25. Juli 2024
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Am 28. Juni 2024 hat die EU die Verordnung (EU) 2024/1781 zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen für nachhaltige Produkte veröffentlicht ("Ökodesign-VO“). Die Verordnung ist seit 18. Juli 2024 in Kraft und Teil des sog. European Green Deals. Mit diesem möchte die Europäische Kommission die Europäische Union („EU") zu einer wettbewerbsfähigen und klimaneutralen Kreislaufwirtschaft umgestalten.
Um dieses Ziel zu erreichen, sieht die Verordnung vor, dass Mindestkriterien an Produkte angelegt werden, um deren Kreislauffähigkeit und Energieeffizienz zu verbessern. So soll die Ökodesign-VO den CO2- und Umweltfußabdruck der Union dauerhaft reduzieren. Die Ökodesign-VO reiht sich damit in eine ganze Reihe weiterer nachhaltigkeitsmotivierter Gesetzgebung ein, wie etwa der Batterieverordnung („Batt-VO“), sowie der Richtlinie über das sog. Recht auf Reparatur.
Die Verordnung gilt sachlich für alle körperlichen Waren, die innerhalb der Union in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, einschließlich Bauteilen und Zwischenprodukten („Produkt“). Vom Anwendungsbereich ausgenommen sind unter anderem Lebensmittel, Futtermittel, Human- und Tierarzneimittel, lebende Organismen sowie Kraftfahrzeuge. Persönlich gilt sie für Wirtschaftsteilnehmer (die Verordnung spricht – anders als das „übliche“ Produktrecht – nicht vom Wirtschaftsakteur), die entsprechende Produkte in Verkehr bringen oder in Betrieb nehmen, also neben den Herstellern auch Bevollmächtigte, Importeure, Vertreiber, Händler sowie Fulfillment-Dienstleister. Vereinzelt gilt die Verordnung außerdem für Betreiber von Online-Marktplätzen und Suchmaschinen.
Die Verordnung löst die sog. Ökodesign-Richtlinie 2009/125/EG („Ökodesign-Richtlinie“) grundsätzlich mit deren Inkrafttreten am 18. Juli 2024 ab und gilt unmittelbar in jedem EU-Mitgliedstaat. Eine Umsetzung in nationales Recht ist grundsätzlich entbehrlich, wodurch die EU ihren Ansatz der einheitlichen Anwendung von EU-Recht weiterführt. Die wesentlichen Bestimmungen der Ökodesign-Richtlinie gelten in einer mindestens zweieinhalbjährigen Übergansphase fort.
Außerdem ist zu erwarten, dass von der jeweiligen nationalen Umsetzung der Ökodesign-Richtlinie (in Deutschland das EVPG) ein Rumpfgesetz übrigbleibt: Denn jedenfalls Sanktionen und Behördenzuständigkeiten sind von den Mitgliedstaaten auch weiterhin national zu regeln.
Um zu einem Funktionieren des Binnenmarkes beizutragen und gleichzeitig ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen, hat die Europäische Kommission den Anwendungsbereich gegenüber der Ökodesign-Richtlinie auf so viele Produkte wie möglich ausgeweitet. Dabei gelten die Ökodesign-Anforderungen vorrangig für Produkte, von denen (bzw. von deren Rohmaterialien) starke Umwelteinwirkungen ausgehen, etwa Produkte die Eisen, Stahl oder Aluminium enthalten, aber auch Produkte wie Textilien (insbesondere Bekleidung und Schuhwerk), Möbel (einschließlich Matratzen), Reifen, Wasch- und Anstrichmittel, Schmierstoffe, Chemikalien sowie energieverbrauchsrelevante Produkte und Produkte der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie sonstige Elektronikgeräte. Eine Beschränkung auf energieverbrauchsrelevante Produkte, wie Waschmaschinen, Kühlschränke oder Motoren, findet daher nicht mehr statt.
Die Ökodesign-Anforderungen erstrecken sich auf den gesamten Lebenszyklus des jeweiligen Produkts, von der Herstellung über den Transport und Betrieb bis zur Entsorgung bzw. Wiederverwertung. Die Ökodesign-VO gibt lediglich einen bestimmten Rahmen für die Ökodesign-Anforderungen vor (vgl. Art. 5 Ökodesign-VO).
Innerhalb dieses Rahmens werden gewisse Mindestanforderungen an betroffene Produkte gestellt, um somit die Nachhaltigkeit von Produkten zu gewährleisten. Folglich stellt die Verordnung selbst keine spezifischen Anforderungen an Produkte. Vielmehr werden diese von der Europäischen Kommission durch Erlass (nachgeordneter) delegierter Rechtsakte mit Leben gefüllt (Art. 4 Abs. 1 Ökodesign-VO). Die delegierten Rechtsakte stellen Anforderungen an die Zuverlässigkeit, Wiederverwendbarkeit, Reparierbarkeit sowie den Energieverbrauch und die Energieeffizienz der spezifischen Produktgruppe, die sie adressieren. Zudem definieren die delegierten Rechtsakte den digitalen Produktpass (z.B. betreffend Warencodes, eindeutiger Produktkennung, Gebrauchsanleitungen) und regeln das auf den Produkten anzubringende Etikett (vor allem bezüglich des Inhalts, der Gestaltung nebst Art und Weise, wie das Etikett den Kunden anzuzeigen ist).
