZ räumlich eingeschränkt werden. Dies soll entweder durch die Begrenzung der Gründungsbefugnis auf einen Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und einen weiteren KV-Bezirk oder auf einen arztgruppenbezogenen Planungsbereich in einem Radius von 50 Kilometern vom Träger-Krankenhaus erreicht werden. Offen ist derzeit noch, welche Alternative gewählt wird. Ausnahmen sollen für drohend unterversorgte oder bereits unterversorgte Planungsbereiche gelten.
- Das Eckpunktepapier sieht zudem die Streichung des § 103 Absatzes 4a Satz 1 SGB V vor. Dies hätte zur Folge, dass eine Anstellung eines Arztes oder einer Ärztin in einem MVZ nach Verzicht auf die Zulassung nicht mehr möglich ist. Damit soll die – nach Meinung der Gesundheitsminister der Länder – bestehende Benachteiligung niederlassungswilliger Ärzte beseitigt werden, weil durch die derzeitige Regelung keine Ausschreibung des Sitzes und damit keine Bewerberauswahl stattfindet. Die Anstellung bei einem Vertragsarzt oder in einer Berufsausübungsgemeinschaft soll nach Verzicht hingegen auch ohne Ausschreibung möglich bleiben.
- Gestrichen werden soll auch die Möglichkeit für ein MVZ, sich ohne die Benennung eines konkreten Arztes oder einer konkreten Ärztin im Zulassungsverfahren zu bewerben (Konzeptbewerbung, § 103 Abs. 4 S. 5 Nr. 9 SGB V). Diese Konzeptbewerbung führe zu einer Wettbewerbsverzerrung.
- Des Weiteren sieht das Eckpunktepapier eine MVZ-Schilderpflicht vor. Dies bedeutet, dass das Praxisschild eine Kennzeichnung des Trägers und Betreibers des MVZ inklusive der Rechtsform enthalten muss.
- Darüber hinaus sollen MVZ verpflichtet werden, nachgelagerte Inhaberstrukturen in einem zu errichtenden MVZ-Register offenzulegen. Ohne eine Eintragung in das Register soll künftig die Zulassung eines MVZ nicht möglich sein.
- Zahnärztliche MVZ können bereits nur dann von einem Krankenhaus gegründet werden, wenn der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus gegründeten MVZ in diesem Planungsbereich nicht über 10 Prozent liegt (§ 95 Abs. 1b SGB V). Nach diesem Vorbild sollen ebenso die regionalen Versorgungsanteile neuer, von einem Träger gegründeten MVZ beschränkt werden. Hierfür ist eine doppelte Quotierung vorgesehen: Im hausärztlichen Bereich soll der Versorgungsanteil 25 Prozent im Planungsbereich und 5 Prozent in dem KV-Bezirk des Trägers nicht überschreiten. Für den fachärztlichen Bereich sind die Quoten ein wenig höher: So soll dort die Grenze im Planungsbereich bei max. 50 Prozent pro Facharztgruppe und im KV-Bezirk eines Trägers bei max. 10 Prozent liegen. Auch hier sollen wieder Ausnahmen für drohend unterversorgte oder bereits unterversorgte Planungsbereiche und bei Feststellung eines besonderen Versorgungsbedürfnis durch den zuständigen Zulassungsausschuss greifen.
- Ein weiteres Anliegen ist die Stärkung der ärztlichen Leiter. Ärztliche Leiter sollen vor Abberufung und Kündigung besonders geschützt werden. Zudem sollen die Verträge mit der ärztlichen Leitung der KV vorgelegt werden, sodass der zuständige Zulassungsausschuss prüfen kann, ob die ärztliche Entscheidungsfreiheit eingeschränkt wird. Hierzu sollen die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Spitzenverband der Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) entsprechende Empfehlungen erarbeiten. Gibt es in einem MVZ mindestens fünf vollzeitäquivalente Stellen, soll ein Tätigkeitsumfang in Höhe eines vollen Versorgungsauftrags obligatorisch sein. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die ärztlichen Leiter auch tatsächlich leitend tätig werden.
- Aufgrund der nach Ansicht der Arbeitsgruppe vergleichbaren Rolle von MVZ und KV in der vertragsärztlichen Versorgung sollen auch gegen MVZ Disziplinarmaßnahmen verhängt werden können. Fehlen entsprechende Maßnahmen, die sicherstellen, dass die in dem MVZ tätigen Ärzte ihren vertragsärztlichen Pflichten nachkommen, soll die Zulassung entzogen werden können.
- Letztlich sieht das Eckpunktepapier noch vor, dass die KV Zulassungen für eigene Einrichtungen erhalten können. Voraussetzung soll aber sein, dass diese mit dem Ziel der selbstständigen Niederlassung an die angestellten Ärzte weitergegeben werden.
Fazit und Ausblick
Vor allem die ersten beiden Punkte – die räumliche Beschränkung der Gründungsbefugnis und die Streichung des § 103 Abs. 4a S. 1 SGB V (Verzicht auf die Zulassung zugunsten der eigenen Anstellung) – würden zu weitreichenden Veränderungen in der MVZ-Landschaft führen. Bisher handelt es sich lediglich um ein Eckpunktepapier. Es bleibt abzuwarten, ob hieraus eine Bundesratsinitiative entsteht. Auch wenn dem so sein sollte: Die Gesetzgebungskompetenz liegt beim Bund und nicht bei den Ländern. Das Eckpunktepapier dürfte deshalb allenfalls als Ideengeber dienen, ob sich die Bundestagsabgeordneten bzw. die Fraktionen dem Regulierungswahn anschließen bleibt fraglich.
Der inhaltlich weitgehende Vorschlag der Länder ist alarmierend, sollte aber nicht zur Panik führen. Wir beobachten die politische Entwicklung und führen weiterhin auf Leitungs- und Arbeitsebene Gespräche, um irrationale Regulierungsvorschläge zu verhindern.
Gerne stehen wir für Sie jederzeit als Ansprechpartner zur Verfügung. Sprechen Sie uns an.