Die rechtserhaltende Benutzung einer Marke ist in Auseinandersetzungen um eine Markennutzung ein beliebtes Mittel zum „Gegenangriff“ und Gegenstand zahlreicher gerichtlicher Entscheidungen. Zuletzt hatte auch das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg damit zu tun: In seinem Urteil vom 12.10.2023 (Az.: 3 U 60/22) setzt es sich im Kern mit den Anforderungen der rechtsherhaltenden Benutzung eines Arzneimittels ohne Arzneimittelzulassung eines indischen Pharmaunternehmens nach § 26 Abs. 1 MarkenG auseinander.
Die Antragstellerin hat ihren Sitz in Indien. Sie vertreibt ein ayurvedisches, pflanzliches Arzneimittel auf der Basis von Weihrauchextrakt und ist Inhaberin der deutschen Wortmarke „H 15“. Unter der Bezeichnung „H 15 Gufic“ vertreibt die Antragstellerin das Arzneimittel mit einer Aufmachung in englischer Sprache. Der Antragsgegner besitzt ein Lager in Deutschland, in dem er Nahrungsergänzungsmittel unter der Bezeichnung „H 15“ beziehungsweise „Hecht H 15 R“ oder auch „H15 Weihrauch“ für den Export ins Ausland bereit hält Zugleich bot er diese Nahrungsergänzungsmittel in Online-Apotheken als Hersteller an. Die Antragstellerin klagte auf Unterlassung der Verwendung der Bezeichnungen „H 15“, „Hecht H 15“ und/oder „H15 Weihrauch“ für Nahrungsergänzungsmittel, insbesondere, diese entsprechend zu bewerben, anzubieten und/oder diese einzuführen oder auszuführen.
Das OLG Hamburg bejahte eine rechtserhaltende Benutzung der Marke gemäß § 26 Abs. 1 MarkenG und schloss sich damit der Auffassung der Vorinstanz an. Eine rechtserhaltende Benutzung verlange, dass die Marke entsprechend ihrer Hauptfunktion, die Ursprungsidentität der Waren und Dienstleistungen zu garantieren, für die sie geschützt ist, verwendet wird, um für diese Produkte einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern. Im Rahmen der dabei vorzunehmenden Einzelfallprüfung war nach Auffassung des Gerichtes zu berücksichtigen, dass das Produkt aufgrund von schwerwiegenden Nebenwirkungen keine Arzneimittelzulassung erhalten hatte, es vielmehr nach der Ausnahmevorschrift des § 73 Abs. 3 AMG nur in geringen Bestellmengen an einzelne Personen verkauft werden darf. Das OLG widersprach im Folgenden der Auffassung des Antragsgegners, nach der die rechtserhaltende Benutzung eines Arzneimittels auch eine Arzneimittelzulassung erfordere. Eine Einordnung als Arzneimittel nach § 2 Abs. 1 AMG sei unabhängig von der Zulassung gegeben: Das Produkt sei für die Anwendung am menschlichen Körper bestimmt und weise Eigenschaften zur Heilung und Linderung von Krankheiten oder krankhafter Beschwerden auf. Die fehlende Arzneimittelzulassung lasse es weder zu einem Nahrungsergänzungsmittel noch zu einem Lebensmittel werden, von der fehlenden Zulassung sei lediglich der Verkauf des Arzneimittels betroffen.
Das Gericht erachtete demnach den Verkauf von 250 Packungen pro Jahr im Inland für ausreichend, eine rechtserhaltende Benutzung sei gegeben. Ein höherer Absatz sei aufgrund des Erlaubnistatbestandes des § 73 Abs. 3 AMG nicht möglich. Auch stehe der rechtserhaltenden Nutzung nicht entgegen, dass die Produktverpackung von der eingetragenen Marke abweiche. Die Abweichung ändere den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht, da der Verkehr trotz Wahrnehmung der Unterschiede das benutzte Zeichen mit der eingetragenen Marke gleichsetze. Mehrfachkennzeichnungen seien auf dem Arzneimittelmarkt gebräuchlich. Die Kombination der streitgegenständlichen Verpackung mit dem Begriff „Gufic“ und dem Produkt „H 15“ ließe erkennen, dass es sich bei „Gufic“ um den Hersteller und „H 15“ um das Produkt handele.
Da die Marke der Antragstellerin mithin rechtserhaltend benutzt wurde, stellte das Gericht im Weiteren auch eine hochgradige Warenähnlichkeit zwischen dem Arzneimittel der Antragstellerin und dem Nahrungsergänzungsmittel des Antragsgegners fest, sodass der Unterlassungsantrag Erfolg hatte.