Die Ökodesign-VO sieht vor, dass den Wirtschaftsteilnehmern einen Übergangszeitraum von jeweils 18 Monaten ab Inkrafttreten des delegierten Rechtsaktes zusteht, um die jeweils enthaltenen Ökodesign-Anforderungen umzusetzen. Hier ist aber Aufmerksamkeit angezeigt: Die delegierten Rechtsakte werden relativ geräuschlos erlassen. Sie treten ohne weiteres in Kraft, sofern nicht innerhalb von zwei Monaten das Europäische Parlament oder der Rat Einwände gegen den delegierten Rechtsakt erheben.
Mit der Ausweitung der Ökodesign-Anforderungen gehen gleichzeitig erweiterte Informationspflichten der Wirtschafsteilnehmer einher (vgl. Art. 7 Ökodesign-VO). Wirtschafsteilnehmer müssen beispielsweise über die im Anhang I der Ökodesign-VO genannten Produktparameter (z.B. Materialzusammensetzung, Indikatoren zur Lebensdauer und zur Nachrüstbarkeit) über die Haltbarkeit, die Reparierbarkeit, den CO2- und Umweltfußabdruck sowie über besorgniserregende Stoffe informieren. So sollen Kunden und weiteren Parteien (Bevollmächtigte, Importeure, Vertreiber, Händler, Fulfilment-Dienstleister) nachhaltige Produktentscheidungen erleichtert werden.
Um bei den zahlreichen Informationspflichten nicht den Überblick zu verlieren, führt die Verordnung den digitalen Produktpass ein. Hiermit sollen Akteure entlang der Wertschöpfungskette sowie Verbraucher schnell und einfach auf für sie relevante Informationen über die Produkte zugreifen können. Dementsprechend soll dieser Produktpass neben den oben genannten Kriterien Informationen über die ökologische Nachhaltigkeit von Produkten beinhalten, wobei auch hier die genauen Anforderungen von der Kommission durch delegierten Rechtsakt konkretisiert werden. Der erste delegierte Rechtsakt kann schon am 19. Juli 2025 in Kraft treten. Ein Vergleich mit den Vorschriften zum Batteriepass der Batt-VO zeigt, dass beide Pässe eine Vielzahl an Informationen beinhalten, Sicherheitsanforderungen sowie Einhaltung technischer Standards normieren. Dabei schreiben beide Verordnungen gleichermaßen vor, dass die Pässe mit jeweils anderen Produktpässen interoperabel sind, um eine durchgängige Kommunikation und Datenübertragung zu gewährleisten.
Damit die zuständigen nationalen Behörden, die Zollbehörden sowie die Kommission unmittelbaren Zugriff auf die Produktinformationen haben, errichtet die Kommission bis zum 19. Juli 2026 ein zentrales digitales Register, in welches sie den Produktpass aufnimmt. In diesem werden mindestens die eindeutigen Produktkennungen gespeichert, bei manchen Produkten auch der Warencode bzw. die individuellen Kennungen für Batterien im Sinne der Batt-VO.
Zudem ordnet die Ökodesign-VO ein Verbot der Vernichtung unverkaufter Verbraucherprodukte an (vgl. Art. 25 Ökodesign-VO). Hiervon betroffen sind Kleidung und Bekleidungszubehör sowie Schuhe. Auch hier ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Kommission die Liste der Produkte durch delegierten Rechtsakt erweitern kann. Dementsprechend sollten Wirtschaftsteilnehmer neue delegierte Rechtsakte der Kommission stets verfolgen, wobei es auch hier Übergangsregelungen bzw. -fristen geben wird.
Über dieses Verbot hinaus, haben Wirtschaftsteilnehmer grundsätzlich die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um zu verhindern, dass unverkaufte Verbraucherprodukte vernichtet werden (vgl. Art. 23 Ökodesign-VO). Dabei bemisst sich die Erforderlichkeit nach vernünftigem Ermessen, sodass ein gewisser Spielraum vorhanden bleibt.
Konkreter formuliert sind hingegen die Informationspflichten in Bezug auf unverkaufte Verbraucherprodukte. So sind Wirtschaftsteilnehmer, die unverkaufte Verbraucherprodukte vernichten bzw. vernichten lassen, u.a. dazu verpflichtet, über die Anzahl und das Gewicht der pro Jahr entsorgten Produkte sowie die Gründe für die Entsorgung zu berichten. Dabei bleibt jedoch der Durchführungsrechtsakt der Kommission abzuwarten, in welchem diese die Einzelheiten für die Offenlegung der genannten Informationen festlegt. Dieser soll jedoch bis zum 19. Juni 2025 erlassen werden.
