Update: Das Urteil liegt mittlerweile im Volltext vor, siehe dazu unsere Analyse im „Green Claims Enforcement Tracker"
Wie bereits ausführlich berichtet (siehe unser Insight vom 2. August 2023 hier), ist im vergangenen Jahr der erste Fall zur Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ beim höchsten deutschen Zivilgericht, dem BGH, anhängig gemacht worden (Az. I ZR 98/23). Heute Morgen hat der BGH nun seine mit Spannung erwartete Entscheidung verkündet. Auch wenn das Urteil noch nicht im Volltext vorliegt, ist doch klar: Es ist ein Paukenschlag mit erheblichen praktischen Auswirkungen für werbende Unternehmen.
Was ist passiert?
Der Süßwarenhersteller Katjes hat eine Sorte Fruchtgummis in einer Anzeige in einer Fachzeitschrift für Lebensmittel als „klimaneutral“ beworben. Diese Werbung veranlasste die Wettbewerbszentrale zur Klage. Sie sah darin eine Irreführung, da über die Hintergründe des Erreichens der Klimaneutralität in der Anzeige selbst nicht ausreichend aufgeklärt werde. Die Klimaneutralität werde nur durch (zusätzliche) Kompensationsmaßnahmen erreicht (konkret durch den Kauf von CO2-Zertifikaten). Weitergehende Informationen zur Klimaneutralität, insbesondere dazu, wie diese erreicht wird, wurden nicht in der Anzeige selbst, sondern nur über einen in der Anzeige enthaltenen Verweis auf eine Website von ClimatePartner (QR-Code plus Websitenennung) gegeben.
In den ersten beiden Instanzen (LG Kleve, Az. 8 O 44/21 und OLG Düsseldorf, Az. 20 U 152/22) war die Wettbewerbszentrale noch unterlegen. Das LG Kleve und das OLG Düsseldorf erkannten insbesondere aufgrund des in der Anzeige enthaltenen Verweises auf weiterführende Informationen keine Irreführung, die Werbung wurde daher nicht untersagt. Da sich der BGH bereits in der mündlichen Verhandlung im April tendenziell streng bei der grundsätzlichen Beurteilung von umweltbezogenen Werbeaussagen gezeigt hat, wurde das Urteil mit großer Spannung erwartet, nicht zuletzt auch, weil es in den letzten Jahren zwar zahlreiche „klimaneutral“-Urteile unterschiedlicher Land- und Oberlandesgerichte gab (siehe dazu die Zusammenfassungen in unserem Green Claims Enforcement Tracker hier), sich dabei aber keine einheitliche Linie abzeichnete.
Wie urteilt der BGH?
Heute war es dann endlich so weit, der BGH hat sein Urteil gefällt. Und es fällt, wie man der Pressemitteilung des BGH entnehmen kann, sehr deutlich aus.
Der BGH hat den Fall tatsächlich gedreht! Die Wettbewerbszentrale hat das Endspiel vor dem BGH gewonnen und geht nun doch noch als strahlender Sieger aus diesem Rechtsstreit hervor.
Anders als die beiden Vorinstanzen stuft der BGH die Katjes-Werbung als irreführend ein. Seine Begründung: Bei umweltbezogener Werbung sei die Irreführungsgefahr besonders groß, weshalb auch ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis bestehe. Reduktion von CO2-Emissionen einerseits und Kompensation von CO2-Emissionen andererseits stellten keine gleichwertigen Maßnahmen dar. Vielmehr sei die Reduktion gegenüber der Kompensation vorrangig. Entgegen der Vorinstanz sind die Karlsruher Richter der Meinung, dass eine Aufklärung außerhalb der konkreten Werbung nicht ausreiche. Katjes hätte daher unmittelbar in der Anzeige selbst weitergehende Erläuterungen zur behaupteten Klimaneutralität und deren Erreichung durch Kompensation geben müssen. Der Verweis auf weitergehende Informationen im Internet reicht demnach nicht.
Und was bedeutet das nun für werbende Unternehmen?
Damit hat der BGH ein erstes Machtwort in Sachen Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ gesprochen. Die Karlsruher Richter setzen sehr hohe Maßstäbe an. Vor allem, wenn zur Erreichung der Klimaneutralität (auch) auf Kompensationsmaßnahmen gesetzt wird, wird es nun besonders gefährlich, denn ab sofort muss schon in der Werbung selbst auf die Kompensation hingewiesen werden.
Leider beseitigt das heutige Urteil aber nicht sämtliche Unklarheiten und Unsicherheiten, denen Unternehmen bei der Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ begegnen. Immerhin gibt es nun aber ein erstes höchstrichterliches Urteil zu der Frage, wann und wo Erläuterungen zur Art der Erreichung der Neutralität erforderlich sind. Damit gibt es nun zumindest für diese Frage gewisse Leitplanken. Wie die unteren Instanzen mit diesem Urteil bei künftigen Fällen umgehen, wird sich zeigen müssen. Und letztlich kommt es – wie immer - auch auf den Einzelfall an.
Zudem sollten Unternehmen auch ein Auge darauf haben, dass die EU der Bewerbung von Produkten als „klimaneutral“ auf der Grundlage von Kompensationsmaßnahmen (wie insbesondere dem Erwerb von CO2-Zertifikaten) ohnehin ganz generell den Garaus machen möchte:
Bis es so weit ist, sollten sich werbende Unternehmen aber unbedingt an die heutigen Vorgaben des BGH halten, wenn sie nicht als Greenwasher an den Pranger gestellt werden möchten. Wir helfen Ihnen gerne, Ihre geplanten Werbemaßnahmen rechtlich abzusichern.