15. August 2024
Newsletter Marke Design Wettbewerb August 24 – 1 von 9 Insights
Der VW Bulli – für viele ist das der Inbegriff von Urlaub, Freiheit und „Summerfeeling“. Nahezu jede:r erkennt ihn wohl sofort an seinem mittlerweile ikonisch gewordenen Aussehen, nicht zuletzt durch die zahlreichen Merchandise-Artikel und Nachbildungen als Modell- oder Spielzeugauto. Die Nutzung von Marken für Modellautos führt allerdings immer wieder zu Streitigkeiten zwischen dem Markeninhaber und dem Hersteller des Modells – so zuletzt z.B. im Fall der Nutzung der Marke „DACHSER“ auf Modell-LKWs und einer Modell-Lagerhalle (siehe dazu unser Insight hier). Und auch in dem jüngst vom BGH entschiedenen Fall (Urteil vom 2. Mai 2024, I ZR 23/23) stritten sich Markeninhaberin und die Herstellerin von Modellautos darum, ob die Nutzung der Marke erlaubt ist.
Die Klägerin ist Inhaberin einer dreidimensionalen deutschen Marke auf die Form des sog. „VW Bulli“.
Diese ist eingetragen unter anderem für Fahrzeuge in Klasse 12 sowie Spielzeug, einschließlich Modellautos, in Klasse 28. Die Beklagte produziert und vertreibt hochpreisige Modellautos, zunächst auch ersichtlich als offizielle Lizenznehmerin der Klägerin für Modelle des VW Bulli. Die Lizenzbeziehungen kündigte sie im Verlauf jedoch auf, fuhr allerdings damit fort, Modellautos mit der Form des VW Bulli ohne Lizenz selbst anzubieten.
Dagegen klagte die Markeninhaberin, die das Anbieten, Bewerben, Einführen und Inverkehrbringen der VW Bulli-Modell ohne Lizenzvereinbarung für eine Markenverletzung hält. Vor dem Landgericht blieb die Klage zunächst erfolglos, das Berufungsgericht gab ihr jedoch vollumfänglich statt.
Im Ergebnis ist der BGH der Ansicht, dass die Feststellungen des Berufungsgerichts die Entscheidung nicht tragen; er hat die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.
Um sich auf Ansprüche aus der bereits mehr als fünf Jahre eingetragenen und damit benutzungspflichtigen Marke stützen zu können, müsse, so der BGH, die Markeninhaberin das geschützte Zeichen innerhalb der letzten fünf Jahre vor Klageerhebung für die relevanten Waren – hier also Fahrzeuge und Modellautos - benutzt haben. Dies könne auch, wie hier trotz des etwas uneindeutigen Lizenzvertrages relevant, über eine Drittbenutzung etwa durch Lizenznehmer mit Zustimmung der Markeninhaberin geschehen, sodass eine Benutzung der Marke durch die Beklagte hier ausreichen würde.
Allerdings scheitere die markenmäßige Benutzung, wenn der Verkehr die Warenform gar nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft auffasse. Formmarken als sog. unkonventionelle Marken werfen das Problem auf, dass die Marke und die damit gekennzeichnete Ware identisch sein können. Der Verkehr erkenne in der Gestaltung daher möglicherweise keinen Herkunftshinweis, sondern nur die Ware selbst. Wenn die Ware zudem mit weiteren wörtlichen oder bildlichen Kennzeichnungen versehen ist, kann dies aus Sicht des Verkehrs gegen eine eigenständige Bedeutung der Warenform – losgelöst von den zusätzlichen Elementen – sprechen. Das ist zwar nicht zwingende Folge und kann auch unter dem Stichwort der Mehrfachkennzeichnung als Benutzung mehrerer eigenständiger Zeichen gelten (EuGH, 23.01.2019, C 698/17 – Klement (Form eines Ofens)). Beides muss im Einzelfall jedoch festgestellt werden.