Konkret ergeben sich für die einzelnen Wirtschaftsteilnehmer u.a. folgende Pflichten:
Am 18. Juli 2024 trat die Ökodesign-VO in Kraft. Aufgrund zahlreicher Übergangsbestimmungen in Art. 79 Ökodesign-VO bleiben vorläufig, für einen Übergangszeitraum von ca. zweieinhalb Jahren, viele Regelungen der Ökodesign-Richtlinie weiterhin gültig.
So gelten bis 31. Dezember 2026 einzelne Bestimmungen der Ökodesign-Richtlinie (z.B. die Vorschriften über das Konformitätsbewertungsverfahren oder den Informationspflichten gegenüber Verbrauchern) für Produkte wie Photovoltaikmodule, Staubsauger, Lüftungsanlagen, Computer und zahlreiche weitere Produkte fort.
Für andere Produkte, die gemäß den Durchführungsmaßnahmen der Kommission nach Art. 15 der Ökodesign-Richtlinie reguliert werden (wie z.B. Waschmaschinen und -trockner, Fernsehgeräte, Monitore und Reifen), bleiben diese Bestimmungen der Ökodesign-Richtlinie sogar bis 31. Dezember 2030 in Kraft (vgl. Art. 79 Abs. 1 a) ii) Ökodesign-VO).
Weiterhin bleiben gem. Art. 78 Abs. 1 b) Ökodesign-VO die bisherigen Durchführungsmaßnahmen (z.B. bezüglich der Pflichten des Importeurs nach Art. 4 Ökodesign-Richtlinie) in Kraft, bis sie durch neue delegierte Rechtsakte gemäß der Verordnung aufgehoben oder geändert werden. Ob diese Durchführungsmaßnahmen für die jeweiligen Produktgruppen angepasst oder durch neue ersetzt werden, lässt sich derzeit nicht abschließend beurteilen. Maßgeblich hierfür wird eine Folgenabschätzung der Europäischen Kommission sowie eine Konsultation der entsprechenden Interessensträger sein.
Der erste delegierte Rechtsakt nach der Ökodesign-VO wird gem. Art. 4 Abs. 7 Ökodesign-VO frühstens am 19. Juli 2025 in Kraft treten. Wirtschaftsteilnehmer haben dann grundsätzlich einen Übergangszeitraum von 18 Monaten ab Inkrafttreten des jeweiligen delegierten Rechtsakt zur Erfüllung der Ökodesign-Anforderungen, wobei hiervon in Ausnahmefällen abgewichen werden kann.
Das Verbot der Vernichtung unverkaufter Verbraucherprodukte tritt ab dem 19. Juli 2026 in Kraft, wobei es für mittlere Unternehmen erst ab dem 19. Juli 2030 gilt.
Grundsätzlich werden die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, Vorschriften über Sanktionen bei Verstößen gegen die Ökodesign-VO zu erlassen (vgl. Art. 74 Ökodesign-VO). Hierbei müssen die Mitgliedstaaten jedoch mindestens Geldbußen bzw. den befristeten Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge verhängen.
Es bleibt abzuwarten, wie der deutsche Gesetzgeber seiner Verpflichtung nachkommt. Da die Ökodesign- Verordnung die Ökodesign-Richtlinie ersetzt, wird wohl nur ein Teil des damaligen Umsetzungsgesetzes – dem Gesetz über die umweltgerechte Gestaltung energieverbrauchsrelevanter Produkte (EVPG) - erhalten bleiben. Dies könnte zum einen die Sanktionen betreffen, wonach Bußgelder nach dem EVPG von bis zu 50.000 Euro möglich waren. Es erscheint jedoch nicht auszuschließen, dass auch Bußgelder von bis zu 100.000 Euro normiert werden, wie dies zuletzt bei dem Batteriegesetz (BattG), welches noch bis 18. August 2025 gilt, der Fall war.
Überdies sieht die Verordnung für Verbraucher bei Nichtkonformität von Produkten Schadensersatzansprüche vor (vgl. Art. 76 Ökodesign-VO). Hierbei haftet in erster Linie der Hersteller. Falls dieser nicht in der EU ansässig ist, haftet der Importeur oder ein Bevollmächtigter des Herstellers. Wenn weder ein Importeur noch ein Bevollmächtigter in der EU ansässig ist, haftet der Fulfilment-Dienstleister.
Die Verordnung markiert einen bedeutenden Schritt hin zu einer nachhaltigeren Produktpolitik in der EU, die zur Erreichung der Klimaziele und zur Förderung des Umweltschutzes beiträgt. Auch wenn ab dem 18. Juli 2024 nicht unmittelbar neue Pflichten für Wirtschaftsteilnehmer gelten, müssen diese sich dennoch auf umfassende Änderungen einstellen und frühzeitig Maßnahmen ergreifen, um die neuen Anforderungen zu erfüllen. Für betroffene Unternehmen empfiehlt es sich daher, die Übergangsfristen zu beachten und die Entwicklungen bezüglich der delegierten Rechtsakte zu verfolgen, um rechtzeitig die notwendigen Anpassungen vorzunehmen und Sanktionen zu vermeiden.
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