Der BGH ist der Ansicht, dass die Feststellungen des Berufungsgerichts zur rechtserhaltenden Benutzung nicht ausreichen: zum einen in Bezug auf die tatsächliche Verwendung der Warenform für Waren der Klasse 12 (u.a. Fahrzeuge), da ersichtlich nur Ersatz- und Zubehörteilen vertrieben sowie Restaurierungen des VW Bulli angeboten werden, zum anderen bei der Feststellung der Umstände, aus denen sich die Verwendung gerade als Herkunftshinweis für Waren der Klasse 28 (insbesondere also Modellautos) ergibt. Er hat die Entscheidung daher an das OLG Hamburg zurückverwiesen.
Der BGH hat dem Berufungsgericht außerdem Hausaufgaben für die erneute Entscheidung aufgegeben: Das Gericht soll vor allem dem Verkehrsverständnis und der Verkehrsgewöhnung an spielzeughaft verkleinerte Nachbildungen realer Kraftfahrzeuge Rechnung tragen, insbesondere denen des spezifischen und informierten Verkehrskreises der Sammler. In dem Segment könnte z.B. eine langjährige Tradition detailgetreuer Nachbildungen zu einer eigenständigen Reputation der Modellhersteller geführt haben, die vom Automobilhersteller unabhängig ist, sodass ein Herkunftshinweis auf die Markeninhaberin ausscheiden würde. Verkehrsgutachten, die die Bekanntheit des Zeichens ohne Differenzierung nach Warenklassen untersuchten, wären aber jedenfalls ungeeignete Beweismittel.
Auch auf der Seite der möglichen Rechtsverletzungen soll das Berufungsgericht beachten, dass beim Schutz einer bekannten Marke gegen die Ausnutzung des guten Rufes zwar keine Herkunftstäuschung des Verkehrs notwendig ist, die Unlauterkeit jedenfalls aber nicht reflexartig angenommen werden kann. Nicht immer liege ein unlauterer sog. „Trittbrettfahrer-Fall“ (vgl. EuGH, 18.06.2009, C 487/07 – L’Oréal) vor, bei dem der Nachahmer sich in den Sog der Marke begibt und ohne eigene Anstrengungen versucht, von den Leistungen der Markeninhaberin zu profitieren. Vorliegend etwa wird die Form nur wirklichkeitsgetreu abgebildet und darüber hinaus in keiner Weise versucht, den Ruf der Marke werblich zu nutzen. Jeglicher Zusammenhang ergebe sich allein aus der spielzeughaft verkleinerten Nachbildung des Originals „zwangsläufig wie beiläufig“ und sei daher nicht unlauter (vgl. BGH, 12.01.2023, I ZR 86/22 – DACHSER). Zudem habe der Modellhersteller aufgrund der jahrelangen Marktüblichkeit detailgetreuer Nachbildungen von Automobilen ein berechtigtes Interesse an der Nachbildung der Warenform. Die Unlauterkeit muss daher immer im Einzelfall festgestellt werden.
Nun muss also zunächst noch einmal das OLG Hamburg ran und den Fall unter Beachtung der Vorgaben des BGH erneut entscheiden. Es bleibt – vor allem für die Hersteller von Modell- bzw. Spielzeugautos – spannend!
Die Argumentation des BGH könnte sich außerdem über den Bereich der Automodelle auch auf weitere Bereiche erstrecken, in denen es dem Verkehr auf die möglichst detail- oder realitätsgetreue Nach- bzw. Abbildung der Warenform einer anderen Produktkategorie zu ganz anderen Nutzungszwecken ankommt. Zu denken ist dabei etwa an die Abbildung von Warenformen in Computerspielen oder die Nachbildung von Formgestaltungen bei Modeartikeln und Accessoires für (NFT-authentifizierte) virtuelle Collectibles. Auch hier wird im Einzelfall zu bewerten sein, ob die Konstellation und Verkehrsgewohnheiten markenrechtliche Implikationen zur Folge haben können.
15. August 2024
von Philipp Grotkamp
27. June 2024
von Andreas Bauer
21. August 2024
21. June 2024
15. August 2024
von Tamara Herzog
Das Recht auf (bzw.: die Pflicht zur) Reparatur
24. July 2024
30. July 2024
von Dr. Jakob Horn, LL.M. (Harvard), Alexander Schmalenberger, LL.B.